Joachim Nagel ©Gaby Gerster

Nagel: „Wir brauchen eine gemeinsame, starke Antwort für den Wirtschaftsstandort Deutschland“

In einem Interview mit der FUNKE Mediengruppe betont Bundesbankpräsident Joachim Nagel, dass er sich eine moderate Reform der Schuldenbremse vorstellen könne. Wir könnten uns in bestimmten Phasen auch etwas höhere Defizite leisten, ohne die Stabilität zu gefährden, sagt er. Dies sei gegeben, wenn die staatliche Schuldenquote unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liege. Laut Bundesbankpräsident könnten die zusätzlichen Spielräume dann für Zukunftsinvestitionen genutzt werden. 

Menschen und Unternehmen benötigten mehr Klarheit darüber, wie die Energiewende und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigt werden. Wichtig sei, das Wachstumschancengesetz tatsächlich umzusetzen. Beim Abbau von Bürokratie und Beschleunigen von Verfahren sieht der Bundesbankpräsident weiteres Potenzial, um Unternehmen zu entlasten. Wir brauchen eine gemeinsame, starke Antwort für den Wirtschaftsstandort. Nur so kommt Deutschland weg von den hinteren Plätzen bei den Wachstumsraten, so der Bundesbankpräsident im Interview.

Zu den Ursachen für das stagnierende Wirtschaftswachstum in Deutschland zählt laut Nagel auch die besondere Situation: Die Konjunktur habe unter den wirtschaftlichen Folgen des Angriffskrieges gegen die Ukraine gelitten, vor allem durch die hohen Energiepreise. Aktuell spiele auch die schwache Auslandsnachfrage eine große Rolle. Im Interview betont er, dass dem ein starker deutscher Arbeitsmarkt mit hoher Beschäftigung gegenüberstehe. Wir sollten die Lage nicht schlechter reden, als sie in Wirklichkeit ist, betont Nagel. Wir sind nicht der kranke Mann Europas.

Sorgen bereite ihm der Fachkräftemangel. Wir haben einen Mangel an Arbeitskräften, und der wird sich demografisch verschärfen, sagt Nagel. Wenn wir länger leben, sollte auch das Rentenalter nach einem festen Schlüssel steigen. Damit ließe sich der Fachkräftemangel lindern und das langfristige Wachstum stützen.

Inflation geht weiter zurück 

Positiv blickt der Bundesbankpräsident auf die Preisentwicklung hierzulande und im Euroraum: Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verschlechtern, wird die Inflationsrate in Deutschland in diesem Jahr weiter zurückgehen. Er erwarte, dass die Inflation im Jahresdurchschnitt um die zweieinhalb Prozent liegen werde. Im Euroraum werde die Zielrate von zwei Prozent 2025 erreicht. 

Während die Energiepreise gesunken seien und die Lebensmittelpreise weniger stark stiegen, gebe es im Dienstleistungssektor noch kräftige Preissteigerungen, so der Bundesbankpräsident. 

Im Hinblick auf die Leitzinsen sagt Nagel, dass der EZB-Rat sich erst dann für eine Senkung entscheiden werde, wenn er sich sicher genug sei, dass die Inflation tatsächlich weiter zügig sinkt. 

„Der digitale Euro wird ein Erfolg“

Im Interview spricht Nagel auch über das Zukunftsprojekt digitaler Euro. Der digitale Euro wird ein Erfolg, ist er sich sicher. Der digitale Euro bringe alle nötigen Voraussetzungen, damit Nutzerinnen und Nutzer schnell und bequem per App aber auch offline damit bezahlen könnten. Verglichen mit den bisher gängigen elektronischen Alternativen sollen Transaktionen mit dem digitalen Euro für den Handel auch kostengünstiger werden. 

Die Privatsphäre des Einzelnen erhalte beim Bezahlen mit dem neuen Zahlungsmittel den höchstmöglichen Schutz. Wegen des digitalen Euro muss niemand den gläsernen Kunden fürchten, versichert Nagel. Er erwarte, dass die digitale Währung in den nächsten vier bis fünf Jahren verfügbar sein werde. Aber auch wenn die elektronischen Zahlungsmöglichkeiten weiter zunehmen, werden die Verbraucherinnen und Verbraucher auch künftig bar zahlen können. Bargeld wird nicht verschwinden, sagt Nagel.