Bleibt unser Bargeld? Interview mit der Rheinpfalz

Das Gespräch mit Burkhard Balz führte Mechthild Treusch.

Herr Balz, wie bezahlen Sie Ihre Weihnachtseinkäufe?

Bei mir ist es ein Mix aus bar und unbar. Unbar zahle ich vor allem mit dem Mobilfunktelefon, auf dem entsprechend Karten hinterlegt sind. Es kommt auf die Situation an.

Aber Sie haben Bargeld in der Tasche? 

Ja, ich habe im Schnitt 150 Euro Bargeld in der Tasche. Damit fühle mich ehrlicherweise recht wohl, weil es auch in Deutschland immer noch die eine oder andere Situation gibt, in der man nicht unbar bezahlen kann.

Damit liegen Sie sogar über dem Schnitt, denn der Durchschnittsbürger hat 100 Euro bar in der Tasche.

Ich fühle mich einfach ganz gut damit. Bargeld spielt für mich nach wie vor eine wichtige Rolle.

Das unterstreichen Sie mit einer aktuellen Aktion der Bundesbank: Sie stellt dem Handel Aufkleber zur Verfügung, die auf die Möglichkeit der Barzahlung hinweisen. Warum diese Aktion? Muss für Bares geworben werden, weil es auszusterben droht?

Nein, für Bargeld muss nicht geworben werden. In Deutschland ist es nach wie vor ein außerordentlich beliebtes Zahlungsmittel. Aber wenn Sie heute in Geschäfte gehen, sehen Sie an der Eingangstür meistens Hinweise, mit welchen Kreditkarten Sie bezahlen können. Und so war in einer Arbeitsgruppe des Nationalen Bargeldforums die Idee geboren, auch einen Bargeldaufkleber zu entwerfen. Wir wollen mit einem kostenlosen Aufkleber Privatpersonen und Betrieben die Möglichkeit geben, ihre Unterstützung für die Nutzung von Bargeld sichtbar zu machen.

Reagieren Sie damit auch auf politische Vorstöße? Immerhin möchte die Bundesregierung das Recht auf Kartenzahlung festschreiben.

Die Initiative des Nationalen Bargeldforums steht ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit einzelnen politischen Vorhaben, wir arbeiten unabhängig. Das Bargeldforum unterstützt den Austausch zwischen relevanten Akteuren des Bargeldkreislaufes und wirkt bei der Stabilisierung des Bargeldkreislaufes mit. Wir diskutieren natürlich über Vorhaben. Und das Bargeldforum hat dem Bundesfinanzminister den Vor- schlag gemacht, zu prüfen, ob wir auch die Ein- und Zwei-Cent-Münzen aus dem Umlauf nach und nach herausnehmen wollen. Es gibt mittlerweile sieben Länder in der Europäischen Union, die das schon so handhaben.

Das soll aber wohl nicht der Anfang des Endes sein vom Bargeld. Wird Bargeld denn sicher bleiben?

Eindeutig ja, weil das Bargeld bei den Menschen nach wie vor einen hohen Stellenwert hat. In Deutschland ist Bargeld das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel. 69 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher ist es sehr wichtig, auch in Zukunft mit Bargeld zahlen zu können. Im Euroraum liegt der Wert mit 62 Prozent etwas niedriger. Natürlich ist es unser Ziel sicherzustellen, dass Bargeld als Zahlungsmittel verfügbar und zugänglich bleibt und Menschen weiterhin eine Wahlfreiheit haben, bar oder mit Karte zu zahlen. Dieses Thema ist uns als Bundesbank sehr, sehr wichtig. Wenn ich vorhin gesagt habe, ich kaufe meine Weihnachtsgeschenke mit einem Mix an Zahlungs- mitteln, dann ist das die Freiheit, die ich meine. Ich möchte selber entscheiden können, wie ich bezahle. Und dafür steht die Bundesbank ein.

Bargeldzahlungen machen zwar bei Transaktionen noch die Hälfte aus. Aber ihr Anteil wird kleiner, während die Debitkarte und mobiles Bezahlen zulegen. Womit kann denn Bargeld überhaupt noch punkten?

