Zahlungsverkehr - Nur Störungen erregen Aufsehen
Bundesbankpräsident Jens Weidmann lobte auf dem diesjährigen Zahlungsverkehrssymposium die in der anhaltenden Krise unverändert leistungsfähige Infrastruktur des Zahlungsverkehrs. "Dies ist zweifellos eine Bestätigung der bisherigen Arbeit, gleichzeitig aber ein Ansporn dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt."
Der unbare Zahlungsverkehr und die dahinter stehende Infrastruktur seien – ähnlich wie der Blutkreislauf eines menschlichen Körpers – von enormer Bedeutung, auch wenn dies von außen kaum erkennbar sei. "Solange alles reibungslos läuft, machen sich die wenigsten Leute Gedanken über die Vorgänge"
, sagte Weidmann in Frankfurt. Nur im Störungsfall würde nach außen hin schnell sichtbar, wie komplex die täglichen Prozesse tatsächlich seien. Ein sicherer und leistungsfähiger unbarer Zahlungsverkehr schaffe die Grundlage für das Vertrauen der Menschen in die Währung. "Die Menschen erwarten zu Recht, dass bargeldlose Transaktionen schnell, verlässlich und sicher abgewickelt werden."
Besondere Aufmerksamkeit hätten in den vergangenen Jahren die Ungleichgewichte im Zahlungsverkehrssystem TARGET2 erregt, so Weidmann. Die hohen TARGET2-Salden zeigten, dass der grenzüberschreitende Liquiditätsausgleich zwischen den Banken gestört sei. "Sie sind damit vor allem Ausdruck für die Vertrauenskrise im Bankensektor einiger Euroländer." Der in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangene Saldo der Bundesbank deute jedoch daraufhin, dass ein Stück Vertrauen langsam zurückkehre.
Höchste Zeit für SEPA
Bundesbankvorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele wies auf dem Symposium auf die in Deutschland schleppend verlaufende Umstellung auf die europaweit einheitlichen SEPA-Zahlungsverfahren hin. "Im ersten Quartal 2013 wurden gerade einmal 8,72 Prozent aller Überweisungen in Deutschland im
SEPA-Format abgewickelt. Bis zum 1. Februar 2014 müssen daraus 100 Prozent geworden sein."
Bei Lastschriften sei die Lage noch ernüchternder. Insbesondere private und privatwirtschaftliche Nutzer sowie kleinere öffentliche Kassen seien beim Thema SEPA in Verzug. Viele meinten, SEPA betreffe nur internationale Zahlungen und sei daher vernachlässigbar. "Das ist ein Irrtum, auch alle nationalen Zahlungen sind betroffen"
, so Thiele. Er appellierte an die Kreditinstitute ihren "natürlichen" Kundenkontakt zu nutzen, um verstärkte Aufklärungsarbeit zu leisten. Ludger Gooßens, Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes forderte beim Thema SEPA mehr Unterstützung von Seiten der Politik. "Die Gesetze sind schließlich von Bundesregierung und Landesregierungen verabschiedet worden."
Bei der Umstellung auf die neuen fünfstelligen Postleitzahlen im Jahr 1993 hätte eine groß angelegte Informationskampagne für Klarheit gesorgt. Dadurch seien die Bürger sehr gut informiert gewesen. Bei der Umstellung auf die neue 22-stellige Kontonummer vermisse er ein solches Engagement.
Raum für Innovationen
Die Schaffung des gemeinsamen europäischen Marktes ende nicht bei Überweisungen und Lastschriften, erklärte Thiele. Es würde sehr darauf geachtet, dass auf neuen Märkten beispielsweise für Zahlungssysteme im Internet und über das Mobiltelefon keine Insellösungen entstünden. Auch wenn es neue Zahlungsmethoden in einem so effizienten System wie in Deutschland und Europa schwer hätten, Fuß zu fassen, ermutigte Thiele zu Innovationen. Das größte Potenzial sei im Bereich der Zahlungssysteme für Kleinbeträge zu finden, erklärte Jochen Metzger, Zentralbereichsleiter für den unbaren Zahlungsverkehr der Bundesbank. "Zahlungen bis 20 Euro werden auch heute noch zu über 90 Prozent bar getätigt. Hier kann man ansetzen."
Neue Systeme könnten sich allerdings nur durchsetzen, wenn die Sicherheit gewährleistet und ein Zusatznutzen erkennbar sei.
Wie ein innovatives Zahlverfahren insbesondere für Kleinbeträge aussehen könnte, zeigte Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Mit "girogo" habe die Deutsche Kreditwirtschaft ein Pilotprojekt für eine Technik des kontaktlosen Bezahlens aufgesetzt. "Seit Anfang 2012 wird das Verfahren in Hannover, Braunschweig und Umgebung von ausgewählten Kreditinstituten und Händlern getestet." Ein auf der Girokarte vorhandener Funkchip ermögliche schnelles Bezahlen von Beträgen bis 20 Euro allein durch Halten der Karte an ein Lesegerät – ohne PIN oder Unterschrift, erklärte Martin. Für eine flächendeckende Verwendung sei das Verfahren unter Kosten-Nutzen-Aspekten allerdings noch nicht geeignet. Parallel zu girogo würden Innovationen für das Bezahlen mit Mobiltelefonen getestet. Welche Verfahren sich letztlich durchsetzten, sei jedoch schwierig vorherzusehen. Dazu wagte auch Metzger keine Prognose. Die aufwendigen Testphasen nach dem "Trial und Error-Prinzip" seien deshalb in jedem Fall notwendig, so der Zentralbereichsleiter. "Der Friedhof der Zahlungsverkehrsinnovationen ist schließlich groß."