Virtuelle Konferenz "Future of Payments in Europe" Weidmann: Notenbanken sollten private Zahlungslösungen nicht verdrängen

Nach Auffassung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann sollten Notenbanken darauf achten, private Zahlungslösungen für Konsumentinnen und Konsumenten nicht zu verdrängen, sondern sollten eine unterstützende Rolle einnehmen. Wettbewerb und Regulierung seien entscheidend für gute Marktergebnisse. Er sehe die Notenbanken als Katalysatoren, die das Rückgrat des Zahlungssystems bildeten, sagte er bei der virtuellen Bundesbank-Konferenz "Zukunft des Zahlungsverkehrs in Europa".

Seiner Ansicht nach sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher aus einem breiten Spektrum von Zahlungsmethoden wählen können, „die ihren Präferenzen hinsichtlich Sicherheit, Bequemlichkeit, Geschwindigkeit, Kosteneffizienz und Datenschutz entsprechen“. In einer Marktwirtschaft sei es in erster Linie Aufgabe des Privatsektors, diese innovativen Zahlungslösungen zu entwickeln und anzubieten. Beispielsweise sollten Echtzeitzahlungen zum neuen Standard werden. Zentralbanken müssten für solche Lösungen vertrauenswürdige Plattformen anbieten. Um dies zu gewährleisten, müssten die Notenbanken auf dem neuesten Stand der Technik sein, sagte der Bundesbankpräsident. Dazu gehöre auch, an digitalem Zentralbankgeld (DZBG) zu arbeiten. Eine Möglichkeit könnte sein, DZBG mit neuer Technologie den Geschäftsbanken zur Verfügung zu stellen.

Schwieriger Kompromiss für Zentralbanken

Weidmann ging in seiner Rede insbesondere auf die Chancen und Risiken ein, die die Ausgabe von DZBG an die Bürgerinnen und Bürger birgt, wie derzeit im Eurosystem diskutiert wird. Zuerst müsse geklärt werden, welchen Zweck das neue Geld erfüllen solle, um es entsprechend zuzuschneiden. Bei einer Einführung müsse darauf geachtet werden, dass andere Ziele der Notenbanken wie die Preis- und Finanzstabilität nicht gefährdet werden. Er betonte, ein solcher digitaler Euro solle Bargeld nur ergänzen und nicht ersetzen. Viele Menschen schätzten Bargeld, da es unter anderem, die Privatsphäre schütze. DZBG würde vermutlich nicht mit einem so hohen Maß an Anonymität ausgestattet sein können. Bei der Ausgestaltung von DZBG stünden Zentralbanken vor einem schwierigen Kompromiss, erläuterte Weidmann. „Einerseits muss es für die Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv genug sein, damit sie es akzeptieren und von seinen Vorteilen profitieren können. Andererseits könnte DZBG das bestehende Finanzsystem drastisch verändern, wenn es zu attraktiv wäre.“

Einführung eines digitalen Euro würde Zeit benötigen

Das Eurosystem habe noch nicht entschieden, ob es einen digitalen Euro einführen werde oder nicht, so Weidmann. Bevor diese Entscheidung getroffen werde, müssten die Auswirkungen eines solchen digitalen Geldes gründlich untersucht und abgewogen werden. „Und selbst wenn wir uns für DZBG entscheiden sollten, wäre die vorsichtige Einführung eine immense logistische und technische Aufgabe und würde daher Zeit in Anspruch nehmen“, sagte der Bundesbankpräsident.

EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta, der bei der virtuellen Konferenz sprach, betonte ebenfalls, dass ein digitaler Euro vorsichtig ausgestaltet werden müsse. Aus seiner Sicht verbindet ein digitaler Euro die Effizienz eines digitalen Zahlungsinstruments mit der Sicherheit von Zentralbankgeld. „Zusammen würden diese beiden Arten von Geld allen zur Verfügung stehen und eine größere Auswahl und den Zugang zu einfachen, kostenfreien Zahlungsmöglichkeiten bieten“, so Panetta.

Markt in Europa stark fragmentiert

Bundesfinanzminister Olaf Scholz forderte in seiner Rede, dass die relevanten Entscheidungen in Bezug auf das Zahlungssystem in Europa schnell getroffen werden müssten. Es gebe eine starke Nachfrage nach digitalen Zahlungsmöglichkeiten, der man nachkommen müsse. „Wir sollten nicht abwarten und zusehen“, sagte er. Er unterstütze daher die Arbeit der EZB an einem digitalen Euro. Auch die European Payments Initiative (EPI), einen Zusammenschluss von mehreren privaten Banken im Euroraum, bezeichnete Scholz als vielversprechend. Die EPI arbeitet an einer einheitlichen europäischen Zahlungslösung. Vorgesehen sind eine Karte und eine digitale Geldbörse, die für Zahlungen an der Ladenkasse, im Online-Handel und zwischen Privatpersonen sowie für Bargeldabhebungen genutzt werden können.

Derzeit sei der Zahlungsverkehrsmarkt in Europa stark fragmentiert, kritisierte Scholz. Insbesondere bei Zahlungen außerhalb des Euroraums müsse Europa wettbewerbsfähiger werden und dürfe den Markt nicht den amerikanischen Wettbewerbern überlassen. Unregulierten, privaten Digitalwährungen erteilte der Bundesfinanzminister hingegen eine Absage. Sie seien „keine Option“ und würden von ihm nicht unterstützt.

Gemeinsame europäische Antwort notwendig

Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Marktteilnehmer bemängelte auch Bundesbankvorstand Burkhard Balz, der bei der Bundesbank unter anderem den unbaren Zahlungsverkehr verantwortet. „Keine der vielen in Europa verfügbaren Zahlungsanwendungen ist in Bezug auf Reichweite und Nutzerzahlen groß genug, um gleichberechtigt mit Global Playern wie großen Kartennetzen oder Big-Tech-Firmen aus China und den USA zu konkurrieren“, sagte Balz. Es brauche eine gemeinsame europäische Antwort auf die Herausforderung der Digitalisierung. So bald wie möglich sollten die Nutzerinnen und Nutzer in der Lage sein, Zahlungen in ganz Europa auf bequeme und kosteneffiziente, sichere Weise zu senden und zu empfangen. Dazu sei eine neue Denkweise und hohe Geschwindigkeit aller beteiligten Marktakteure notwendig. „2021 ist ein entscheidendes Jahr für europäische Zahlungslösungen“, sagte Balz.