Es ist schnell nutzbar und kann ohne technische Voraussetzung genutzt werden. Bargeld ermöglicht damit gesellschaftliche Teilhabe und ist auch eine Ausfalllösung bei Störungen der technischen Infrastruktur. Das haben wir Anfang dieses Jahres auf der iberischen Halbinsel erleben müssen und auch in Teilen von Südfrankreich. Und was in Deutschland eine ganz wichtige Rolle spielt: Bargeld schützt die Privatsphäre. Zudem bringe ich gern als Argument, dass Kinder vor allem mit Bargeld den Umgang mit Geld lernen können. Am Ende erleichtert es allen die Ausgabenkontrolle. Was ich im Portemonnaie habe, kann ich nur einmal ausgeben.

Wie passt dazu der geplante digitale Euro, an dem die EU gerade arbeitet?

Ein digitaler Euro kann das Bargeld sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen. Aber er wird ähnliche Vorteile bieten wie Bargeld, zum Beispiel ein hohes Maß an Privatsphäre.

Wie soll der digitale Euro in der Praxis überhaupt funktionieren?

Sie brauchen eine sogenannte Wallet, also ein elektronisches Portemonnaie auf Ihrem Handy. Und da wir als Bundesbank nicht für alle Bundesbürger ein Konto führen können, brauchen wir die Banken, deren tägliches Geschäft das ist. Sie können den digitalen Euro in die App ihrer Bank integrieren und als Zahlungsmittel überall nutzen: An der Ladenkasse, beim Online-Shopping oder zwischen Personen. Das geschieht stets in Echtzeit und über europäische Infrastrukturen. Sogar eine Offline-Variante entwickeln wir, die auch ohne Internetverbindung funktioniert.

Banken werden sich diese Dienstleistung bezahlen lassen. Gibt es dafür einen Rahmen?

Es muss am Ende natürlich den Banken Spaß machen, das heißt, sie müssen etwas verdienen. Dazu ist im Gesetzesentwurf ein Kompensationsmodell vorgesehen. Zusätzlich können Banken gebührenpflichtige Zusatzdienste entwickeln, etwa bedingte Zahlungen oder Treueprogramme.

Und was bedeutet das für Kunden?

Für den Kunden, also für uns Bürger, sollen die Basisfunktionen des digitalen Euro gebührenfrei sein. Wenn Sie ins Geschäft gehen und mit dem digitalen Euro bezahlen, wird dieser Vorgang für Sie kostenfrei sein. Die Gebühren werden die anderen Akteure tragen, von Händlern bis zu Zentralbanken. Deswegen verhandeln wir über Kompensationsmodelle.

Über die Einführung des digitalen Euros wird auf EU-Ebene aber auch diskutiert. Etwa darüber, ob man nicht privatwirtschaftlichen Angeboten für digitale Bezahlmethoden den Vorrang lassen sollte. 

Das war ein Vorschlag des Berichterstatters im Europäischen Parlament, über diesen Vorschlag muss es jetzt verhandeln. Der Rat der EU, also die Finanzminister aus den EU-Ländern, hat gerade breite Zustimmung zu dem ursprünglichen Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zum digitalen Euro signalisiert. Die nächsten Monate wer- den zeigen, wie sich die Diskussion im Parlament gestaltet. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ende 2026 einen sinnvollen finalen Rechtsrahmen für den digitalen Euro haben werden.

Hätte es für Europa nicht eine schlechte Signalwirkung, wenn die EU im Bemühen um den Digitaleuro nachlassen würde? 

Eindeutig. Ich kann mich noch gut erinnern, als unser Projekt im Jahr 2021 startete und ich darauf hingewiesen habe, dass wir über ein wesentliches Projekt europäischer Souveränität sprechen. Am Anfang haben mich manche vielleicht belächelt. Heute ist das kein Thema mehr.

Souveränität erscheint wichtiger denn je. Daher nochmal zum Bargeld: Das ist ja auch eine Art Krisenwährung. Wie viel sollte man denn als Bürger daheim im Vorrat haben?

Ich finde es nicht verkehrt, wenn man immer eine Bargeldreserve zu Hause vorhält. Nun weiß ich, dass das für manche Familien oder auch Einzelpersonen sehr schwierig ist, weil man das Geld einfach nicht hat. Aber wer es ermöglichen kann, sollte eine Reserve vorhalten. Wir als Bundesbank geben keine Empfehlungen.

Bargeld-Vorrat: Für Kritiker von Bargeld klingt das nicht gut. Das Finanzamt hätte am liebsten nur digitale Bezahlmethoden, um Steuerhinterziehung unmöglich zu machen. Digital lassen sich eben Spuren des Geldes verfolgen. Wo steht die Bundesbank in diesem Spannungsfeld? 

