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Unsicherheit und ihre gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen

Die Zollankündigungen und Zollanhebungen der neuen US-Regierung haben handelspolitische Spannungen ausgelöst. Aktuell besteht die Sorge, dass dies die ohnehin recht schwache Konjunktur im Euroraum zusätzlich belastet. Dabei können Zölle die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur unmittelbar über eine schwächere Exportnachfrage bremsen, sondern zusätzlich über wachsende Unsicherheit, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank.Unsicherheit kann die Gesamtwirtschaft dabei über verschiedene Kanäle beeinträchtigen. Unternehmen könnten etwa bei erhöhter Unsicherheit Investitionsentscheidungen aufschieben, um sie in ruhigeren Zeiten gegebenenfalls nachzuholen. Ähnliches trifft auf den Kauf langlebiger Konsumgüter durch Haushalten zu.

Wie wird Unsicherheit gemessen? Die Wahl eines geeigneten Indikators

Analysen zu Unsicherheitseffekten werden dadurch erschwert, dass es für das vielschichtige Phänomen Unsicherheit keine eindeutige Metrik gibt. Stattdessen wird eine Reihe verschiedener Ansätze genutzt, um Unsicherheit zu erfassen. Die daraus abgeleiteten Indikatoren unterscheiden sich zum Teil erheblich, sowohl was die Berechnungsmethode als auch die dabei verwendeten Daten betrifft, schreiben die Bundesbank-Expertinnen und Experten.

Ein textbasiertes Unsicherheitsmaß stand in den letzten Monaten verstärkt im Fokus

Im Zuge der jüngsten handelspolitischen Auseinandersetzungen fand ein Indikator, der auf der Analyse von Zeitungsartikeln basiert, besondere Beachtung. Dieses Maß zählt, wie häufig in einer Reihe vorwiegend US-amerikanischer Tageszeitungen bestimmte Schlagworte im Zusammenhang mit handelspolitischer Unsicherheit auftauchen. Der Indikator schlug in den letzten Monaten außergewöhnlich stark aus. Die Bundesbankfachleute weisen in diesem Zusammenhang jedoch auf konzeptionelle Schwachpunkte textbasierter Indikatoren hin. So verwendeten Zeitungsartikel den Begriff „Unsicherheit“ nicht immer einheitlich. Manchmal werden sogar bereits eingetretene Ereignisse mit Unsicherheit in Verbindung gebracht. Auch kommt es häufig zu Begriffsvermengungen mit verwandten Konzepten wie „Risiko“ und „Überraschungen“. Zudem könne die Auswahl der Schlagwortkombinationen und der analysierten Zeitungen die Ergebnisse beeinflussen. Daher sollten Analysen und Prognosen auf Basis textbasierter Unsicherheitsmaße mit Vorsicht interpretiert werden.

Indikatoren für die Verunsicherung an den Finanzmärkten als alternative Maße

Stattdessen zogen die Bundesbankfachleute für ihre empirischen Untersuchungen als Indikator die implizite Aktienmarktvolatilität heran. In den Vereinigten Staaten reagierte sie im April teils kräftig auf die handelspolitischen Spannungen. Gleichwohl waren die Ausschläge erheblich geringer als bei den textbasierten Maßen. Auch an den Finanzmärkten im Euroraum stieg die Unsicherheit. In der Vergangenheit hatten Phasen erhöhter Aktienmarktvolatilität im Durchschnitt deutliche, negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Hieraus lassen sich auch Erwartungen für die gegenwärtige Entwicklung ableiten. Dabei spielt jedoch die Dauer der Unsicherheit eine wichtige Rolle, schreiben die Bundesbank-Expertinnen und Experten: In den letzten Wochen hatte sich die Verunsicherung an den Finanzmärkten des Euroraums wieder deutlich gelegt. Sofern sie nicht erneut erheblich ansteigt, dürften die damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Belastungen demnach begrenzt bleiben.