Geldvermögensbildung und Außenfinanzierung in Deutschland im zweiten Quartal 2014 nach der jüngsten Revision der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung

Revision der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung

Mit dieser Pressenotiz werden erstmals Angaben zur gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung für Deutschland gemäß den Vorgaben des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010) veröffentlicht. Dieses methodische Rahmenwerk hat zum 1. September 2014 das bisher gültige ESVG 1995 abgelöst und ist seitdem die verbindliche Grundlage für alle einschlägigen Statistiken in der Europäischen Union.

Nach den neuen Vorgaben werden die bisherigen Angaben der Finanzierungsrechnung unter anderem um Informationen über die Forderungen und Verbindlichkeiten eines Sektors gegenüber einem anderen Sektor (sog. Schuldner-Gläubiger-Beziehungen) ergänzt. Zudem werden bisher nur gemeinsam gezeigte Sektoren und Instrumente getrennt ausgewiesen. Das ESVG 2010 führt aber auch zu Veränderungen in der Definition von Sektoren und Instrumenten. Infolgedessen sind die nunmehr veröffentlichten Angaben mit den Daten gemäß ESVG 1995 nicht direkt vergleichbar. Um Einschränkungen bei der Nutzung der Daten zu vermeiden und die Konsistenz zu den übrigen Zahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu wahren, wurden die neuen Vorgaben rückwirkend bis 1999 umgesetzt. 

Private Haushalte setzen auf liquide und risikoarme Anlageformen: Bankeinlagen und Ansprüche gegenüber Versicherungen wachsen

Infolge der Umstellung auf das ESVG 2010 werden die privaten Haushalte, die bisher stets gemeinsam mit den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (Gewerkschaften, Kirchen etc.) erhoben wurden, erstmals getrennt ausgewiesen. Bei den nachfolgenden Ergebnissen handelt es sich um Angaben für die privaten Haushalte ohne die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.

Die transaktionsbedingte Geldvermögensbildung der privaten Haushalte belief sich im zweiten Quartal 2014 auf rund 36 Mrd € und fiel damit ähnlich aus wie im Vorjahresquartal. Mit gut 19 Mrd € entfiel ein Großteil der Zuflüsse erneut auf Bankeinlagen, darunter vor allem Sichteinlagen (einschl. Bargeld), die mit gut 23 Mrd € bedient wurden. Termin- und Spareinlagen (einschl. Sparbriefe) wurden hingegen per saldo um 4 Mrd € abgebaut. Damit setzte sich die im Umfeld niedriger Zinsen bereits seit Längerem zu beobachtende Präferenz der privaten Haushalte für liquide Anlageformen fort. Von Bedeutung für die Geldvermögensbildung waren ferner die Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen, die um gut 18 Mrd € aufgestockt wurden. Die fortgesetzte Präferenz für diese Anlageform, die typischerweise als risikoarm gilt, deutet zusammen mit der Bedeutung der Bankeinlagen in der Geldvermögensbildung auf eine weiterhin hohe Risikoaversion der privaten Haushalte hin.

Dafür spricht auch das weiterhin zurückhaltende Engagement der privaten Haushalte auf den Kapitalmärkten, das nur leicht stärker ausfiel als zuvor. Gekauft wurden insbesondere Anteile an Investmentfonds im Umfang von knapp 7 Mrd € (+ 5 Mrd € im ersten Quartal 2014), wobei Mischfonds und offene Immobilienfonds relativ stark bedient wurden. Der direkte Aktienerwerb lag mit knapp 4 Mrd € auf dem Niveau des Vorquartals, wobei vor allem Aktien inländischer Unternehmen gekauft wurden; im Vorquartal hatten private Haushalte noch primär ausländische Titel erworben. Schuldverschreibungen wurden per saldo im Umfang von 2,5 Mrd € und damit in leicht höherem Ausmaß als zuvor (- 2 Mrd €) verkauft. Private Haushalte trennten sich vor allem von Schuldverschreibungen inländischer Kapitalgesellschaften; deutsche Staatsanleihen wurden zwar auch verkauft, jedoch in spürbar geringerem Umfang.

Der transaktionsbasierte Anstieg des Geldvermögens von rund 36 Mrd € wurde von Bewertungsgewinnen begleitet, die mit 21 Mrd € höher ausfielen als im sehr schwachen Vorquartal (+ 7 Mrd €). Sie entstanden vor allem bei den Aktien und Investmentfondsanteilen. In der Summe wuchs das Geldvermögen der privaten Haushalte somit um 57 Mrd € auf 4 976 Mrd € zum Ende des zweiten Quartals 2014.

