„Warum taucht Bitcoin nicht in der Notenbankbilanz auf, Herr Balz?“ Interview mit dem BTC-ECHO
Das Gespräch mit Burkhard Balz führte Sven Wagenknecht.
Das Projekt des Digital Euro, also einer digitalen Zentralbankwährung, wird von der Europäischen Zentralbank vorangetrieben. Welche Möglichkeiten besitzt die Deutsche Bundesbank, Einfluss auf die Ausgestaltung der potenziellen CBDC zu nehmen?
Im Sommer des vergangenen Jahres hat der EZB-Rat entschieden, dass die mögliche Einführung eines digitalen Euro im Rahmen eines Projektes untersucht werden soll. Dieses Projekt wurde dann Anfang Oktober letzten Jahres gestartet. Die Untersuchungsphase soll zwei Jahre andauern. Alle nationalen Zentralbanken des Eurosystems sind an diesem Projekt beteiligt. Wir bekommen Fragen gestellt, geben Einschätzungen ab und haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Projekt entsendet. Zusätzlich wurde eine sogenannte High Level Task Force zur Beaufsichtigung des Projekts gegründet, in der ich die Bundesbank vertrete.
Eine CBDC kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Vor allem die Variante als Bargeldersatz, was auch als Retail CBDC bezeichnet wird, könnte zu größeren strukturellen Veränderungen führen. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass darunter Geschäftsbanken zu leiden haben? Schließlich wäre das Guthaben bei der Notenbank sicherer als bei der Hausbank.
Ein digitaler Euro soll primär als Zahlungsmittel und nicht als Wertaufbewahrungsmittel dienen. Darauf werden wir bei der konkreten Ausgestaltung achten. Das könnte dann zum Beispiel bedeuten, dass Benutzerinnen und Benutzer den digitalen Euro etwa nur bis zu einer bestimmten Menge halten können oder dass dieser digitale Euro ab einem bestimmten Schwellenwert unattraktiv verzinst würde. Meine Botschaft lautet: Geschäftsbanken sollen nicht unter dem digitalen Euro leiden. Banken würden eine wichtige Rolle in der Verteilung des digitalen Euro einnehmen und sollen an zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten mitarbeiten.
Wie ist ihre persönliche Meinung zur chinesischen CBDC? Ein gutes oder eher ein schlechtes Vorbild für den Euro?
Die People‘s Bank of China arbeitet schon seit einiger Zeit an einer digitalen Version des Renminbi, sodass auch wir vonseiten der Bundesbank sowie der Europäischen Zentralbank die dortigen Fortschritte genau im Blick haben. Allerdings sind aus meiner Sicht die Vorzeichen und vor allem auch die Motivation in China anders als hier in Europa. Deswegen dient China für uns im Eurosystem nicht wirklich als Vorbild.
Was ist ihrer Meinung nach der größte Vorteil von digitalem Zentralbankgeld?
Der digitale Euro sollte Vorteile für verschiedene Nutzergruppen bieten. Zunächst wären die privaten Haushalte angesprochen, die den digitalen Euro wahrscheinlich als erste nutzen könnten. Ganz gleich, ob der Einkauf an der Ladenkasse oder die Zahlung zwischen Freunden und Bekannten: Der digitale Euro soll eine bequeme und standardisierte Bezahlmöglichkeit darstellen, die womöglich sogar offline funktioniert, also auch bei schlechter oder fehlender Internetverbindung. Somit wäre digitales Bezahlen im gesamten Euroraum möglich, wodurch der digitale Euro zudem das europäische Gemeinschaftsgefühl stärken würde.
Es existieren Ängste in der Bevölkerung, dass die Einführung einer CBDC das Bargeld verdrängt und damit letztlich zu geringeren Privatsphäre-Standards führt. Was entgegnen Sie diesen Ängsten?
Wir Zentralbanken im Eurosystem stehen zum Bargeld und werden dieses auch weiterhin bereitstellen. Letztlich werden die Nutzerinnen und Nutzer im Alltag selbst entscheiden, welche Rolle ein digitaler Euro, das Bargeld oder auch andere Zahlungsmittel einnehmen werden. Für mich ist eines wichtig: Ein digitaler Euro sollte die Privatsphäre besonders schützen und auf diesem Feld Vorbild sein. Allerdings muss klar sein, dass die Anonymität an Grenzen stößt, wenn es um Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung geht.
Ist die deutsche Bevölkerung wirklich so "Bargeld-verliebt", wie man ihr nachsagt?
Zumindest im Vergleich mit einigen unserer europäischen Nachbarn gehört die deutsche Bevölkerung traditionell eher zu den Barzahlern. Die EZB veröffentlicht regelmäßig Studien, in der sie das Zahlungsverhalten im Euroraum auswertet. In Frankreich, den Niederladen oder Finnland wird beispielsweise signifikant weniger mit Bargeld bezahlt. In anderen Ländern wie Österreich oder Spanien ist die Bargeldzahlung dagegen ebenfalls relativ weit verbreitet. Auch die aktuelle Bundesbankstudie zum Zahlungsverhalten (Veröffentlichung 06.07.2022) bestätigt die Bedeutung des Bargelds in unserem Land. Gemessen an der Zahl der Transaktionen ist Bargeld mit einem Anteil von 58 Prozent nach wie vor das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel. Bei den Umsätzen liegt die Kartenzahlung mit einem Anteil von 40 Prozent aber schon vor dem Bargeld mit rund 30 Prozent.
