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Bundesbank-Studie: Unternehmensdynamik im Euroraum lässt nach

Gemessen an den Raten der Unternehmensgründungen und -schließungen schwächte sich die Unternehmensdynamik im Euroraum in den letzten 20 Jahren spürbar ab, heißt es im aktuellen Monatsbericht. Gleichzeitig verlangsamte sich das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass diese Entwicklungen miteinander zusammenhängen. Markteintritte und -austritte seien wichtig für die effiziente Verteilung von Produktionsfaktoren und damit für die Produktivität: Treten junge Unternehmen in den Markt ein, intensiviere sich der Wettbewerb und verstärke den Innovationsdruck für die Konkurrenz. Dies habe zur Folge, dass weniger profitable Unternehmen den Markt verlassen und junge Unternehmen den Zugang zu Produktionsmitteln und Absatzmärkten erhalten. 

Eine besondere Herausforderung der Analyse liegt in der schwierigen Datenlage. Neben konzeptionellen Änderungen bei der Datenerhebung behindern Datenlücken eine Untersuchung der Unternehmensdynamik im Euroraum. Dennoch lässt sich zeigen, dass die nachlassende Unternehmensdynamik regional breit angelegt ist. Auf Ebene der Wirtschaftsbereiche ergibt sich ebenfalls ein recht einheitliches Bild. 

Mögliche Gründe für die nachlassende Dynamik: zyklische Faktoren

Die Dynamik der Gründungen und Schließungen von Unternehmen hängt nach Ansicht der Fachleute von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von zyklischen Faktoren, wie der konjunkturellen Lage: In Aufschwungsphasen werden typischerweise vermehrt Unternehmen gegründet, während in Abschwungphasen tendenziell vermehrt Unternehmen geschlossen werden. Erhöhte Unsicherheit in Krisenzeiten könne Gründungen zudem nachhaltig dämpfen, heißt es in der Studie. Dies könnte erklären, weshalb die Markteintrittsrate im Euroraum in den Jahren nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der anschließenden europäischen Staatschuldenkrise so kraftlos blieb.

Auch Politikreaktionen auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen können sich auf die Unternehmensdynamik auswirken, schreiben die Autorinnen und Autoren. So habe beispielsweise das Programm der deutschen Regierung zur Stabilisierung der Wirtschaft während der Corona-Pandemie die Wahrscheinlichkeit für Marktaustritte von Unternehmen verringert. 

Mögliche Gründe für die nachlassende Dynamik: strukturelle Faktoren

Neben den zyklischen spielen jedoch laut der Studie auch strukturelle Faktoren eine Rolle, denn bereits vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sanken Gründungs- und Schließungsraten. 

Eine mögliche Ursache könne der demografische Wandel sein: Mit einer alternden Bevölkerung nehme das Arbeitsangebot ab. Auch gibt es Hinweise darauf, dass die Innovationstätigkeit und Risikobereitschaft mit steigendem Lebensalter tendenziell nachlasse, schreiben die Fachleute. Diese Faktoren spielen aber eine Schlüsselrolle bei der Gründung von Unternehmen. Auch ein funktionierendes Rechtssystem und eine effiziente Verwaltung sind wichtige Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln. So wirken sich beispielsweise unzureichender Schutz geistigen Eigentums, Korruption oder ein hoher Verwaltungsaufwand negativ auf Unternehmensgründungen aus. 

Bundesbank sieht Reformbedarf, um Unternehmensdynamik zu stimulieren

Die Autorinnen und Autoren sehen Reformpotenzial auf europäischer, aber insbesondere nationaler Ebene. Beispielsweise könnten Politikmaßnahmen, die darauf abzielen die institutionellen und regulatorischen Rahmenbedingungen zu verbessern, helfen, die Unternehmensdynamik nachhaltig zu steigern und so auch das Produktivitätswachstum zu stärken. Zudem betonen die Fachleute der Bundesbank die Bedeutung einer dynamischen Unternehmenslandschaft für die digitale und ökologische Transformation der europäischen Wirtschaft: Um das Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen, ist es unerlässlich, jungen und innovativen Unternehmen den Zugang zu Absatzmärkten und Produktionsmitteln zu erleichtern, heißt es in der Studie. Auch der Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft verlange nach einem dynamischen Marktumfeld.