Begrüßungsrede anlässlich der Konferenz „AI and the Future of Central Banking“ Gemeinsame Konferenz von SUERF und Deutscher Bundesbank
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Einleitung
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie heute zu einer gemeinsamen Konferenz von SUERF – The European Money and Finance Forum – und Deutscher Bundesbank mit dem Thema „Künstliche Intelligenz und die Zukunft des Zentralbankwesens“ zu begrüßen.
Ich freue mich, dass so viele Menschen heute ihren Weg nach Frankfurt gefunden haben. Und es ist großartig, dass sich zudem so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer virtuell zugeschaltet haben. Diese Konferenz bietet uns die Möglichkeit, über die Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) für das Zentralbankwesen und die Wirtschaft im Allgemeinen zu diskutieren. Ich möchte mich daher ganz besonders bei den Organisatorinnen und Organisatoren der Konferenz, den Rednerinnen und Rednern sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Policy Panel bedanken. Vielen Dank, dass Sie diese Veranstaltung ermöglicht und ein so spannendes Programm konzipiert haben.
Das Thema der heutigen Konferenz ist nicht nur überaus aktuell, sondern auch wichtig. Uns allen ist bewusst, dass wir in einer Zeit des Wandels leben und arbeiten. Wir als Zentralbanker haben die Verpflichtung, in diesem schwierigen Umfeld unser Mandat und unsere Aufgaben zu erfüllen. Künstliche Intelligenz bietet uns große Chancen, stellt uns aber auch vor Herausforderungen. Aus diesem Grund freue ich mich sehr über die heutige Veranstaltung, haben wir hierdurch doch die Gelegenheit zum Gedankenaustausch und können beide Seiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.
In der Bundesbank entwickeln und nutzen wir verschiedene KI-Anwendungen, die die Beschäftigten bei einer ganzen Reihe von Aufgaben unterstützen. So haben wir beispielsweise eine Plattform zur Verfügung gestellt, über die die Beschäftigten in der gesamten Bank textbasierte intelligente Assistenten (die wir auch als TIAs bezeichnen) für ihre tägliche Arbeit erstellen können. Diese TIAs können sogar zur Verarbeitung vertraulicher Daten verwendet werden. Eine zweite Bundesbank-Plattform nutzt die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP). Damit können große Mengen an Dokumenten vorverarbeitet und analysiert werden.
Ein weiteres Beispiel ist das Modell namens MILA (kurz für „Monetary-Intelligent Language Agent“), das wir zur Analyse der Zentralbankkommunikation mithilfe generativer KI entwickelt haben.[1] Auch meine heutigen Ausführungen wurden zur Analyse in das Modell gefüttert. Dieses kam zu dem Schluss, dass meine kurze Rede von etwas geprägt ist, das Sie sicher auch selbst bemerken werden. Nämlich Optimismus dahingehend, wie wir das transformative Potenzial von KI nutzen können. Und dabei trage ich nicht nur Optimismus in mir, sondern auch Zuversicht: Zuversicht, dass wir auch die Herausforderungen, die die transformative Kraft der KI für Zentralbanken und die Wirtschaft im Allgemeinen darstellt, meistern werden. Daher möchte ich die nächsten Minuten nutzen, um sowohl die Chancen von KI als auch die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, näher zu beleuchten.
2 Das Transformationspotenzial von KI
Das Transformationspotenzial von KI ergibt sich aus den unterschiedlichen Dimensionen und Versprechungen dieser Technologie. Wir gehen davon aus, dass künstliche Intelligenz unsere Geschäftsprozesse verbessern wird. Durch KI lässt sich zudem unser analytisches Instrumentarium erweitern. Ich möchte mich im Folgenden auf zwei der Aspekte konzentrieren, die wir im Rahmen der heutigen Konferenz noch genauer betrachten werden.
