Thomas Scheibitz, Ohne Titel, 1995–96
Das Gefühl, in einer Welt voller austauschbarer Erlebnisse und gleichförmiger Biografien zu leben, ist eine zentrale Erfahrung der Moderne. Nicht nur, dass nahezu jede Region der Erde identische Konsummöglichkeiten und -angebote bereithält, eine expansive mediale Kommunikation hat zudem längst die Leitvorstellungen, Sehnsüchte, Wünsche und Träume der Menschen global normiert.
Auch in der Kunst hat sich eine internationale Sprache ausgeprägt, ein Repertoire, das nicht mehr hinterfragt werden muss, aber auch nicht mehr wirklich überrascht, erstaunt oder gar schockiert. Auf den ersten Blick arbeitet Thomas Scheibitz in seiner Malerei mit einem seit Langem verbindlichen abstrakten Formenkanon. Irritierend wirken in diesem Zusammenhang jedoch die Versatzstücke aus der realen Welt der Dinge, die in zahlreichen Bildern explizit oder nur angedeutet auftauchen. Sie stören den formalen Bildaufbau und die gegenstandsfreie „Reinheit“ des Bildes. Es entstehen Collagen aus Formen und Wirklichkeitssplittern, aus Verweisen auf die Kunstgeschichte und die Alltagskultur.
Das Bildermachen erweist sich als das eigentliche Thema: Wie kann man überhaupt noch malen in einer Zeit massenhafter digitaler Bildproduktion und -manipulation? Wohl nur, indem man den Finger genau auf die Wunde legt, die das gebrochene Verhältnis zwischen Malerei und Gegenwart gerissen hat.