Kapitel 2 Payment Systems IT Connection
Anita winkt mich weiter, eine randvolle Tasse Kaffee in der Hand, mit einem leicht abgewaschenen Bundesbank-Logo darauf. Sie läuft beschwingt, pfeift einen Song laut vor sich her. Ah, jetzt erkenne ich’s – Money, Money, Money. Der ist von ABBA, aus den Siebzigern. Passt ja ganz gut in dieses Haus. Ich sorge mich um den Inhalt meiner eigenen Kaffeetasse, der unfreiwillig mittanzt. „Komm mit, Maxin, du kennst noch nicht alle. Wäre doch schade, irgendwas zu verpassen, oder? Die anderen haben auch was drauf. Das Team Mainframe Betrieb wartet und dann geht’s noch eben zu den Testern. Schnall dich an!”
Wir fahren weitere zwei Etagen aufwärts. Gefühlt eine halbe Runde gehen wir ums gesamte Gebäude herum, wir drehen uns zu Fuß wie in einer großen Keksrolle, vor dem Türschild 36.41 bleiben wir stehen. Anita klinkt die Tür direkt auf. Das hätte ich mich jetzt nicht getraut. „Klopf, klopf, jemand zuhause?” – Sie grinst über beide Ohren, dass sich die Brille leicht hebt. „Wer stört? Nein, quatsch! Meine liebe Anita, komm rein. Alles gut bei dir? Hier ist gerade etwas Land unter, wir verstehen da eine Idee vom Team Infrastruktur gerade nicht. Da scheint es ein kleines Problem zu geben, nichts Ernstes. Aber wir haben aktuell keine echte Lösung, wie wir da unterstützen. Fernando und ich müssen deshalb gleich in ein spontanes Meeting mit denen.”
Anita und die beiden anderen prosten sich mit ihren Bundesbank-Tassen gemächlich zu. Ich stimme ebenso ein. So viel Zeit ist jetzt trotzdem. Ah, wird direkt in meinem Kopf abgespeichert: Charlotte – für alle nur Charly – hat eindeutig die Hosen im Team Betrieb an. Zwar nicht aus Cord, dafür aus schwarzem Denim. Na egal! Charly scheint jedenfalls regelrecht immun gegen Stress. Nicht schlecht.
Charly und ich geben uns die Hand, für ein paar Sekunden verspüre ich einen festen Druck. Das heißt wohl: Auf mich ist Verlass. Sofort zeigt sie mir an ihrem Rechner, wie das Team Mainframe Betrieb arbeitet: Ich erhasche einen Blick auf das Monitoring-System Tivoli und auf Dutzende offene Programmfenster. Mir wird klar: Jup, das hier ist das Uhrwerk des Ganzen. Aber hallo! Das Rad, das alles am Laufen hält.
Wie Fernando es formuliert, während er sich mit einem Arm meldet: „Dank eingespielter Früh- und Spätschichten. Und wenn mal jemand nicht kann, dann springt immer irgendwer für dich ein! Echt immer. Excelente! Das funktioniert einfach. Genau wegen diesen tollen Menschen möchte ich nirgendwo sonst arbeiten. Da hast du einfach richtig Lust, jeden Tag herzukommen und jede noch so kleine Mission erfolgreich zu meistern.” Er klingt wirklich stolz, wie er das mit seinem spanischen Akzent sagt.
Für diese Schicht-Teams gibt es wiederum zwei Arbeitsgruppen, erfahre ich – eine in Verantwortung für die Automation der Mainframe-Abläufe, die andere zur Überwachung des gesamten Systems an sich. Wenn es sein muss, auch mal bis 1 Uhr nachts. Wie das geht? Gute Frage. Wahrscheinlich nur mit viel Konzentration und einem guten Pizza-Lieferservice, wenn die Kantine geschlossen hat – keine Ahnung! Kann’s mir nicht anders erklären.
Fernando lächelt zufrieden. Charly nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse, mit Blick Richtung Zimmertür. Dort hängt ein riesiges Foto-Poster mit einem Papagei darauf, der aus einer schwarzen Box nach oben in die Wolken fliegt. Cooles Motiv, denke ich – und hake neugierig nach: „Charly, sag mal, wie schaffst du es, in deinem Job so ruhig und gelassen zu bleiben?”
Charly fixiert mit den Augen weiter den Papagei auf dem Poster: „Jasmintee. Mein wahres Geheimnis ist: Jasmintee. Der gleicht dich aus und hält dich zugleich wach, montags um 9 Uhr genauso wie Freitag, wenn andere längst bei ihren Familien sind – und wir mal Sonderschichten schieben. Jasmintee kann’s. Und, ich sag mal so, wir sind auch nur Menschen. Pragmatismus zählt hier, und eine gewisse Offenheit, ohne geht nichts. Thinking out of the box! Kreatives Um-die-Ecke-Denken, das haben wir alle irgendwie gemeinsam. Nur so geht’s voran mit den Innovationen in diesem Laden.” Beeindruckend, denke ich und stelle mir vor: Wenn der Vogel jetzt aus dem Plakat kommen und durch den Raum fliegen könnte – er würde es mit großer Sicherheit tun.
Charly ergänzt: „In Kürze zusammengefasst, Maxin: Damit alles reibungslos läuft, müssen wir pausenlos viel mitdenken, da rattert das Hirn, bei so viel Systemkontrolle, die wir ja letztlich machen. Selten läuft hier was nach Schema F. Und genau das macht für uns als Team gerade den Reiz aus.”
Sie macht eine kurze Pause, nippt von ihrem Tee, erzählt weiter: „Als Team Betrieb ist das System Mainframe für uns wie eine Ampel, die am besten immer auf grüne Welle steht. Ja, genau so kann man sich das vorstellen. Grün heißt, das Leben ist schön: Freie Fahrt, Sonnenschein. Bei Gelb denken wir dann schon: Oh, oh, Gefahr im Verzug, da braut sich was zusammen, Vorsicht. Und bei Rot? Bei Rot heißt es: 3, 2, 1 … Tagesschau! Dicker Qualm über Sin City! Soweit lassen wir’s aber fast niemals kommen. Gute Nerven und Selbstvertrauen sind zum Glück unsere besten Begleiter. Wir selbst sind die besten Feuerlöscher – nicht wahr, Fernando?”
Charly lässt ihren Blick kurz über die Skyline schweifen, als ob sie die Fenster wie beleuchtete Pixel an den Fassaden der umliegenden Hochhäuser zusammenzählt; ja, ein bisschen so, als ob sie ganz nebenbei eine komplexe Rechenaufgabe löst – und aufrichtige Freude daran hat.
Sie grinsen sich an, wie zwei Kindsköpfe. Fernando steht von einem großen Gymnastikball auf, presst seine Faust an die Faust von Charly: „¡Viva el trabajo en equipo!” (spanisch für: „Es lebe die Teamwork!”). Da geht kein Blatt dazwischen. Starkes Duo. Aber wer weiß, ob hier wirklich alle so sind?
Wir fahren nochmal drei Etagen nach oben. Die rote Zahl 39 blinkt auf. Mit einem Doppelton treten wir aus der Schiebetür. Wenn’s so weitergeht, kommen wir bis zum Feierabend im Himmel an. 7.000 Schritte hab ich schon zusammen, sagt die Smartwatch, Gehweg durch die Frankfurter Innenstadt von heute Morgen mit eingerechnet. Und mein nächstes Ziel zu Fuß ist nicht weit …