Studie zur deutschen Zentralbankgeschichte 1924 bis 1970 vorgestellt Ergebnisse des Forschungsprojekts „Von der Reichsbank zur Bundesbank“ veröffentlicht

Die Deutsche Bundesbank hat eine umfangreiche Studie zur deutschen Zentralbankgeschichte in den Jahren von 1924 bis 1970 entgegengenommen. Im Jahr 2017 hatte die Bundesbank die beiden renommierten Historiker Magnus Brechtken und Albrecht Ritschl beauftragt, die Geschichte der Reichsbank als Zentralbank während der NS-Zeit zu erforschen. In dem großangelegten Forschungsprojekt „Von der Reichsbank zur Bundesbank“ untersuchte ein wissenschaftliches Team zudem das personelle Fortwirken nach den Gründungen der Zentralbanken Bank deutscher Länder und Deutsche Bundesbank in der Nachkriegszeit.

Die Bundesbank hat selbst eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte gesucht, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel bei der Vorstellung der Studie durch die beiden Geschichtsprofessoren. Bislang fehlte aber ein umfassendes Bild der deutschen Zentralbankpolitik – vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, erläuterte Nagel. Dieses Bild gebe es nun.

Die vorgelegten Ergebnisse zeigen, dass die Reichsbank zum Funktionieren des NS-Systems von 1933 bis 1945 bedeutend beitrug. Sie unterstützte die Finanzierung der Kriegsrüstung, die finanzielle Ausbeutung der von Deutschland besetzten Gebiete sowie die Erfassung und Verwertung erbeuteten Vermögens. Sie beteiligte sich an der Beschlagnahme, Enteignung und dem Verkauf jüdischen Vermögens. Zudem übernahm die Reichsbank geraubte Goldbestände und Devisen der in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordeten Menschen. Die Reichsbank war williger Hehler und Handlanger im finanziellen Holocaust, sagte Ritschl, der an der London School of Economics Wirtschaftsgeschichte lehrt. 

In der Nachkriegszeit wurde auf ehemaliges Personal der Reichsbank nach dessen Entnazifizierung zurückgegriffen, zunächst in der Bank deutscher Länder, dann in der Bundesbank. Den Studienergebnissen zufolge waren vor allem die mittleren Führungskräfte erneut tätig. Die Kontinuität der sogenannten Funktionseliten ist damit ähnlich zu derjenigen in Ministerien und anderen öffentlichen Institutionen, sagte Brechtken, stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München.

Keine Kontinuität gab es allerdings bei der Institution selbst: Weder die 1948 gegründete Bank deutscher Länder noch die 1957 errichtete Bundesbank sind Rechtsnachfolger der Reichsbank. Jegliches Gold der Reichsbank wurde von den Alliierten konfisziert. Die Bundesrepublik Deutschland besaß nach dem Zweiten Weltkrieg keine Goldreserven. Die heutigen Goldbestände entstanden seit den 1950er Jahren durch die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands.

Bundesbankpräsident Nagel betonte, dass mit dem Abschluss der Studie ein Projekt an sein Ende komme, das dem Vorstand der Bundesbank und ihm persönlich ein ganz besonderes Anliegen sei. Das Team um Magnus Brechtken und Albrecht Ritschl stelle der Öffentlichkeit und der internationalen Forschung einen Fundus an Einsichten und Erkenntnissen bereit. Ihr Werk zeichnet nach, wie Zentralbanker zu willfährigen Gehilfen eines verbrecherischen Regimes wurden. Und es zeigt, wie anfällig sie für Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Einstellungen waren, sagte Nagel. Die Studienerkenntnisse seien auch eine Mahnung: Nie wieder darf es Antisemitismus in Deutschland geben. Nie wieder darf es Ausgrenzung und staatliche Willkür gegen Minderheiten geben. Nie wieder dürfen staatliche Stellen wie die Zentralbank demokratische Werte mit Füßen treten.

Die wissenschaftliche Arbeit steht der Öffentlichkeit in einer zusammenfassenden Broschüre online und in gedruckter Form zur Verfügung. In einem nächsten Schritt werden ein Sammelband und Monographien zu insgesamt acht Teilforschungsprojekten erscheinen. Auf Basis der Veröffentlichungen wird die Bundesbank weitere Projekte zur Verbreitung der Studienergebnisse anstoßen, kündigte Nagel an.