Geldpolitischer Handlungsrahmen
Der geldpolitische Handlungsrahmen des Eurosystems umfasst die allgemeinen Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, mittels derer die vom EZB-Rat getroffenen Entscheidungen zur Implementierung der Geldpolitik im Euroraum dezentral umgesetzt werden. Die geldpolitischen Geschäfte des Eurosystems werden in allen Mitgliedstaaten zu einheitlichen Bedingungen durchgeführt. Die Deutsche Bundesbank ist für die Durchführung der Geldpolitik des Eurosystems mit deutschen Geschäftspartnern verantwortlich.
Der geldpolitische Handlungsrahmen setzt sich aus einer Reihe von geldpolitischen Instrumenten zusammen. Das Eurosystem führt Offenmarktgeschäfte, vor allem geldpolitische Refinanzierungsgeschäfte, durch, bietet ständige Fazilitäten an und verlangt von Kreditinstituten, Mindestreserven auf Konten im Eurosystem zu halten. Der geldpolitische Handlungsrahmen des Eurosystems ist so festgelegt, dass die Teilnahme eines großen Kreises von Geschäftspartnern gewährleistet ist. Mindestreservepflichtige Kreditinstitute können die ständigen Fazilitäten des Eurosystems in Anspruch nehmen und an den Offenmarktgeschäften des Eurosystems über Standardtender teilnehmen.
Artikel 18.1 der ESZB-Satzung verlangt, dass für alle Kreditgeschäfte (d. h. liquiditätszuführende geldpolitische Geschäfte und Innertageskredite) des Eurosystems ausreichende Sicherheiten zu stellen sind. Das Eurosystem akzeptiert ein breites Spektrum von Sicherheiten für seine Operationen. Es hat ein einheitliches Verzeichnis notenbankfähiger Sicherheiten geschaffen, die für sämtliche Kreditgeschäfte des Eurosystems verwendet werden können.
Der EZB-Rat kann die Instrumente, Konditionen, Zulassungskriterien und Verfahren für die Durchführung von geldpolitischen Geschäften des Eurosystems jederzeit ändern.
Geldpolitische Sondermaßnahmen
Seit dem Ausbruch der Banken-, Finanz- und Staatsschuldenkrise im Jahr 2007 hat der EZB-Rat eine Reihe von geldpolitischen Sondermaßnahmen ergriffen und dadurch die Nutzung des geldpolitischen Handlungsrahmens zur Implementierung der Geldpolitik verändert. In diesem Rahmen werden aktuell alle regulären geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte als Mengentender mit Vollzuteilung durchgeführt. Zudem wurden die Mindestreserveanforderungen gesenkt, der Sicherheitenrahmen ausgeweitet und Fremdwährungsliquidität angeboten.
Zusätzlich hat der EZB-Rat seit 2014 beschlossen, in Ergänzung des bestehenden geldpolitischen Handlungsrahmens, temporär geldpolitische Ankaufprogramme sowie gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (Targeted longer-term refinancing operations, TLTRO) durchzuführen.
Das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) umfasst neben den Ankaufprogrammen für gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programme 3, CBPP3) und Asset-Backed Securities (Asset-Backed Securities Purchase Programme, ABSPP) seit Januar 2015 ein Programm zum Ankauf von Anleihen, die von im Euroraum ansässigen Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen begeben werden (Public Sector Purchase Programme, PSPP). Darüber hinaus wurde das APP im Juni 2016 um ein Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP) ergänzt. Die Nettoankaufvolumina wurden regelmäßig angepasst und von Januar bis Oktober 2019 temporär vollständig ausgesetzt. Seit 1. Juli 2022 finden keine Nettoankäufe im Rahmen des APP mehr statt. Am 15. Dezember 2022 beschloss der EZB-Rat das APP-Portfolio ab März 2023 in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo zu reduzieren. Details zu APP finden Sie unter dem entsprechenden Link unter „Weiterführende Informationen“.
In Folge der COVID-19 Pandemie wurden zusätzliche Maßnahmen beschlossen, um die wirtschaftlichen Folgen einzudämmen. Am 12. März 2020 kündigte der EZB-Rat, zusätzlich zu den monatlichen Ankäufen, eine zeitlich befristete, vorübergehende Ausweitung der Nettoankäufe im APP bis zum Ende des Jahres 2020 an. Ferner beschloss der EZB-Rat am 18. März 2020 ein zeitlich begrenztes Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP), das, verglichen mit den im APP geltenden Anforderungen, mehr Flexibilität bei der Umsetzung bietet. Per Ankündigung vom 10. Dezember 2020 umfasst das PEPP ein Maximalvolumen von 1.850 Mrd €. Die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP wurden Ende März 2022 eingestellt, die Wiederanlage der auslaufenden Bestände sollen bis Ende 2024 erfolgen. Nähere Einzelheiten zu PEPP finden Sie unter dem entsprechenden Link unter „Weiterführende Informationen“.
