"Geldpolitik nicht aus Verantwortung für Finanzstabilität entlassen"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich dafür ausgesprochen, dass die Geldpolitik die Auswirkungen von finanziellen Ungleichgewichten auf die Preisstabilität im Rahmen ihres bestehenden Mandats berücksichtigen müsse. "Finanzstabilität sollte aber nicht zu einem gleichrangigen Ziel der Geldpolitik erklärt werden", sagte  Weidmann vor rund 500 Zuhörern in der Ludwig-Maximilians-Universität München bei einer Veranstaltung des ifo-Instituts und der Süddeutschen Zeitung. Vielmehr solle Finanzstabilität vorrangig durch makroprudenzielle Politik sichergestellt werden, so Weidmann. Makroprudenzielle Politik zielt darauf ab, die Stabilität  des Finanzsystems  als Ganzes mit den Instrumenten der Regulierung und der Aufsicht zu sichern.

Da Risiken für die Finanzstabilität aber wahrscheinlich nicht allein mit makroprudenziellen Instrumenten beseitigt werden könnten, sollte die Geldpolitik Weidmann zufolge ihren zeitlichen Horizont verlängern und die längerfristigen Wirkungen finanzieller Ungleichgewichte auf die Preisentwicklung in den Blick nehmen, um dauerhaft Preisstabilität garantieren zu können. "Wenn sich die Geldpolitik ihrer Wirkung auf die Finanzstabilität und der Rückwirkung auf die Preisstabilität  bewusst  ist, wird sie  in Aufschwungphasen tendenziell straffer sein, als es allein die kurzfristige Inflationsentwicklung erforderlich machen würde", sagte Weidmann.

"Alarmismus ist fehl am Platze"

Mit Blick auf die aktuelle ultralockere Geldpolitik des Eurosystems mahnte der Bundesbankpräsident, dass die damit verbundenen Risiken für die Finanzstabilität nicht ignoriert werden dürften: "Nach meiner Ansicht darf die Geldpolitik nicht mit den Schultern zucken, wenn es Anzeichen für spekulative Übertreibungen auf den Vermögensmärkten  gibt", sagte Weidmann. Die kräftigen und zum Teil rasanten Kurssteigerungen an den europäischen Aktien- und Anleihemärkten in den vergangenen Wochen und Monaten würden auf einen stark gestiegenen Risikoappetit hindeuten, den die Notenbanken sorgsam beobachten müssten. Das andauernde Niedrigzinsumfeld  könnte indes nicht nur auf den Vermögensmärkten Risiken für die Finanzstabilität bergen, gab Weidmann zu Bedenken. "Indem es die Ertragslage von Banken und Versicherungen belastet, je länger diese Phase anhält, steigt das Risiko von Instabilität ebenso", sagte er. Umso wichtiger sei es, dass die Finanzinstitute ihre Kapitalausstattung weiter verbesserten und ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellten.

Mit Blick auf den deutschen Immobilienmarkt sei eine spekulative Immobilienpreisblase derzeit nicht zu beobachten, sagte Weidmann. Zwar seien die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Der Preisanstieg konzentriere sich aber vor allem in den großen Städten. "Wachsamkeit ist durchaus angebracht, Alarmismus ist dagegen fehl am Platze", sagte Weidmann.

Verbot der monetären Staatsfinanzierung

In der anschließenden Diskussion warf der Präsident des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, die Frage auf, ob nicht falsche Verhaltensweisen im Eurosystem das Entstehen von Blasen in den südeuropäischen Ländern begünstigt hätten. Dazu habe die Möglichkeit der nationalen Notenbanken maßgeblich beigetragen, Finanzinstitute mit Notfallkrediten zu versorgen. Dies habe Anleger zunächst in falscher Sicherheit gewogen und später eine Kapitalflucht aus den Krisenländern ermöglicht.

Bundesbankpräsident Weidmann erinnerte daran, dass die Immobilienpreisblasen in Südeuropa bereits Anfang der 2000er Jahre entstanden seien. Die Notfall-Liquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance, ELA) hätten damals wohl eher keine Rolle gespielt bei den Entscheidungen der Investoren. Zur Gewährung von Notfall-Liquidität sagte Weidmann, dass diese nur nach klaren Regeln erfolgen dürfe, nämlich nur vorübergehend und nur an solvente Institute. Mit Blick auf Griechenland sagte er, dass die ELA-Vergabe an einzelne griechische Banken durchaus Bedenken in Bezug auf das Verbot der monetären Staatsfinanzierung hervorrufe.