Das erste ist die Nutzung von KI zur Verbesserung von Prognosen und strukturellen Analysen. KI bietet Tools, mit denen sich umfangreiche Datensätze verarbeiten lassen. Diese können unter anderem dabei helfen, bislang unerkannte Muster auszumachen. Sie können aber auch die Prognosequalität verbessern. Maschinelles Lernen kann zum Beispiel dazu beitragen, Inflationsdruck, Veränderungen an den Arbeitsmärkten oder strukturelle Brüche in der Wirtschaft schneller im Voraus zu erkennen, als dies mit traditionellen Modellen möglich wäre.
Anwendungen auf Basis von maschinellem Lernen werden bei der Bundesbank unter anderem zur Modellierung der Inflation, der Zinsen und der öffentlichen Ausgaben, aber auch des Kredit- und Handelsvolumens verwendet. Unsere Erfahrung zeigt, dass Ansätze für maschinelles Lernen den traditionellen Methoden nicht immer überlegen sind. Deshalb möchte ich betonen, dass die KI die Arbeit unserer Beschäftigten als zusätzliches Instrument ergänzt. Sie ersetzt kein Fachwissen.
Der zweite Aspekt, den ich ansprechen möchte: KI ist nicht nur ein Werkzeug, um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung besser zu verstehen. Die KI selbst wird zu einer treibenden Kraft der gesamtwirtschaftlichen Dynamik. So kann sie etwa die Produktivität, die Arbeitsmärkte und die Kapitalbildung beeinflussen. Sie wirkt sich beispielsweise auf die Verbreitung von Innovationen aus und kann somit Einfluss auf das Potenzialwachstum nehmen.
In der Unternehmensstudie der Bundesbank (BOP-F) für das zweite Quartal 2025 kamen die Auswirkungen der generativen KI auf die Arbeitswelt bereits zum Ausdruck.[2] Eine Mehrheit der Unternehmen, die generative KI schon einsetzen, ging davon aus, dass sich dadurch ihre Rentabilität und die Zufriedenheit sowohl ihrer Kunden als auch der Mitarbeitenden verbessern würden. Für das Jahr 2024 berichtete rund die Hälfte der Unternehmen, die zu dieser Zeit bereits generative KI genutzt hatten, dass sich ihre Produktivität erhöht habe.
Allerdings schätzen die Fachleute das Ausmaß der Auswirkungen von KI auf die Produktivität sehr unterschiedlich ein. Für Zentralbanken ist es entscheidend, diese Kräfte und Entwicklungen zu verstehen, da sie die mittelfristigen Wirtschaftsaussichten, den Strukturwandel und die Transmission der Geldpolitik beurteilen.
3 Herausforderungen der KI aus Zentralbanksicht
Die Kolleginnen und Kollegen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben sich eingehender mit der Nutzung von KI-Anwendungen im Zentralbankwesen befasst.[3] Die Ergebnisse zeigen, dass Zentralbanken bereits früh KI und maschinelles Lernen für wichtige Aufgaben eingesetzt haben.[4] Zugleich stellt das große Potenzial der KI die Zentralbanken vor einige Herausforderungen. Lassen Sie mich das noch einmal anhand der beiden Aspekte erläutern, auf die ich zuvor eingegangen bin.
Erstens ist es von entscheidender Bedeutung, dass Modelle zuverlässig sind und eindeutig interpretiert werden können. Fortgeschrittene KI-Methoden werden mitunter als „Blackboxes“ bezeichnet. Denn im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen kann es schwieriger sein, in Gänze zu verstehen, wie der Output generiert wird. Für Zentralbanken sind Transparenz und Glaubwürdigkeit jedoch das A und O. Beides ist unerlässlich, und zwar für die Arbeitsweise der Zentralbanken und für die Kommunikation mit den Märkten und der Öffentlichkeit. Daher ist es wichtig, in erklärbare KI-Methoden zu investieren. Einige davon werden wir in den heutigen Präsentationen sehen.
Zweitens geht es um die Herausforderungen, die sich aus den wirtschaftlichen Auswirkungen der KI ergeben. Die transformative Kraft der KI könnte strukturelle Veränderungen begünstigen. Aus diesem Grund ist es entscheidend, die Auswirkungen von KI in ihren verschiedenen Dimensionen und aus verschiedenen Perspektiven zu überwachen. Das ist schwierig, da die KI rasch Fortschritte macht und sich ihr gesamtwirtschaftlicher Einfluss schnell ändern könnte.