Es ist sicherlich eine Abwägungsfrage, was das berechtigte Interesse des Staates nach Steuerehrlichkeit und die Wahlfreiheiten für die Bürgerinnen und Bürger betrifft. Die Bundesbank-Studien zeigen, dass die Menschen die Vorteile von Kartenzahlungen in erster Linie bei der Benutzerfreundlichkeit wahrnehmen. Weil man sich eben keine Gedanken machen muss, ob man genügend Bargeld bei sich hat. Und natürlich sind auch Kartenzahlungen einfach und schnell abgewickelt. Das Hauptargument für das Bezahlen mit Bargeld ist die Anonymität – oder wie es positiv formuliert wird, die Privatsphäre wird gewahrt. Aus meiner Sicht ist es essenziell, dass die Option, bar zu bezahlen, weiterhin überall besteht. Bürger möchten selbst bestimmen, wie sie zahlen. 

Das bedeutet jedoch nicht, dass mit Kartenzahlungen negative Implikationen für die Kunden einhergehen, denn auch die Zahlungsdienstleister und Banken müssen die hohen Datenschutzstandards erfüllen und tun dies aus meiner Sicht in vollem Umfang. Die Bundesbank-Studien zeigen, dass die überwältigende Mehrheit ihrer Hausbank einen verantwortungsvollen Umgang mit Zahlungsdaten bescheinigt. Selbstverständlich können Strafverfolgungsbehörden bei Verdachtsfällen an Institute herantreten, es gibt einen klar definierten Rechtsrahmen. Für uns als Bundesbank ist es entscheidend, dass die Zahlungssysteme sicher funktionieren und dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Wahlfreiheit haben, selbst zu entscheiden.

Es gibt aber nicht nur unsere Hausbanken, sondern auch globale Finanzdienstleister, die aus unseren Daten längst eine Art Währung gemacht haben und Bedingungen aufgrund ihrer Marktmacht diktieren können.

Diese Entwicklungen sind in der Tat klar erkennbar. Viele Menschen gehen recht leichtfertig mit ihren Daten um, dringen aber beim Thema Bargeld sehr stark auf ihre Privatsphäre. Die wäre übrigens einer der großen Vorteile eines digitalen Euro, weil wir als Zentralbanken des Eurosystems kein Interesse haben, die Daten zu kommerzialisieren. Offline-Zahlungen hätten sogar ein ähnliches Niveau an Privatsphäre wie Bargeld, denn die persönlichen Transaktionsdaten wären nur dem Zahlen- den und dem Zahlungsempfänger bekannt. Der Schutz der Privatsphäre ist eines der wichtigsten Gestaltungsmerkmale des digitalen Euro.

Die Bundesbank muss den Zugang zu Bargeld sicherstellen. Aber die Anzahl der Bankfilialen hat sich zwischen 2002 und 2023 mehr als halbiert auf etwa 21.000, auch Geldautomaten wurden reduziert. Gerade im ländlichen Bereich ist das ein Problem. Der Einzelhandel springt zwar als Bargeldversorger (Cashback) ein: Mittlerweile hat er bei der Bargeldversorgung einen Anteil von neun Prozent erreicht. Aber viele Händler sind damit wegen der gestiegenen Kosten gar nicht glücklich. Kann denn die Bundesbank da den Zugang zu Bargeld überhaupt sicherstellen?

Der Einzelhandel ist eine neue, wichtige Bezugsquelle für Bargeld geworden, da haben Sie recht. Für uns als Bundesbank hat sich aber nichts verändert. Wir sorgen dafür, dass jederzeit genügend Bargeld in allen Teilen Deutschlands verfügbar ist, um die Nachfrage bei Banken und Geld- und Wertdienstleistern zu decken, also bei denen, die primär am Bargeldkreislauf beteiligt sind. Für die konkrete Versorgung der Bevölkerung sind die Banken verantwortlich. Sie stellen Bargeld über Bankfilialen und Geldautomaten bereit. Sie haben richtigerweise gesagt, dass Banken und Sparkassen ihre Filialnetze verkleinern und dass die Zahl der Geldautomaten bei uns im Land zurückgeht. Derzeit haben wir in Deutschland allerdings noch fast 50.000 Geldautomaten. Die Bundesbank sieht das nach wie vor als ausreichend an. Manche Kunden empfinden es zunehmend als schwierig, zur nächsten Bankfiliale oder zum nächsten Geldautomaten zu gelangen. Das sehen wir, das untersuchen wir auch. Es gibt Regionen in Deutschland, wo diese Wege in den vergangenen Jahren signifikant länger geworden sind. Bis hin zu mehr als elf Kilometer in ländlichen Gebieten in Ostdeutschland. In Stadtgebieten sprechen wir hier über ein bis zwei Kilometer. Es gibt nach wie vor ausreichend Geldautomaten, aber wir müssen sehr genau auf deren Verteilung achten.

