Zahlungsverkehr in Europa: Der Wind wird rauer Gastbeitrag in „Profil – Das bayrische Genossenschaftsblatt“

Wie können sich Deutschland und Europa im Zahlungsverkehr gegen internationale Konkurrenz behaupten? Und welche Rolle spielen dabei die Genossenschaftsbanken? Einschätzungen von Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank.

Ein effizienter, sicherer und inklusiver Zahlungsverkehr ist das Rückgrat unseres Wirtschaftslebens. Zum Zahlungsverkehr gehören Bargeld genauso wie bargeldlose Zahlungsverfahren und ihre Infrastrukturen. Doch der Blick auf die geopolitische Lage zeigt: Der Wind wird rauer. Angesichts globaler Herausforderungen müssen wir den Zahlungsverkehr zukunftsfest aufstellen. Das schaffen wir nur gemeinsam in Europa.

Im bargeldlosen Zahlungsverkehr in Europa spielen derzeit außereuropäische Anbieter eine große Rolle. Rund 60 Prozent aller Kartenzahlungen im Euroraum werden durch nicht-europäische Kartensysteme abgewickelt. Während sich 13 Länder des Euroraums ausschließlich auf nicht-europäische Kartensysteme verlassen, haben sieben Länder jeweils eigene nationale Kartensysteme. Die beliebte girocard in Deutschland ist ein gutes Beispiel. Aber es gibt keine europäischen Bezahlverfahren, mit denen die Menschen im gesamten Euroraum vor Ort und im Internet zahlen können – mit einheitlicher Nutzererfahrung, europäischer Infrastruktur und europäischer Governance.

Bei mobilen Zahlungen und im E-Commerce haben große außereuropäische Anbieter wie Apple Pay und PayPal ebenfalls starke Marktpositionen erreicht, wie die Studienreihe „Zahlungsverhalten in Deutschland“ der Deutschen Bundesbank zeigt. Und auch bei bargeldlosen Zahlungen unter Privatpersonen, also wenn es darum geht, Geld an Freunde und Verwandte zu schicken, wird laut der Studie mit PayPal oft ein außereuropäischer Anbieter gewählt.

Innovationstreiber Instant Payments

Die Notenbanken im Eurosystem setzen sich daher für gesamteuropäische Lösungen im Zahlungsverkehr ein. Ein wesentliches Ziel der gemeinsamen Strategie des Eurosystems für den Zahlungsverkehr (Eurosystem Retail Payments Strategy) ist es, Instant Payments stärker zu verbreiten. Instant Payments sind Überweisungen, die in Echtzeit ausgeführt werden. Sie können dazu beitragen, dass innovative Angebote entwickelt werden. Hierzu zählen zum Beispiel Angebote für Zahlungen von Person zu Person. Außerdem könnten sie die strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschafts- und Finanzsektors stärken.

Instant Payments haben viele Vorteile für Nutzerinnen und Nutzer: Innerhalb von Sekunden ist das Geld auf dem Konto des Empfängers, und zwar im gesamten Euroraum. Die Instant Payments Regulierung hilft dabei, dass Überweisungen in Echtzeit häufiger genutzt werden: Seit dem 9. Januar 2025 müssen Zahlungsdienstleister den Empfang von Echtzeitzahlungen ermöglichen. Diese Zahlungen dürfen nicht mehr kosten als reguläre Überweisungen im einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum SEPA. Allerdings ist die Regulierung mit erheblichem Umsetzungsaufwand verbunden. So müssen Zahlungsdienstleister ab dem 9. Oktober 2025 jeweils vor der Autorisierung einer Überweisung in Euro abgleichen, ob Empfängername und IBAN mit den bei der Empfängerbank registrierten Angaben übereinstimmen. Ein anspruchsvoller, aber wichtiger Meilenstein für alle Beteiligten.

Digitaler Euro als Bezahllösung für den Alltag

Ein weiteres Ziel der Strategie des Eurosystems für den Zahlungsverkehr ist es, eine europäische Zahlungslösung zu fördern. Ein zentraler Baustein hierbei ist der digitale Euro, an dessen Umsetzung das Eurosystem gerade arbeitet. Für die rund 340 Millionen Menschen im Euroraum soll der digitale Euro das Leben einfacher machen – als digitale Bezahllösung für alle Alltagssituationen. Ob an der Ladenkasse, im Restaurant, für Zahlungen an Freunde und Verwandte oder im Onlinehandel: Für all diese Zwecke wäre der digitale Euro einsetzbar. Wir sprechen gerne vom „digitalen Zwilling des Bargelds“, denn der digitale Euro hätte viele ähnliche Eigenschaften wie Bargeld. Wie Bargeld würde der digitale Euro von der Zentralbank ausgegeben werden. Er wäre ausfallsicher, für den Endnutzer kostenlos und würde ein höheres Maß an Privatsphäre bieten als andere digitale Bezahlverfahren. Außerdem ist die Nutzung ohne Internetverbindung (Offline-Variante) geplant.

