Makroprudenzielle Maßnahmen

Makroprudenzielle Maßnahmen dienen dazu, das Finanzsystem insgesamt krisenfester zu machen und somit die Realwirtschaft besser zu schützen. Zu den möglichen Maßnahmen zählen vor allem die Kapitalpufferanforderungen. Darüber hinaus stehen in Deutschland auch Instrumente zur Verfügung, um vom Immobilienmarkt ausgehende systemische Risiken zu bekämpfen.

Kapitalpuffer

Die unter Basel III erstmals eingeführten Kapitalpuffer verfolgen grundsätzlich das Ziel, die Verlustabsorptionsfähigkeit der Banken zu stärken. Abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung soll dabei der Kapitalaufbau aus einem zyklischen Motiv heraus erfolgen oder die strukturelle Bedeutung eines Instituts für das Finanzsystem widerspiegeln. Im ersten Fall ist die Idee, dass Banken Kapitalpolster in wirtschaftlich guten Zeiten aufbauen, um diese dann in Krisenzeiten zur Aufrechterhaltung ihrer Kreditvergabe verwenden zu können. Ein solcher Kapitalpuffer kann somit eine antizyklische Wirkung entfalten. Im zweiten Fall geht es neben der Stärkung der Verlustabsorptionsfähigkeit der Institute auch darum, Ansteckungsrisiken auf das Finanzsystem infolge des Ausfalls von Instituten mit systemischer Bedeutung („too-big-to-fail“) und mögliche Kosten einer Rettung der Institute durch den Staat zu verhindern. Ein Nebeneffekt ist, möglicherweise ungerechtfertigte Finanzierungskostenvorteile der Institute aufgrund ihrer systemischen Bedeutung zu vermeiden.

Im Gegensatz zu möglichen aufsichtlichen Maßnahmen bei einer Unterschreitung der Mindestanforderungen an die Eigenmittel, kann ein Unterschreiten der Pufferanforderungen kein Grund für den Entzug der Banklizenz sein, sondern es greifen Beschränkungen bei Ausschüttungen und Bonuszahlungen.

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hat aufbauend auf den Vorschlägen des Finanzstabilitätsrats (Financial Stability BoardsFSB) vier Kapitalpuffer entwickelt:

  1. Kapitalerhaltungspuffer
  2. Antizyklischer Kapitalpuffer
  3. Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute
  4. Kapitalpuffer für national systemrelevante Institute

In der Europäischen Union (EU) hat man darüber hinaus mit dem Systemrisikopuffer einen weiteren Kapitalpuffer eingeführt. Im Rahmen der Umsetzung der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements DirectiveCRD IV) wurden diese fünf Puffer im Kreditwesengesetz (KWG) verankert. Die Pufferanforderungen sind ausschließlich mit hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1 capitalCET 1) zusätzlich zu den Mindesteigenkapitalanforderungen zu erfüllen (siehe Übersicht). Innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) ist die Europäische Zentralbank nach Artikel 5 der SSM-Verordnung bei makroprudenziellen Maßnahmen einzubeziehen.

Kapitalerhaltungspuffer (§ 10c KWG)

Der Kapitalerhaltungspuffer (Capital Conservation BufferCCB) soll die allgemeine Verlustabsorptionsfähigkeit der Banken verbessern. Seine Höhe beträgt 2,5 % der risikogewichteten Aktiva nach Art. 92 Abs. 3 der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation – CRR) einer Bank.

Antizyklischer Kapitalpuffer (§ 10d KWG)

Der antizyklische Kapitalpuffer (Countercyclical Capital BufferCCyB) soll primär einer krisenbedingten Einschränkung des Kreditangebots entgegenwirken. Neben seiner positiven Wirkung auf die Verlustabsorptionsfähigkeit der Institute kann die Einführung des CCyB dämpfend auf ein übermäßiges Kreditwachstum wirken und so einer Überhitzung der Volkswirtschaft vorbeugen.

