Deutschland-Prognose der Bundesbank: Sinkende Inflation, aber noch keine Entwarnung

Die deutsche Wirtschaft erholt sich nach Einschätzung der Bundesbank in den kommenden Jahren, wenn auch verzögert. Ab Beginn des Jahres 2024 dürfte die deutsche Wirtschaft wieder auf einen Expansionspfad einschwenken und nach und nach Fahrt aufnehmen, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel anlässlich der aktuellen Deutschland-Prognose. Das kalenderbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) legt der Deutschland-Prognose zufolge im kommenden Jahr um 0,4 Prozent zu, nach einem leichten Rückgang um 0,1 Prozent in diesem Jahr.

In den Jahren 2025 und 2026 wächst die Wirtschaft um 1,2 Prozent beziehungsweise 1,3 Prozent. Im Vergleich zur Prognose vom Juni verschiebt sich die Erholung zeitlich um etwa drei Quartale nach hinten, so die Fachleute. Die Rate für das BIP-Wachstum wurde für 2024 deutlich und für 2025 leicht herabgesetzt. Dass die Erholung zunächst noch auf sich warten lässt, liegt zum einen an einer schwächer als erwarteten Auslandsnachfrage in der Industrie. Diese drückt sowohl die Produktion als auch die Exporte. Zudem zeigt sich der private Konsum zögerlich und die höheren Finanzierungskosten dämpfen die Investitionen.

Wachsende Exporte und steigende Löhne fördern Erholung

Ab Beginn des Jahres 2024 soll die Wirtschaft wieder langsam Fahrt aufnehmen. Erste Anzeichen für eine leichte Besserung geben die ifo Geschäftserwartungen, welche sich im Oktober und November etwas aufhellten. Die deutsche Wirtschaft profitiert im Projektionszeitraum vor allem von zwei Faktoren: Infolge wieder expandierender ausländischer Absatzmärkte steigen die Exporte. Und aufgrund des stabilen Arbeitsmarktes, kräftig steigender Löhne und rückläufiger Inflation geben die privaten Haushalte wieder mehr Geld für den Konsum aus. Die realen Einkommen der privaten Haushalte erhöhen sich deutlich, betonte Bundesbankpräsident Nagel. Die privaten Investitionen sinken hingegen zunächst noch und liefern erst 2026 wieder moderate Impulse. Die Fachleute rechnen damit, dass die Wirtschaft 2026 wieder etwa ihr Produktionspotenzial erreicht.  

Inflation auf dem Rückzug - aber noch keine Entwarnung 

Die Inflation in Deutschland ist auf dem Rückzug, aber für eine Entwarnung ist es noch zu früh, sagte Joachim Nagel. Die Kernrate der Inflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) erreiche erst in diesem Jahr mit 5,1 Prozent ihren Höhepunkt. Im kommenden Jahr werde sie deutlich auf 3,0 Prozent zurückgehen. Dann stellen Lieferengpässe kein so großes Problem mehr dar, und die Gewinnmargen normalisieren sich. Die geldpolitische Straffung entfaltet zunehmend ihre Wirkung, erklärte der Bundesbankpräsident.

Insgesamt gehe die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate von 8,7 Prozent im vergangenen Jahr 2022 auf 6,1 Prozent im laufenden Jahr zurück. Im kommenden Jahr wird sie sich laut Bundesbank mehr als halbieren, auf 2,7 Prozent. Gemäß der Prognose nimmt die Teuerungsrate für Energie stark ab und ist auch bei Nahrungsmitteln deutlich rückläufig. In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate aber zunächst wieder deutlich höher ausfallen als im November. Vor allem im Dezember sei mit einem erheblichen Sprung zu rechnen, da im vergangenen Jahr die staatliche Übernahme der Abschlagsrechnung für Gas und Fernwärme das Preisniveau vorübergehend gedrückt hatte. In den Jahren 2025 und 2026 geht die Inflationsrate langsam weiter zurück auf 2,5 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent. Damit bleibt sie im längerfristigen Vergleich überdurchschnittlich hoch. 

Beschäftigungsniveau bleibt weiterhin hoch

Trotz der seit über eineinhalb Jahre anhaltenden wirtschaftlichen Schwächephase blieb der Arbeitsmarkt bemerkenswert stabil. Erst im Sommer 2023 kam der zuvor deutliche Beschäftigungszuwachs zum Erliegen. In weiten Teilen der Wirtschaft herrscht laut Bundesbank weiterhin Fachkräftemangel. Im laufenden Quartal und im ersten Quartal 2024 ist angesichts der nur verzögert und langsam einsetzenden wirtschaftlichen Erholung keine Zunahme der gesamten Erwerbstätigkeit zu erwarten, so die Expertinnen und Experten. Allerdings deuteten alle Frühindikatoren darauf hin, dass das erreichte hohe Beschäftigungsniveau gehalten werden kann. Im weiteren Verlauf des Jahres 2024 belebe sich der Arbeitsmarkt laut Prognose mit der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung. Für die beiden Jahre 2025 und 2026 rechnen die Fachleute wieder mit einem deutlich stärker angespannten Arbeitsmarkt, da sich das Arbeitsangebot weiter verknappen dürfte.

Staatsfinanzen erholen sich weiter, neue finanzpolitische Ankündigungen ändern Ausblick nicht entscheidend

Die Staatsfinanzen profitieren den Bundesbank-Fachleuten zufolge davon, dass temporäre Stützungsmaßnahmen allmählich enden. Dies sei in diesem und im kommenden Jahr gewichtiger als steigende Aufwendungen etwa für Verteidigung und Renten. Daher sinke die Defizitquote im Jahr 2023 auf 2,0 Prozent und im Jahr 2024 weiter auf 1,3 Prozent. In den Folgejahren dürfte sie unverändert bleiben. Die Schuldenquote werde bis Ende 2026 auf etwas über 60 Prozent sinken. Die Prognose beruhe auf vereinfachten Annahmen zur fiskalischen Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, so die Fachleute. Die jüngsten Vereinbarungen in der Bundesregierung zu den Bundesfinanzen 2024 wurden erst nach Abschluss der Projektion getroffen. Nach einer ersten Einschätzung der Fachleute dürften sie den fiskalischen und gesamtwirtschaftlichen Ausblick allerdings nicht entscheidend ändern. Unsicherheiten für die Projektion bestünden gleichwohl hinsichtlich weiterer finanzpolitischer Beschlüsse, insbesondere für die Jahre ab 2025 und die konkrete Umsetzung der Energiewende, heißt es. Auch darüber hinaus bestünden Risiken für die Prognose, insbesondere aufgrund geopolitischer Konflikte.