Der digitale Euro soll auf europäischen Infrastrukturen laufen und so die Souveränität Europas im Zahlungsverkehr stärken. Europäische Standards würden eine resiliente und zukunftssichere Zahlungsinfrastruktur gewährleisten. Er könnte in private Bezahllösungen wie zum Beispiel Wero integriert werden. Damit könnte wero im ganzen Euroraum eingesetzt werden. Die Bundesbank begrüßt die Fortschritte der European Payments Initiative EPI rund um die Wero-Wallet. Besonders erfreulich ist, dass die Genossenschaftsbanken ganz vorne mit dabei sind. Für digitale Zahlungen von Person zu Person ist Wero seit bald einem Jahr am Markt. Entscheidend ist nun, Wero für Zahlungen im Onlinehandel und an der Ladenkasse weiterzuentwickeln. Zusätzliche Funktionen und eine Ausweitung auf mehr Länder könnten Wero noch erfolgreicher machen. Bisher ist Wero in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg verfügbar.

Bargeld bleibt ein Kernprodukt der Bundesbank

Der digitale Euro soll andere Bezahlverfahren, vor allem Bargeld, nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen. Bargeld ist und bleibt ein physisches Kernprodukt der Bundesbank und des Eurosystems. Es ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Zahlungsverkehrs. In Zeiten geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten wird Bargeld noch wichtiger. Es funktioniert bis zu einem gewissen Grad unabhängig von technischer und digitaler Infrastruktur. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die Blackouts im spanischen und portugiesischen Stromnetz Ende April dieses Jahres, bei denen digitale Zahlungssysteme ausfielen.

Bargeld ist für alle Menschen zugänglich, unabhängig davon, ob sie digitale Technologien nutzen können. Es hilft Kindern und Jugendlichen, den Umgang mit Geld zu erlernen und finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Viele Menschen nutzen Bargeld, um die eigenen Ausgaben besser zu kontrollieren. Deshalb genießt das Bargeld weiterhin einen hohen Rückhalt in der deutschen Gesellschaft.

Jeder Mensch soll bezahlen können, wie er es möchte

Wichtig ist, dass jeder Mensch bezahlen kann, wie er es möchte. In vielen Situationen sind digitale Zahlungssysteme unverzichtbar. In anderen Situationen nutzen Menschen jedoch oft und gerne Bargeld. Die Bundesbank wird daher auch in Zukunft dafür sorgen, dass Bargeld in hoher Qualität zur Verfügung steht. Entscheidend ist dabei der Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld. Hier sehen wir in der Bundesbank Handlungsbedarf. So zeigen unsere Studien, dass der Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld als zunehmend schwieriger eingeschätzt wird. Deshalb haben wir das Nationale Bargeldforum gegründet. Gemeinsam mit anderen Bargeldakteuren wollen wir Initiativen vorbereiten, um den Bargeldkreislauf zu stärken.

Neue Technologien können unsere Finanzsysteme effizienter machen

Doch um den digitalen Zahlungsverkehr zukunftsfähig zu machen, brauchen wir mehr. Wir müssen digitale Finanzmarkttransaktionen von professionellen Marktteilnehmern, vor allem Banken, mit innovativen Technologien wie der Blockchain in Zentralbankgeld abwickeln können. Hierfür brauchen wir eine Wholesale-Variante von digitalem Zentralbankgeld. Der Euroraum hat die Chance, bei dieser Entwicklung eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Die Wholesale-Version von digitalem Zentralbankgeld und die Distributed Ledger Technology (DLT) bieten enormes Potenzial. Die neuen Technologien können unsere Finanzsysteme effizienter und sicherer machen. Gleichzeitig geben sie Raum für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen. Außerdem könnten sie zu einem wichtigen Baustein auf dem Weg hin zu einer digitalen Kapitalmarktunion werden. Daher verstärken wir im Eurosystem und als Bundesbank unsere Anstrengungen, gemeinsam mit europäischen Marktteilnehmern innovative Infrastrukturen zu fördern. Wir werden kurzfristig eine erste Lösung anbieten, die auf der DLT basierende Transaktionen in Zentralbankgeld abwickelt. Langfristig werden wir gemeinsam mit dem Finanzsektor an einer neuen innovativen und europäisch integrierten Finanzmarktinfrastruktur arbeiten.

Die Genossenschaftsbanken spielen bei der Gestaltung des Zahlungsverkehrs der Zukunft eine wichtige Rolle. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben eine lange Tradition. Sie haben sich stetig weiterentwickelt und Innovation gelebt – getreu ihrem Motto: Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei. Der gemeinsame Kraftakt zur Markteinführung von Wero unterstreicht dies nachdrücklich.

Angesichts der hohen Dynamik im internationalen Zahlungsverkehr, vor allem auch in Asien, muss die deutsche und europäische Bankenwirtschaft schnell und mutig voranschreiten. Entscheidend wird sein, Verbraucher- und Händlerseite auf dem Weg mitzunehmen. Gelingt dies, könnten wir in Zukunft neben dem Euro-Bargeld auch digitale und echt europäische Bezahlverfahren im gesamten Euroraum nutzen. Das würde die Digitalisierung weiter fördern und ein zukunftssicheres und resilientes Zahlungssystem garantieren.