Die national zuständige Behörde – in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – legt bei Erkennen erster Anzeichen eines übermäßigen Kreditwachstums in der jeweiligen Volkswirtschaft eine Pufferquote von bis zu 2,5 % fest. Bis zu dieser Pufferquote sollen andere Länder auch für ihre Banken einen Kapitalpuffer für in einem Land, das den CCyB eingeführt hat, belegene Risikopositionen vorschreiben (sog. verpflichtende Reziprozität). Pufferquoten oberhalb von 2,5 % sind grundsätzlich möglich; für sie besteht jedoch nur noch eine freiwillige Reziprozität durch die Aufsichtsbehörden anderer Länder.

Informationen über die aktuelle Festsetzung der Pufferquote in Deutschland sind auf der Internetseite der BaFin zu finden. Das European Systemic Risk Board (ESRB) führt darüber hinaus eine Liste mit den CCyB-Quoten der einzelnen europäischen Länder. Der BCBS führt eine vergleichbare Liste auf globaler Ebene, die auch die relevanten Drittstaaten enthält.

Die Institute ermitteln, entsprechend der regionalen Verteilung der von ihnen vergebenen Kredite, ihre jeweils geltende institutsspezifische Pufferquote als gewichteten Durchschnitt der in- und ausländischen Pufferquoten. Zeichnet sich eine Krise ab, so kann die zuständige Behörde die Pufferquote unmittelbar herabsetzen, sodass die Banken ihre Kreditvergabe möglichst nicht einschränken müssen.

Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute (G-SRI) (§ 10f KWG)

Der G-SRI Puffer dient vor allem dazu große, stark vernetzte und international tätige Banken durch Vorhalten zusätzlichen Kapitals widerstandsfähiger zu machen. Die jährliche Festlegung der G-SRI erfolgt anhand international festgelegter Kriterien. Die jeweils aktuelle Liste der als G-SRI designierten Banken kann auf der Internetseite des FSB eingesehen werden. Je höher das Maß an Systemrelevanz, desto höher ist die Anforderung an das zusätzliche Kapitalpolster. Die Bandbreite reicht von 1 % bis 3,5 %. Der Puffer ist auf konsolidierter Ebene zu erfüllen.

Kapitalpuffer für anderweitig systemrelevante Institute (A-SRI) (§ 10g KWG)

Die Zielsetzung des A-SRI Puffers ist ähnlich der des Puffers für G-SRI. Der Fokus liegt hierbei auf Banken, die für das Funktionieren der jeweils nationalen Volkswirtschaft bedeutend, d. h. national systemrelevant, sind. Der BCBS lässt in der Methodik zur Identifizierung bewusst nationalen Spielraum zu. Die Identifizierung deutscher A-SRI erfolgt gemeinsam durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank unter Berücksichtigung der relevanten Leitlinien der European Banking Authority (EBA). Die BaFin führt auf ihrer Internetseite eine Liste mit den aktuell für Deutschland als A-SRI designierten Banken. Der individuell bestimmte Puffer kann auf konsolidierter, teil-konsolidierter oder auf Einzelinstitutsebene verhängt werden. Bei einer Pufferquote von mehr als 3 % muss jedoch die EU-Kommission zustimmen. Wenn ein Institut sowohl national als auch global als systemrelevant gilt, muss es nur den höheren der beiden Kapitalpuffer (G-SRI- oder A-SRI-Puffer) anwenden.

Systemrisikopuffer (§ 10e KWG)

Der Systemrisikopuffer (Systemic Risk Buffer – SyRB) soll systemischen Risiken entgegenwirken, die zu einer Störung mit schwerwiegenden Auswirkungen auf den inländischen Finanzsektor oder die inländische Realwirtschaft führen können. Der SyRB wird nicht gegenüber einzelnen Instituten verhängt, sondern gegenüber bestimmten oder gar allen Gruppen von Instituten. Der SyRB kann nicht nur pauschal für Risikopositionen im Inland, in einem EU-Mitgliedsstaat oder Drittstaat angeordnet werden, sondern auch sektoral gezielt für branchenspezifische Risikopositionen und Unterkategorien davon. Es ist somit möglich, mehrere Systemrisikopuffer gleichzeitig für unterschiedliche Risikopositionen einzusetzen. Die Pufferquote eines SyRB beträgt mindestens 0,5 % und ist nach oben unbegrenzt. Die Gesamthöhe des SyRB ist die Summe der einzelnen Puffer. Eine Anordnung ist vorab dem ESRB sowie gegebenenfalls den zuständigen Aufsichtsbehörden betroffener Mitgliedsstaaten anzuzeigen und nur zulässig, sofern die CRR oder das KWG kein anderes Instrument für den identifizierten Fall vorsehen. Eine Gesamthöhe des SyRB zwischen 3 % und 5 % ist der EU-Kommission anzuzeigen. Bei einer Gesamthöhe über 5 % muss die EU-Kommission zustimmen.  In Deutschland erfolgt die Anordnung des SyRB durch die BaFin.

