Internationale Bargeldkonferenz 2021 ©Bert Bostelmann

Ein sicherer Hafen, insbesondere bei rauer See Internationale Bargeldkonferenz 2021

In Deutschland ist der digitale Euro für gut drei Viertel der Bevölkerung ein Fremdwort. Nach einer aktuellen Umfrage der Bundesbank haben 77 Prozent der befragten Personen bislang nicht von einem digitalen Euro gehört oder gelesen. Bundesbank-Vorstandsmitglied Johannes Beermann präsentierte diesen überraschenden Wert in einer Eröffnungsrede auf der fünften wissenschaftlichen Bargeldkonferenz der Bundesbank. Und Beermann verwies auch darauf, eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten stehe dem digitalen Euro kritisch gegenüber: „Viele von ihnen waren nicht überzeugt, dass die digitale Währung einen ausreichenden Mehrwert bietet, verglichen mit der bestehenden Auswahl an Zahlungsoptionen.“ Im weiteren Verlauf der Konferenz stellte Johana Kimmerl vom Zentralbereich Bargeld die Ergebnisse der Befragung ausführlicher vor.

Beermann ging auch auf die öffentliche Konsultation der EZB zur möglichen Einführung einer digitalen Währung im Januar 2021 ein: „Datenschutz, Sicherheit und die Erreichbarkeit in Europa waren die Präferenzen, die den Bürgerinnen und Bürgern bei der Bewertung des Zahlungsmittels am wichtigsten waren.“ Gerade der Datenschutz ist bei baren Zahlungen gewahrt, so Beermann.

Weniger bar gezahlt …

Dennoch: Im Zuge der Pandemie ist das bare Zahlen an der Ladentheke, dem Point-of-Sale, gesunken. Das war kein deutsches Krisenphänomen, sondern galt in ganz Europa.  Beermann nannte in seiner Rede einen wesentlichen Grund dafür: „Viele Orte, an denen üblicherweise häufig bar gezahlt wird, wie in Cafés, bei Outdoor-Veranstaltungen oder auf Märkten waren während der Krise zeitweise geschlossen.“ Ob das Zahlungsverhalten sich dauerhaft ändere, könne man mitten in der Pandemie noch nicht absehen.

… mehr Bargeld zurückgelegt  

Im gleichen Zeitraum hat sich aber die Nachfrage nach Bargeld im Euroraum erhöht: Sie stieg bei den Euro-Banknoten zwischen März 2020 und Mai 2021 um 190 Milliarden Euro, ein Zuwachs von fast fünfzehn Prozent. Diese auf den ersten Blick widersprüchliche Entwicklung erklärte Fabio Panetta, Direktoriumsmitglied der EZB und dort für Zahlungsverkehr verantwortlich: „Die steigende Nachfrage nach Banknoten trotz eines Rückgangs der Barzahlungen lässt sich möglicherweise damit erklären, dass die Menschen Bargeld während der Krise als Mittel zur Bewältigung der Unsicherheit nutzten.“ Diese Ansicht teilte auch Beermann und ging insbesondere auf die gestiegene Bedeutung von Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel in Krisenzeiten ein: „Bargeld ist ein sicherer Hafen, insbesondere bei rauer See.“

Bargeldinfrastruktur im Lot 

In Ländern wie Schweden oder im Vereinigten Königreich spielt Bargeld kaum noch eine Rolle beim Bezahlen. Die TV-Journalistin Anja Kohl, Moderatorin des ersten Konferenztages, wollte in der folgenden Diskussionsrunde von Beermann wissen, ob das in Deutschland auch möglich sei. „Es gibt unterschiedliche Zahlungsgewohnheiten und Traditionen in Europa. In Deutschland ist die Bargeldinfrastruktur gut ausgebaut, an vielen Stellen kann man Bargeld erhalten, nicht nur am Geldausgabeautomaten, sondern auch im Handel durch das Cash-Back-Verfahren. Die Verbraucher vertrauen Banknoten und Münzen, deshalb sehe ich diese Gefahr nicht“, erklärte Beermann. Dagegen verwies der Würzburger Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger, früher im Sachverständigenrat, darauf, dass die Banken sich aus dem Bargeldverkehr zurückziehen würden. Franz Seitz, Professor an der Hochschule Amberg-Weiden, entgegnete, dass es zwischen Banken und dem Einzelhandel heute bereits vielfach gute Kooperationen im Bargeldrecycling gebe.

Barzahlungsobergrenze in der Kritik

Aktuell unternimmt die EU-Kommission einen weiteren Anlauf, um in der Europäischen Union eine einheitliche Obergrenze für Bargeldtransaktionen zu erwirken. Als Hauptmotiv hierfür gilt die Vermutung, dass damit die Geldwäsche eingedämmt werden könne. Für Seitz ist der neuerliche Anlauf nicht nachvollziehbar: „Die EU-Kommission hatte ihren ersten Anlauf für die Barzahlungsobergrenze in die Schublade gelegt, nachdem eine von ihr beauftragte wissenschaftliche Studie ergeben hatte, dass es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Obergrenze und einer Einschränkung der Geldwäsche gibt. Warum das Thema jetzt wieder aufgerollt wird, verstehe ich nicht.“ Auch für Beermann gibt es keinen empirischen Beleg dafür, dass die Barzahlungsobergrenze die Schattenwirtschaft eindämme. Bofinger gab zu bedenken, dass gerade im Handwerk und bei gewissen Dienstleistungen mit Bargeld die Schattenwirtschaft gefördert werde. Seitz erwiderte, dass es solche Fälle gebe, aber in der organisierten Kriminalität Bargeldkoffer heute keine Rolle mehr spielen würden. 

Auch diese Diskussion zeigt, dass die unruhigen Zeiten für das Bargeld wohl noch nicht vorüber sind, selbst wenn es als sicherer Hafen gilt. Dennoch hoben sowohl Panetta als auch Beermann in ihren Reden hervor, dass Bargeld auch in Zukunft seinen Platz im Zahlungsverkehr behalten werde, der digitale Euro sei eine Ergänzung und nicht die Ablösung des Bargelds.