Das Eurosystem stellt dem Markt die im Rahmen bestimmter geldpolitischer Ankaufprogramme erworbenen Wertpapiere im Wege eines Wertpapierleihe-Programms (Securities Lending Programme) zur Verfügung. Dazu gehören das PSPP, das CBPP3 (beide seit April 2015), das CSPP (seit Juli 2016) und die Bestände bestimmter Anlageklassen im PEPP (seit März 2020).
Die erste Serie der TLTRO wurde vom EZB-Rat im Juni 2014 beschlossen und umfasste acht Geschäfte mit Fälligkeit im September 2018 mit dem Ziel, die Kreditvergabe an den nicht-finanziellen Sektor im Euroraum zu unterstützen. Um die Kreditvergabe weiter zu stärken, wurde im März 2016 eine zweite Serie mit insgesamt vier Geschäften und jeweils vierjähriger Laufzeit beschlossen. Am 7. März 2019 beschloss der EZB-Rat eine dritte Serie von TLTRO mit sieben Geschäften, die im Zuge der COVID-19 Ausbreitung in ihren Bedingungen angepasst und am 10. Dezember 2020 um drei weitere Geschäfte ergänzt wurden. Zudem wurden pandemiebedingt am 12. März 2020 zusätzliche längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und am 30. April 2020 sog. nicht gezielte längerfristige Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (Pandemic emergency longer-term refinancing operations, PELTRO) vom EZB-Rat angekündigt, die am 10. Dezember 2020 bis Ende 2021 verlängert und erweitert wurden. Details zu den TLTRO-Serien sowie zu zusätzlichen längerfristigen Refinanzierungsgeschäften und PELTRO sind unter den jeweiligen Links unter „Weiterführende Informationen“ zu finden.
In Reaktion auf die Folgen der COVID-19 Ausbreitung beschloss der EZB-Rat am 7. April 2020 auch eine zeitlich befristete Lockerung der Kriterien notenbankfähiger Sicherheiten, am 22. April 2020 folgte eine Bestandsschutzregelung für marktfähige Sicherheiten. Zudem wurde die Möglichkeit der Hereinnahme zusätzlich zugelassener Kreditforderungen (Additional Credit Claims; ACC), für nationale Zentralbanken erweitert und von vielen in Anspruch genommen. Die Lockerungen werden nun sukzessive bis März 2024 beendet. Auch die Deutsche Bundesbank akzeptierte von Oktober 2020 bis Juni 2022 zusätzlich zugelassene Kreditforderungen. Weitere Einzelheiten zu notenbankfähigen Sicherheiten und ACCs sind unter den jeweiligen Links unter „Weiterführende Informationen“ zu finden.
Aufgrund der bis zum 26. Juli 2022 geltenden negativen Verzinsung der Überschussliquidität der Kreditinstitute, beschloss der EZB-Rat im September 2019, zum 30. Oktober 2019 im Euroraum ein zweistufiges System für die Verzinsung von Überschussreserven einzuführen. Mit einem solchen Tiering-System nahm die Zentralbank einen bestimmten Anteil der von Kreditinstituten bei ihr gehaltenen Überschussliquidität von der negativen Verzinsung aus oder verzinste diesen Anteil etwas attraktiver. Die den Tiering-Freibetrag übersteigenden Überschussreserven sowie Gelder, die in der Einlagefazilität angelegt werden, wurden hingegen weiter regulär negativ verzinst. Im Resultat sank damit der Zinsaufwand der Kreditinstitute. Der EZB-Rat beabsichtigte mit dieser Maßnahme, die bankbasierte Transmission der Geldpolitik zu unterstützen. Zugleich wollte er sicherstellen, dass die negativen Zinssätze zum akkommodierenden geldpolitischen Kurs und damit zur nachhaltigen Annäherung an das Inflationsziel der EZB beitragen. Das Tiering-System war so ausgestaltet, dass die kurzfristigen Euro-Geldmarktzinsen nicht übermäßig beeinflusst werden sollen. Nach der Anhebung des Zinssatzes für die Einlagefazilität auf einen Wert über null ist das zweistufige System für die Verzinsung von Überschussreserven nicht mehr erforderlich. Der EZB-Rat hat daher am 8. September 2022 beschlossen, das zweistufige System auszusetzen, indem der Tiering-Freibetrag mit Wirkung zum 14. September 2022 auf null gesetzt wird. Somit werden sämtliche Überschussreserven mit 0,00 % verzinst. Details zu Überschussreserven erhalten Sie unter dem jeweiligen Link unter „Weiterführende Informationen“.
Bei seiner Sitzung am 21. Juli 2022 genehmigte der EZB-Rat die Einrichtung eines geldpolitischen Instruments zur Abs.cherung der Transmission (Transmission Protection Instrument, TPI). Das Instrument soll eine effektive Transmission des geldpolitischen Kurses sicherstellen und eine einheitliche Geldpolitik in allen Ländern des Euroraums unterstützen.
Aktuelle Pressemitteilungen der Europäischen Zentralbank in deutscher Sprache sind auf der Internetseite der Bundesbank verfügbar.