Schwerpunkte des Monatsberichts Januar 2015

Zur Rolle des Warenhandels in der Entwicklung der globalen Ungleichgewichte

Leistungsbilanzsalden als Ausdruck globaler Ungleichgewichte sind nach wie vor ein wichtiges Thema in den Analysen internationaler Organisationen. Im Fokus stehen dabei oft die Bestimmungsgründe gesamtwirtschaftlicher Spar- und Investitionsentscheidungen, deren Spiegelbild die Leistungsbilanzsalden darstellen. Zuletzt rückten länderspezifische Entwicklungen der In- und Auslandsnachfrage stärker in den Mittelpunkt. Bislang wurde dabei jedoch die Rolle der Außenhandelsstruktur nur unzureichend berücksichtigt, obwohl der internationale Warenhandel für die Entwicklung und den Umfang von Leistungsbilanzsalden maßgeblich ist.

Eine nähere Untersuchung des Handels in einzelnen Warengruppen zeigt zunächst relativ stabile Überschüsse und Defizite in Relation zum jeweiligen Handelswert. Gleichwohl hat das Niveau der Handelsungleichgewichte in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Globalisierung zugenommen. Im Handel mit Energieträgern spielten zudem Preisschwankungen eine wesentliche Rolle. Der Rückgang der Leistungsbilanzsalden in den letzten Jahren erklärt sich aber weniger durch spezifische Entwicklungen in einzelnen Warenkategorien, obwohl sich zuletzt ein relativ hoher Stellenwert des Handels mit Investitionsgütern abgezeichnet hat. Vielmehr waren Verschiebungen zwischen den Gruppen der Defizit- und Überschussländer der treibende Faktor.

Zerlegt man den Warenhandel in Aus- und Einfuhren, so wird deutlich, dass Leistungsbilanzdefizite in erster Linie mit einer relativen Exportschwäche einhergehen. Letztere könnte im Kreis der fortgeschrittenen Volkswirtschaften auch eine Reaktion auf den Bedeutungszuwachs der Schwellenländer gewesen sein. Deren zunehmende Integration in den globalen Handel dürfte für manche Industrieländer einen steigenden Wettbewerbsdruck zur Folge gehabt haben. Andere könnten dagegen per saldo von der anziehenden und sich in ihrer Zusammensetzung verschiebenden globalen Nachfrage profitiert haben. Welcher der beiden gegenläufigen Effekte dominierte, dürfte durch die Exportstruktur der einzelnen Länder determiniert worden sein. Der empirische Befund legt nahe, dass solche Sortimentseffekte auch für die Entwicklung nationaler Leistungsbilanzen eine Rolle gespielt haben, jedoch nicht in dem Maße wie andere Faktoren. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass relevante Charakteristika der nationalen Wirtschaftsstrukturen, wie beispielsweise die Qualität der ausgeführten Produkte, schwer messbar sind.

Trotz der Persistenz der Leistungsbilanzsalden, die auch auf eine sich nur langsam verändernde Exportstruktur zurückzuführen sein dürfte, verdeutlichen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass nationale Positionen über einen längeren Zeitraum durchaus wechseln können. Dies zeigen beispielsweise die jüngsten Entwicklungen in einigen Ländern des Euro-Raums, die im Zuge tief greifender Anpassungsprozesse nicht nur eine übermäßige inländische Absorption abgebaut haben, sondern auch Verbesserungen der preislichen und nicht preislichen Wettbewerbsfähigkeit erzielen konnten.

Das Common Credit Assessment System zur Prüfung der Notenbankfähigkeit von Wirtschaftsunternehmen

Im Rahmen der dezentralen Durchführung der Geldpolitik des Eurosystems gewähren die nationalen Zentralbanken gebietsansässigen Kreditinstituten liquiditätszuführende Refinanzierungs- und Innertageskredite. Alle Kreditgeschäfte des Eurosystems sind mit ausreichenden notenbankfähigen Sicherheiten zu unterlegen. Um das Eurosystem gegen finanzielle Risiken abzusichern, müssen diese Sicherheiten hohe Bonitätsanforderungen erfüllen. Zu den für die Refinanzierung zugelassenen Sicherheiten gehören neben Wertpapieren auch Kreditforderungen gegenüber nichtfinanziellen Unternehmen. Dieser breite Sicherheitenrahmen fördert die Gleichbehandlung der Geschäftspartner im gesamten Euro-Währungsgebiet.

Um zu ermitteln, ob Kreditforderungen die erforderliche hohe Bonität aufweisen, stützt sich das Euro-system unter anderem auf die internen Bonitätsanalyseverfahren der nationalen Zentralbanken. Auch die Bundesbank führt eine Bonitätsanalyse zur Bewertung des Kreditausfallrisikos von Wirtschaftsunternehmen durch und erweitert sowie vereinfacht dadurch die Nutzungsmöglichkeiten von Wirtschaftskrediten für die Besicherung geldpolitischer Operationen. Insbesondere kleinen und mittleren Instituten ohne zugelassenes internes Ratingverfahren wird dadurch der Zugang zum Notenbankkredit erleichtert. Sie können Kreditforderungen an kleine und mittlere Unternehmen auch dann als Sicherheiten einreichen, wenn die betroffenen Unternehmen über kein externes Rating verfügen.

Mit der Nutzung von Kreditforderungen als Sicherheiten knüpfte die Bundesbank zu Beginn der Europäischen Währungsunion (EWU) an die langjährige Tradition des Rediskontgeschäfts an. Mit Einführung eines "einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses" für die Besicherung geldpolitischer Operationen wurden die Wirtschaftskredite ab dem Jahr 2007 im gesamten Euro-Währungsgebiet als Sicherheiten zugelassen. Während der Finanzkrise stieg der Refinanzierungsbedarf der Banken, und ihr Interesse an der Beleihung von Kreditforderungen nahm zu. Um die Bonität auch kleiner und mittlerer Unter-nehmen beurteilen zu können, haben die nationalen Zentralbanken des Eurosystems zum Teil neue interne Bonitätsanalyseverfahren aufgebaut.

Die Bundesbank hat ihr Bonitätsanalyseverfahren grundlegend erneuert und die modellgestützte Ratingfunktionalität auf das Common Credit Assessment System (CoCAS) übertragen, das die Oesterreichische Nationalbank und die Bundesbank gemeinsam entwickelt haben. CoCAS kann auch von anderen nationalen Zentralbanken des Eurosystems für ihr jeweiliges Bonitätsanalyseverfahren genutzt werden und bildet damit die Grundlage für eine Harmonisierung im Eurosystem. Außerdem hat die Bundesbank auch die zugrunde liegenden mathematischen Modelle modernisiert. Während zu Beginn der EWU lediglich zwischen notenbankfähigen und nicht notenbankfähigen Kreditforderungen unterschieden wurde, wird mittlerweile eine mehrstufige Bonitätsskala genutzt, deren Granularität mit der der Ratingagenturen vergleichbar ist.