Mersch: "Unsere Geldpolitik wirkt"

Yves Mersch bei einer Rede an der Hochschule der Deutschen Bundesbank am 27.10.2016 ©Arno Swillus
Yves Mersch
Nach Einschätzung von Yves Mersch, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), wirkt die Mischung aus konventionellen und unkonventionellen geldpolitischen Schritten des Eurosystems. Wie er vor Studenten der Hochschule der Deutschen Bundesbank in Hachenburg erläuterte, werde eine deflationäre Entwicklung damit verhindert. Zugleich wies Mersch darauf hin, dass die Maßnahmen mit Nebenwirkungen verbunden seien und diese umso stärker würden, je länger das Niedrigzinsumfeld andauere. Daher appellierte er: "Es muss aber unser aller Ziel sein, so bald wie möglich diesen Sonderzustand zu verlassen, um den möglichen Schaden so gering wie möglich zu halten.

Die Zwei-Prozent-Marke im Blick

Als Maßnahmen hat der EZB-Rat zum einen den Leitzins, zu dem sich die Geschäftsbanken Geld bei der Zentralbank leihen können, auf null Prozent gesenkt. Wollen Banken überschüssiges Zentralbankgeld "über Nacht" im Eurosystem anlegen, müssen sie dafür sogar 0,4 Prozent Zinsen zahlen. Darüber hinaus hat der EZB-Rat ein Anleihekaufprogramm auf den Weg gebracht. Ziel sei es, die Marktzinsen unter ihrem langfristigen Niveau zu halten und somit einen Anreiz für Investitionen und Konsum zu schaffen und letztlich die Inflationsrate wieder auf unter, aber nahe zwei Prozent zu erhöhen, führte Mersch aus. Der Definition des EZB-Rats zufolge ist Preisstabilität erreicht, wenn der Anstieg der Verbraucherpreise im Euro-Währungsgebiet gegenüber dem Vorjahr in der mittleren Frist bei diesem Wert liegt. Nach Ansicht von Mersch befindet sich das Eurosystem auf einem guten Weg. Die Nachfrage nach Krediten steige, und die Inflationsrate werde sich nach Schätzungen der EZB-Experten im Jahr 2018 auf 1,6 Prozent erhöhen. 2019 könnte die Inflationsrate das Ziel "weitestgehend erreichen". 

Deutsche Banken wenig effizient 

Das EZB-Direktoriumsmitglied versicherte, die Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds auf Banken, Versicherer und Sparer würden genau beobachtet. Die EZB sei sich bewusst, dass die Nebenwirkungen der Maßnahmen größer würden, je länger sie andauerten. Insbesondere die Banken klagten darüber, dass ihre Profitabilität unter dem Niedrigzinsumfeld leide. Einige Banken hätten zwar angefangen, Gebühren für Einlagen über 100.000 Euro einzuführen. "Letzten Endes wird es jedoch darauf hinauslaufen, dass einige Banken ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen, um langfristig profitabel agieren zu können", sagte Mersch. 

Handlungsbedarf bestehe vor allem in Deutschland. Der deutsche Bankensektor zähle zu den größten, aber zugleich zu den ineffizientesten des Euro-Raums, so Mersch. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag läge mit 73 Prozent deutlich über dem übrigen Euro-Raum. Auch die Anzahl der Banken sei nach der Krise nur unterdurchschnittlich gesunken. 

Klare Aufgabenteilung zwischen Eurosystem und Regierungen 

Mersch betonte in seiner Rede, das Eurosystem werde im Rahmen des geldpolitischen Mandats alles tun, um Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Gleichzeitig appellierte er an die Regierungen der Mitgliedstaaten der Währungsunion, ihren Teil dazu beizutragen, um zu einem langfristigen Wachstumskurs zurückzukehren. 

In vielen Ländern seien Strukturreformen notwendig, um die Arbeits- und Produktmärkte zu flexibilisieren und um Bürokratie abzubauen. Wo möglich, sollte in Bildung, Infrastruktur und Produktivitätsverbesserung investiert werden. Auch fiskalische Umverteilung sei nicht Aufgabe der Zentralbank, sondern müsse von demokratisch gewählten Parlamenten entschieden werden. "Die Aufgabenteilung ist klar", unterstrich Mersch.