Derzeit sehen wir, dass viele Unternehmen im Euroraum KI immer noch in begrenztem Umfang oder auf experimenteller Basis nutzen.[5] Zudem dient KI derzeit den Beschäftigten in vielen Berufen bei verschiedenen Aufgaben vor allem als Unterstützung, anstatt deren Arbeit vollständig zu übernehmen. Wie wir jedoch gesehen haben, nehmen die Fähigkeiten der KI rasch zu. Dies gilt auch für die potenziellen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte und die geldpolitische Transmission.
Wir müssen also Vorsicht walten lassen und darauf achten, dass wir unsere Bewertung der Auswirkungen von KI kontinuierlich aktualisieren. Dazu benötigen wir unter anderem Informationen zur Nutzung von KI, die repräsentativ und länderübergreifend vergleichbar sind. Solche Daten sind jedoch nicht hinreichend vorhanden. Vor diesem Hintergrund arbeiten die Bundesbank, die Banca d’Italia und die Banco de España gemeinsam an einer Harmonisierung der KI-Fragen in ihren repräsentativen Unternehmensbefragungen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit einen kurzen Einblick in die Haltung der Bundesbank geben konnte: Wir sind offen, was neue Technologien angeht, und bestrebt, ihr Potenzial zu nutzen. Und wir diskutieren auch über deren Vor- und Nachteile.
4 Ziele dieser Konferenz
Heute haben wir die Möglichkeit, uns zu fortgeschrittener Forschung und Zentralbankverfahren im Hinblick auf KI, maschinelles Lernen, nicht traditionelle Daten und makroökonomische Entwicklungen auszutauschen. Es wird Raum für einen konstruktiven Dialog darüber geben, wie sich die Arbeit der Zentralbanken angesichts des Aufkommens von KI weiterentwickeln muss. Und es wird Raum für den Aufbau von Netzwerken geben. In den nächsten Stunden werden Sie vermutlich Annahmen hinterfragen, möglicherweise blinden Flecken begegnen und – wie ich sehr hoffe – die Grundlage für eine künftige Zusammenarbeit schaffen.
5 Schluss
Lassen Sie mich abschließend einige persönliche Überlegungen anstellen. Bei Innovationsoffenheit geht es nicht nur um Technologie, sondern auch um die Einstellung und den Austausch von Informationen und Ideen. Ich bin stolz darauf, Teil einer Zentralbankgemeinschaft zu sein, die sowohl Innovationen als auch einen offenen Austausch über die besten Anwendungsmöglichkeiten begrüßt. Diese Konferenz bietet ein Forum für all dies, also nutzen wir die Gelegenheit!
Während wir jedoch die technische und wirtschaftliche Dimension der KI erörtern, sollten wir die allgemeinere gesellschaftliche Dimension nicht vergessen: Technologie sollte letztlich den Menschen dienen. Dasselbe gilt für uns als Zentralbanken: Wir sollten KI nutzen, um dem öffentlichen Interesse zu dienen, indem wir unser Mandat erfüllen. Dieses Ziel und unser Bekenntnis zu diesem Ziel sind unverändert wichtig.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Fußnoten:
- Deutsche Bundesbank (2025), Geldpolitische Kommunikation aus Sicht von künstlicher Intelligenz, Monatsbericht, März 2025.
- Deutsche Bundesbank (2025), Unternehmensstudie (BOP-F), Q2 2025: Auswirkungen von generativer KI auf die Arbeitswelt.
- Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2025), The use of artificial intelligence for policy purposes, Bericht an die Finanzminister und Zentralbankpräsidenten der G20, Oktober 2025.
- Araujo, D., S. Doerr, L. Gambacorta und B. Tissot (2024), Artificial intelligence in central banking, BIS Bulletin, Nr. 84, 23. Januar 2024.
- Deutsche Bundesbank (2025), Nutzung von künstlicher Intelligenz im europäischen Ländervergleich, Monatsbericht, Mai 2025.