Operation Center TARGET2-Securities ©Nils Thies

Coronakrise lässt TARGET2-Saldo auf über eine Billion Euro steigen

Der TARGET2-Saldo der Bundesbank ist seit März wieder deutlich gestiegen und hat im Juli den Wert von einer Billion Euro überschritten. Der abermalige Anstieg in den vergangenen Monaten geht dabei maßgeblich auf die Erweiterung der Ankaufprogramme des Eurosystems in Reaktion auf die Covid-19-Pandemie zurück.

Der EZB-Rat hat im März 2020 die Ankäufe unter dem Anleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme) weiter aufgestockt und ein neues Programm, das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), beschlossen. Infolgedessen sind die Volumina der monatlichen geldpoliti­schen Nettoankäufe des Eurosystems so hoch wie nie zuvor. Die Wertpapierankäufe führen aufgrund ihrer grenzüberschreitenden Effekte typischerweise zu einem Anstieg der TARGET2-Salden. 

Weitere Gründe für den aktuellen Anstieg

Nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute dürften aber auch andere Faktoren zum gegenwärtigen Anstieg beigetragen haben. So ist etwa in den vergangenen Monaten im Rahmen weiterer geldpolitischer Operationen – darunter einer Neuauflage der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte TLTRO – zusätzliche Liquidität geschaffen worden, welche die Überschussliquidität im System erhöht und durch Zweitrundeneffekte auch zu einem Anstieg der TARGET2-Salden führen kann. Eine kurzfristige Differenzierung zwischen den Faktoren ist nicht immer möglich; auf mittlere Sicht beeinflussen die Geldpolitik und das Marktumfeld maßgeblich die Höhe der TARGET2-Salden.

Abbau der Salden mit Ende der Anleihekaufprogramme wahrscheinlich

Vor die­sem Hin­ter­grund dürf­te sich der TAR­GET2-Saldo der Bun­des­bank wei­ter­hin auf hohem Ni­veau be­we­gen, so­lan­ge das Eu­ro­sys­tem die Anleihean­käu­fe fort­setzt. Ein deut­li­cher Rück­gang des TAR­GET2-Sal­dos ist erst zu er­war­ten, wenn die im Rah­men der geldpolitischen Son­der­maß­nah­men ge­schaf­fe­ne Überschussli­qui­di­tät im Eurosystem wie­der zurückgeht und der grenz­über­schrei­ten­de In­ter­ban­ken­markt im Euro-Wäh­rungs­ge­biet an Be­deu­tung ge­winnt. 

Die Funktionsweise des TARGET2-Systems

TARGET2 ist das Zahlungssystem der Zentralbanken des Eurosystems für die schnelle Abwicklung von Zahlungen in Echtzeit. Es ermöglicht, sowohl nationale als auch grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld schnell und günstig auszuführen. Den Trans­ak­tio­nen über TAR­GET2 kön­nen ganz un­ter­schied­li­che Ge­schäf­te zu­grun­de lie­gen, bei­spiels­wei­se die Be­zah­lung einer Wa­ren­lie­fe­rung, der Kauf eines Wert­pa­piers, die Geld­an­la­ge bei einer Bank oder auch die Rück­zah­lung eines Dar­le­hens. Zah­lun­gen in­ner­halb Deutsch­lands wer­den dabei al­lein von der Bun­des­bank ab­ge­wi­ckelt. Grenz­über­schrei­ten­de Trans­ak­tio­nen werden von den jeweiligen Notenbanken durchgeführt. Die hohe Anzahl von Zahlungen innerhalb eines Tages führen dazu, dass No­ten­ban­ken des Eu­ro­sys­tems eine Viel­zahl von ge­gen­sei­ti­gen Ver­bind­lich­kei­ten und For­de­run­gen in TAR­GET2 zu verbuchen haben. Diese wer­den am Ende eines Ge­schäfts­ta­ges in einem Ver­rech­nungs­sys­tem au­to­ma­tisch zu­sam­men­ge­führt und auf die EZB über­tra­gen. Da­durch ver­bleibt zu­letzt nur noch eine ein­zi­ge For­de­rung oder Ver­bind­lich­keit jeder na­tio­na­len Zen­tral­bank ge­gen­über der EZB, der TAR­GET2-Saldo.

Fragen der Haftung

Mit einem Risiko wären TARGET2-Salden der Bundesbank nur dann verbunden, wenn ein Land mit negativem Saldo die Währungsunion verlässt. In diesem hypothetischen Fall bestünde die Forderung der EZB gegenüber der betreffenden Zentralbank in voller Höhe fort. Nur wenn diese Forderung nicht vollständig beglichen würde, müsste eine Wertberichtigung vorgenommen werden, wodurch es letztlich zu einem Verlust der EZB kommen könnte. Die Höhe der deutschen TARGET2-Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB wäre dabei unerheblich. Das hieße, sowohl Zentralbanken mit einer TARGET2-Forderung gegenüber der EZB als auch solche mit einer TARGET2-Verbindlichkeit würden anteilig für den verbliebenen Verlust einstehen.