Und wie sieht es beim Thema Cashback im Einzelhandel aus?

Dieses Angebot ist aus meiner Sicht lediglich eine Ergänzung und kein Ersatz für die Infrastruktur der Kreditwirtschaft. Die Banken müssen ihrer Verantwortung für eine flächendeckende Bargeldversorgung auch künftig nachkommen. Hier verweise ich auf das Nationale Bargeldforum, das wir 2024 gegründet haben: Es bündelt Interessen der Teilnehmenden und Interessenvertreter am Bargeldsystem und entfaltet Initiativen zur Verbesserung und Stabilisierung des Bargeldkreislaufes. Da sitzen Verbände der Kreditwirtschaft, der Handel, Verbraucherschutzverbände und wir als Bundesbank am Tisch und arbeiten konstruktiv zusammen.

Wird dort auch über Gebühren gesprochen? Der Handel beschwert sich ja über die steigenden Kosten.

Nein. Das muss zwischen dem Handel und den Banken oder Verbänden direkt abgesprochen werden. Beim Nationalen Bargeldforum geht es vielmehr um Logistik, Zusammenarbeit und gemeinsame Initiativen.

Was heißt Logistik? Transport?

Bargeld ist, das glauben die meisten Menschen gar nicht, vor allem ein Logistikthema. Wir als Bundesbank haben einen sogenannten Sorgeauftrag. Im Bundesbankgesetz ist festgelegt, dass wir Deutschland flächendeckend mit Bargeld zu versorgen haben, also rund 85 Millionen Menschen. Und zu versorgen heißt, dass die Banken und Handelsunternehmen Zugang zum Bargeld bekommen. Den Bargeldtransport übernehmen in der Regel Geld- und Wertdienstleister. Deswegen spielt natürlich die Logistik eine große Rolle. Wie kriegen wir das Bargeld in die einzelne Bankfiliale, in den einzelnen Supermarkt? Wir als Bundesbank haben 31 Filialen im ganzen Bundesgebiet, die die Kreditwirtschaft und Gelddienstleister direkt mit Bargeld versorgen.

Natürlich überlegen wir regelmäßig, wie wir die Bundesbank-Logistik für Bargeld verbessern können. Ab dem Jahr 2028 werden wir acht unserer 31 Filialen schließen, darunter auch die Bundesbankfiliale in Ludwigshafen. Ein Grund dafür ist neben einer geringeren Auslastung einzelner Standorte die Sanierungsbedürftigkeit vieler Filialgebäude. Wir werden aber auch an vier Standorten neue, größere Filialen bauen, weil das den Bargeldkreislauf zukünftig effizienter machen wird.

Mainz bleibt bestehen, oder?

Genau. Der Standort in Mainz ist unser nationales Bargeldzentrum, dort werden auch andere Dienstleistungen angeboten. Zum Beispiel werden dort Banknoten auf ihre Echtheit überprüft.

Wie viel Geld hortet eigentlich die Bundesbank, um die Nachfrage permanent bedienen zu können?

Die genauen Zahlen veröffentlichen wir nicht. Aber gehen Sie davon aus, dass in unseren Tresoren ausreichend Bargeld gelagert ist, um die Nachfrage jederzeit bedienen zu können.

Im Euroraum sind laut EZB 1,6 Billionen Euro im Umlauf...

Deutschland ist mit Abstand die größte Volkswirtschaft in der EU. Wir als Bundesbank haben einen Anteil von knapp 27,2 Prozent an der Europäischen Zentralbank, bei Frankreich sind es 21 Prozent, bei Italien 17 Prozent. Daran können Sie sich ungefähr abschätzen, wie viel Geld im Umlauf ist oder als Reserve gelagert wird.

Also, wir müssen uns keine Sorgen machen, dass Bargeld ausgeht.

Wir haben einen gesetzlichen Sorgeauftrag. Den nehmen wir als Bundesbank sehr ernst. Am Ende muss jede Bürgerin und jeder Bürger Bargeld halten können, wenn er oder sie es wünscht.

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