Die Außenfinanzierung der privaten Haushalte fiel im Berichtszeitraum stärker aus als im ersten Quartal, in dem sich private Haushalte bei der Kreditaufnahme typischerweise zurückhalten. Insgesamt wurden Kredite (einschl. sonstiger Verbindlichkeiten) per saldo im Umfang von knapp 6 Mrd € aufgenommen. Im Umfeld eines weiterhin dynamischen Immobilienmarkts handelte es sich dabei vor allem um Wohnungsbaukredite. Kreditgeber waren ausschließlich inländische Banken, während Kredite von Versicherungen und anderen Finanzintermediären geringfügig zurückgeführt wurden. Die gesamten Verbindlichkeiten der privaten Haushalte stiegen damit insgesamt auf 1 571 Mrd €. Zusammen mit dem Anstieg des Geldvermögens im Berichtszeitraum führte dies zu einer Erhöhung des Netto-Geldvermögens um 51 Mrd € auf 3 405 Mrd €. Die Verschuldungsquote, definiert als Anteil der gesamten Verbindlichkeiten am annualisierten Bruttoinlandsprodukt, fiel um 0,1 Prozentpunkte und betrug am Quartalsende 55,0 %.

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften: Spürbarer Rückgang des Geldvermögens bei moderatem Anstieg der Verbindlichkeiten

Mit der Umstellung auf das ESVG 2010 wurde die Definition des Sektors der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften geändert. So werden unter anderem Unternehmen, deren Aufgabe lediglich in der Kontrolle der Vermögenswerte ihrer Töchter besteht (sog. firmeneigene Finanzierungsgesellschaften und Kapitalgeber), nun im finanziellen Sektor erfasst.

Die Geldvermögensbildung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften lag im zweiten Quartal 2014 mit Abflüssen von rund 15 Mrd € auf dem Niveau des Vorquartals. Dabei wurden einerseits Bankeinlagen (einschl. Bargeld) im Umfang von 3 Mrd € abgebaut und Kredite (darunter auch Kredite im Konzernverbund und an firmeneigene Finanzierungseinrichtungen) um 2 Mrd € zurückgeführt. Andererseits verzeichneten insbesondere Anteilsrechte (ohne Anteile an Investmentfonds) Zuflüsse von rund 5 Mrd €, die nicht zuletzt auf das starke Engagement der Unternehmen im Ausland zurückzuführen waren, und die Bestände an Schuldverschreibungen wurden um knapp 0,5 Mrd € aufgestockt.  

Die Außenfinanzierung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften fiel im Berichtsquartal mit 25 Mrd € ähnlich stark aus wie im Vorquartal. Dahinter stand neben Krediten vom Staat und dem Ausland (16 Mrd €) auch die Kreditaufnahme der Unternehmen bei inländischen Banken, die mit 8 Mrd € ähnlich hoch war wie zuvor. Bei inländischen Nichtbanken (ohne den Staat) war sie hingegen mit - 1 Mrd € negativ. Des Weiteren trug die Beteiligungsfinanzierung mit knapp 3 Mrd € erneut positiv zur Außenfinanzierung bei. Schuldverschreibungen wurden dagegen im Umfang von rund 6 Mrd € und damit vergleichsweise stark zurückgeführt, was den in den vorherigen Quartalen zu beobachtenden Trend hin zu einer stärkeren Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt unterbrach. Sonstige Verbindlichkeiten, darunter primär Handelskredite und Anzahlungen, wurden per saldo in Höhe von gut 1 Mrd € erneut zurückgeführt.

Zusammen genommen sank das Netto-Geldvermögen der nichtfinanziellen Unternehmen somit um insgesamt 59 Mrd € und erreichte im zweiten Quartal 2014 einen Wert von - 1 763 Mrd €. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Verschuldung stieg die Verschuldungsquote, definiert als Anteil der Summe von Schuldverschreibungen, Krediten und Pensionsrückstellungen am annualisierten Bruttoinlandsprodukt, auf 61,8 % (im zweiten Quartal 2014: 61,5 %).

Weitergehende Informationen zur Revision der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung können dem Monatsbericht Oktober 2014 der Deutschen Bundesbank entnommen werden.