Mindesteigenkapitalquoten und Kapitalpuffer

Kapitalpuffer (in hartem Kernkapital)

Systemrisikopuffergemäß nationaler Festlegung (min. 0,5 %)*
Kapitalpuffer für systemrelevante InstituteMaximum aus G-SRI-Puffer (1 % bis 3,5 % **) und A-SRI-Puffer gemäß nationaler Festlegung**
Antizyklischer Kapitalpuffergrundsätzlich 0 % bis 2,5 % **
Kapitalerhaltungspuffer2,5 % **

Mindestkapitalquoten

Gesamtkapital8 % **
Kernkapital6 % **
Hartes Kernkapital4,5 % **
* bezogen auf die risikogewichteten Aktiva, für die der SyRB gilt
** bezogen auf alle risikogewichteten Aktiva

Weitere europäisch harmonisierte makroprudenzielle Instrumente (§ 48t KWG)


Neben den Kapitalpufferanforderungen gibt es weitere makroprudenzielle Maßnahmen. Dazu zählen zusätzliche Eigenmittelanforderungen, erweiterte Offenlegungspflichten und Liquiditätsanforderungen sowie erhöhte Risikogewichte für bestimmte Forderungsklassen. Artikel 458 CRR befähigt EU-Mitgliedstaaten solche Maßnahmen anzuordnen, sobald systemische Risiken oder Gefahren für die Realwirtschaft erkennbar sind. Bevor ein EU-Mitgliedstaat eine solche Maßnahme anordnet, muss er dies der EU-Kommission und dem ESRB anzeigen, und er muss begründen, warum andere makroprudenzielle Maßnahmen nicht geeignet sind. Der Europäische Rat kann die Maßnahme unter bestimmten Voraussetzungen (Nutzenabwägung) auf Vorschlag der EU-Kommission ablehnen, wenn die Maßnahme nachteilige Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt hätte.

Nationale makroprudenzielle Instrumente zur Bekämpfung systemischer Risiken ausgehend vom Immobilienmarkt (§ 48u KWG)

Die BaFin kann für Kreditinstitute Beschränkungen bei der Vergabe von Darlehen zum Bau oder zum Erwerb von im Inland gelegenen Wohnimmobilien festlegen, wenn und soweit dies erforderlich ist, um einer Störung der Funktionsfähigkeit des inländischen Finanzsystems oder einer Gefährdung der Finanzstabilität im Inland entgegenzuwirken. Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn die Preise von Wohnimmobilien und die Neuvergabe von Darlehen zum Bau oder Erwerb von Wohnimmobilien stark ansteigen und sich bei der Darlehensvergabe erheblich verändern.

Die Darlehensvergabe kann beschränkt werden durch:

  • die Vorgabe einer Obergrenze für den Quotienten aus dem gesamten Fremdkapitalvolumen einer Immobilienfinanzierung und dem Marktwert der Wohnimmobilien zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe;
  • die Vorgabe eines Zeitraums, innerhalb dessen ein bestimmter Bruchteil eines Darlehens spätestens zurückgezahlt werden muss, oder bei endfälligen Darlehen die Vorgabe einer maximalen Laufzeit.

Bei der Festlegung der o.g. Beschränkungen kann die BaFin u.a. auch festlegen, welcher Anteil des Neugeschäfts für Wohnimmobilienfinanzierungen eines Kreditinstituts nicht den festgelegten Beschränkungen unterliegt (Freikontingent) und bis zu welcher Darlehenshöhe eine oder mehrere Beschränkungen nicht gelten (Bagatellgrenze).