"Grundlegender Baustein für die Kapitalmarktunion" Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung

Mit dem gestrigen Start von TARGET2-Securities (T2S) ist die Vision einer zentralen Drehscheibe für die Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld in Europa rund sieben Jahre nach dem offiziellen Start der Arbeiten zur Realität geworden. Das Eurosystem stellt mit diesem einheitlichen Wertpapierabwicklungsservice nicht nur eine bedeutende Marktinfrastruktur für ganz Europa bereit, die wesentlich zur weiteren Finanzmarktintegration beiträgt, sondern legt auch einen grundlegenden Baustein für die künftige europäische Kapitalmarktunion.

Bei T2S handelt es sich um eine vom Eurosystem betriebene, technische Plattform, welche die Belieferung von Wertpapiergeschäften und deren geldliche Verrechnung vereint. Das bedeutet, dass die Abwicklung sowohl inländischer als auch grenzüberschreitender Trans-aktionen über ein einheitliches System in sicherem Zentralbankgeld erfolgt, was die Abwicklungsrisiken minimiert und somit entscheidend zu Effizienz und Stabilität der europäischen Finanzmärkte beitragen wird. Dies ist für uns als Notenbank unter Finanzstabilitätsgesichtspunkten von entscheidender Bedeutung.

Die Nutzung von T2S bringt für die Marktteilnehmer weit mehr als niedrigere Abwicklungsgebühren im grenzüberschreitenden Bereich. An erster Stelle stehen die Möglichkeiten zur Optimierung des Liquiditäts- und Sicherheitenmanagements. Banken werden durch die Integration der Geld- und Wertpapierkonten in T2S ihre Wertpapierbestände stärker bündeln und gleichzeitig auch die zur Abwicklung benötigte Liquidität auf einem einzigen Geldkonto bei der Zentralbank poolen können. Heute noch erforderliche Liquiditäts- und Sicherheitenpuffer für die Abwicklung in verschiedenen nationalen Märkten sind mit T2S überflüssig. Damit führt T2S zu deutlichen Ersparnissen an Zentralbankliquidität und Sicherheiten, die gerade im Zuge der Finanzkrise erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Zudem reduzieren Nettingeffekte über alle T2S-Märkte sowie das breite Angebot der Selbstbesicherung von Wertpapiergeschäften den Liquiditäts- und Sicherheitenbedarf weiter. Bisherige Zeitverzögerungen infolge unterschiedlicher zeitlicher Abfolgen in den Abwicklungsprozessen der einzelnen Zentralverwahrer entfallen ebenfalls, was die grenzüberschreitende Mobilisierung von Sicherheiten zusätzlich erheblich erleichtert. Frei werdende Sicherheiten stehen unter anderem zur Abdeckung bislang unbesicherter Risiken im Bankgeschäft zur Verfügung. Veröffentlichte Studien zeigen genau diese Vorteile von T2S auf und stellen den Banken sowohl Liquiditäts- als auch Eigenkapitalersparnisse in erheblicher Höhe in Aussicht.

Signifikante Einsparungen und Kostensenkungen ergeben sich auch in den operativen Bereichen der Banken durch einheitliche Schnittstellen, Nachrichtenformate und einen einheitlichen Abwicklungsprozess. Seit mehr als zehn Jahren gibt es Bestrebungen, die seinerzeit von der sogenannten Giovannini-Gruppe identifizierten Hemmnisse im Nachhandelsbereich abzubauen. Dies war jedoch in der Vergangenheit ein ausgesprochen zäher und langwieriger Prozess. Mit T2S sind nun auf einen Schlag sechs der insgesamt 15 Giovannini Barrieren beseitigt worden. Darüber hinaus wirkt T2S als Katalysator für weitergehende Harmonisierungen von Marktstandards und -usancen im Nachhandelsbereich. Der vor zwei Monaten vorgelegte fünfte T2S-Harmonisierungs-Fortschrittsbericht des Eurosystems zeigt erfreuliche Ergebnisse auf breiter Front und es ist zu erwarten, dass T2S als Katalysator die Harmonisierung im Nachhandelsbereich weiter vorantreiben wird.

Insgesamt bedeutet T2S für Banken also weit mehr als eine effiziente Wertpapierabwicklung und geringere Abwicklungsgebühren, sondern eröffnet enorme Ersparnispotenziale; T2S setzt neue Maßstäbe für den gesamten Nachhandelsbereich. Allerdings können die Marktteilnehmer noch nicht sofort nach Betriebsaufnahme vollumfänglich von den vorgenannten Vorteilen profitieren. Die Vorteile stellen sich entsprechend der Migrationswellen bis 2017 schrittweise ein.

Zu Beginn sind im Zuge der ersten Migrationswelle am vergangenen Wochenende die vier Zentralverwahrer aus Griechenland, Malta, Rumänien und der Schweiz auf die T2S-Plattform gewechselt. Der italienische Zentralverwahrer wird am 31. August 2015 folgen. Die anderen europäischen Zentralverwahrer werden in drei weiteren Wellen bis Februar 2017 migrieren. Dem deutschen Markt bleibt noch ein wenig Zeit für die Vorbereitung, bis im September 2016 Clearstream Banking auf T2S migriert.

Sofern nicht bereits geschehen, sollten sich die deutschen Banken in dieser Zeit intensiv mit T2S auseinandersetzen. Nicht nur, um sich technisch entsprechend zu rüsten, sondern auch um die Chancen optimal für sich zu nutzen. Nur so werden sie künftig im scharfen europäischen Wettbewerb erfolgreich bestehen können.