Inwiefern hat die Corona-Pandemie Einfluss auf das Zahlungsverhalten genommen? Elektronische Zahlweisen dürften davon sicherlich profitiert haben, oder?
Ja, der Trend hat sich fortgesetzt, dass die Bedeutung des Bargelds als Zahlungsmittel weiter abnimmt. Unter den unbaren Zahlungsmitteln ist dabei die Debitkarte führend, die für rund ein Viertel aller Zahlungen eingesetzt wird. Neben der Corona-Pandemie, in der viele Händler ihre Kunden aktiv zur Kartenzahlung aufforderten, hat auch die zunehmende Verschiebung des Konsums von der Ladentheke in das Internet eine wichtige Rolle für die Zunahme von unbarem Zahlungsverkehr gespielt. Beispielsweise hat der Anteil von Internetumsätzen an den Gesamtumsätzen im Vergleich zu unserer Studie aus dem Jahr 2017 um 18 Prozentpunkte zugenommen.
Braucht es überhaupt einen digitalen Euro von der Zentralbank oder sollte man das Feld lieber privaten Akteuren überlassen, die entsprechende Stablecoins emittieren können?
Wie wir alle wissen, braucht stabiles Geld Vertrauen. Und es braucht einen solventen und integren Emittenten, der die Fähigkeit und Bereitschaft besitzt, die Stabilität des Geldes zu verteidigen. Aus meiner Sicht zeigt die historische Erfahrung, dass kommerzielle Anbieter das nicht leisten können. Sollte die Deckung von Stablecoins nicht ausreichen oder es nicht möglich sein, sie in andere Geldformen zu konvertieren, dann bestehen hier Verlustrisiken. Man denke nur an das Beispiel von Terra Luna, das vor einigen Wochen zu einem nahezu vollkommenen Wertverlust dieses US-Dollar-Stablecoins geführt hat. Dennoch würde es neben einem digitalen Euro von der Zentralbank ausreichend Raum für private Geldformen geben. Digitales Zentralbankgeld ersetzen können Stablecoins hingegen nicht. Vertrauen ist auch im Zahlungsverkehr eine notwendige Grundlage und, wenn ich das hinzufügen darf, auch eine Kernkompetenz der Notenbanken.
Sehen Sie in Stablecoins eine Gefährdung des staatlichen Geldmonopols? Gehen von Stablecoins Risiken für die Finanzmarktstabilität aus?
Es gibt verschiedene Formen von Geld. Wir wissen, dass das meiste Geld im Euroraum bisher Geschäftsbankengeld ist und insofern ist es nichts Neues, dass private Unternehmen Geld emittieren. Ein Problem für uns könnte dann entstehen, wenn Geld, das nicht in Euro denominiert ist, den Euro verdrängt. Eine solche Gefahr ist derzeit für mich nicht erkennbar. Dennoch lässt sich natürlich nicht ausschließen, dass der wachsende Kryptomarkt zu erhöhten Risiken für die Finanzstabilität führt, insbesondere, wenn auch Banken und Versicherungen investiert sind. Aus diesem Grund ist es wichtig, frühzeitig zu regulieren, um Fehlentwicklungen vorzubeugen. Mit der Markets in Crypto Assets Regulation der Europäischen Union wurde ein entsprechendes Regelwerk auf den Weg gebracht.
Zentralbanken und insbesondere auch die Deutsche Bundesbank halten Gold als Reserve. Warum?
Goldreserven werden als Liquiditätsreserve und zur Diversifizierung der Währungsreservebestände gehalten. Im Ernstfall können Goldbestände als Sicherheit beliehen oder in Devisen, das heißt in andere Währungen, umgetauscht werden. Gold genießt darüber hinaus als Sachwert ein hohes Ansehen in der Bevölkerung und ist der einzige Vermögenswert, der kein Adressenausfallrisiko hat.
Wäre es nicht dann – gegebenenfalls höhere Marktkapitalisierung und geringere Volatilität vorausgesetzt – denkbar, dass Bitcoin ebenfalls auf der Notenbankbilanz auftaucht?
Eine klare Antwort: Nein. Bitcoin hat im Unterschied zu Gold keinen intrinsischen Wert und im Unterschied zu anderen Währungsreserven auch keinen Emittenten. Er wird primär aus spekulativen Motiven gehalten und ist deshalb ungeeignet, das Vertrauen in unser Geld zu stärken.
Leicht entsteht der Eindruck, dass Zentralbanker besonders kritisch gegenüber privaten Kryptowährungen eingestellt sind. Wie begründen Sie diese Skepsis?
In der Tat sehen die meisten Zentralbanker Krypto-Token kritisch. Diese kritische Haltung bezieht sich aber vornehmlich auf die Frage, ob Krypto-Token Geld sein könnten, ob sie also als Zahlungsmittel, als Mittel zur Wertaufbewahrung oder als Recheneinheit taugen. Meine Beobachtung ist hier, dass viele, wenn nicht die meisten im Krypto-Sektor investierten Personen, Krypto-Token aus spekulativen Motiven halten, und nicht, weil sie als solide und wertstabil gelten. Und Zentralbanken spekulieren nicht. Für unsere Zwecke sind Krypto-Token deswegen wenig geeignet.
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