Wie entsteht Geld? – Teil III: Zentralbankgeld

Im Euroraum ist der Euro die gemeinsame Währung. Die Euro-Banknoten und –münzen sind das gesetzliche Zahlungsmittel. Nur die Zentralbanken – in Deutschland die Deutsche Bundesbank - dürfen es in Umlauf bringen. Sie tun dies über die Geschäftsbanken.

Jede Geschäftsbank hat ein Konto bei der Zentralbank und kann von ihrem Guthaben Bargeld abheben. Dieses Guthaben nimmt dann ab. Werttransportunternehmen bringen die Euro-Banknoten und Münzen in gepanzerten Fahrzeugen von der Bundesbank zur Geschäftsbank. Zahlt die Geschäftsbank bei der Zentralbank Bargeld ein, nimmt ihr Guthaben bei der Zentralbank zu. Guthaben bei der Zentralbank  lassen sich also in Bargeld wandeln - und Bargeld wieder in Guthaben. Die Guthaben bei der Zentralbank und das Bargeld werden unter dem Oberbegriff „Zentralbankgeld“ zusammengefasst, denn nur die Zentralbank kann dieses Geld schaffen.

Aber wie entstehen die Zentralbankguthaben? Zentralbankguthaben entstehen zum Beispiel, wenn die Zentralbank einer Geschäftsbank einen Kredit gewährt. Dann schreibt die Zentralbank der Geschäftsbank den Kreditbetrag als Guthaben gut. Allerdings muss die Geschäftsbank für den Kredit Sicherheiten wie zum Beispiel Wertpapiere hinterlegen und Zinsen zahlen. Wenn die Geschäftsbank den Kredit aus ihrem Guthaben zurückzahlt, wird das zuvor geschaffene Zentralbankgeld wieder vernichtet.

Zentralbankguthaben entstehen auch, wenn die Zentralbank einer Geschäftsbank Vermögenswerte wie zum Beispiel Staatsanleihen, Gold oder Immobilien abkauft. Die Zentralbank schreibt der Geschäftsbank dann den Kaufbetrag auf ihrem Konto gut; das Guthaben nimmt zu. Verkauft hingegen die Zentralbank der Geschäftsbank  einen Vermögenswert, bucht sie den zu zahlenden Kaufbetrag vom Guthaben der Geschäftsbank ab.

Und wozu benötigen die Geschäftsbanken Guthaben bei der Zentralbank? Ein Grund ist, dass die Zentralbank den Geschäftsbanken vorschreiben kann, ein bestimmtes Mindestguthaben auf ihrem Zentralbankkonto zu halten, die sogenannte Mindestreserve. Die Höhe der Mindestreserve berechnet sich aus den Guthaben der Kunden einer Bank multipliziert mit einem von der Zentralbank festgelegten Prozentsatz. Schaffen die Banken zusätzliche Guthaben – also zusätzliches „Buchgeld“ – dann müssen sie auch mehr Zentralbankguthaben als Mindestreserve halten.

Zweitens benötigen die Geschäftsbanken Zentralbankguthaben, weil ihre Kunden immer mehr Bargeld abheben: Seit der Einführung des Euro-Bargelds im Jahre 2002 ist der Gesamtwert des umlaufenden Bargelds stetig gestiegen. Die Geschäftsbanken müssen sich das zusätzliche Bargeld bei der Zentralbank beschaffen. Dazu benötigen sie Guthaben, von denen sie Bargeld abheben können.

Drittens benötigen die Geschäftsbanken Zentralbankguthaben für Überweisungen untereinander, also für den unbaren Zahlungsverkehr. Wenn Herr Maier, Kunde von Bank A, Geld an Frau Müller, Kundin von Bank B, überweist, nimmt sein Guthaben bei Bank A ab. Bei der Zentralbank wird der Betrag vom Konto der Bank A auf das Konto von Bank B umgebucht. Bank B schreibt den Betrag Frau Müller auf ihrem Konto gut. Zentralbankguthaben werden immer nur auf Konten bei der Zentralbank umgebucht. Die Kundenguthaben bei den Geschäftsbanken sind kein Zentralbankgeld.

Die Geschäftsbanken haben also einen ständigen Bedarf an Zentralbankgeld. Nur die Zentralbank kann dieses Guthaben – das „Zentralbankgeld“ – schaffen. Aber wie erhalten die Geschäftsbanken das Zentralbankgeld?

Wie bereits erwähnt zum Beispiel, indem sie bei der Zentralbank einen Kredit aufnehmen. Die Geschäftsbanken müssen für diese Kredite Zinsen zahlen, den sogenannten Leitzins. Dieser Leitzins wiederum ist der Anknüpfungspunkt für die Geldpolitik des Eurosystems.

Die wichtigste Aufgabe des Eurosystems ist, für Preisstabilität zu sorgen. Nach Auffassung des EZB-Rats kann Preisstabilität am besten gewährleistet werden, wenn er mittelfristig eine Inflationsrate von 2% anstrebt. Dieses Ziel ist symmetrisch, das heißt negative Abweichungen von diesem Zielwert sind ebenso unerwünscht wie positive.

Doch wie erreicht das Eurosystem sein Ziel? Mit dem Leitzins, also dem Zins, den die Geschäftsbanken für Zentralbankgeld bezahlen, kann das Eurosystem die Höhe der Zinsen im Euroraum beeinflussen.

Im Falle einer Deflationsgefahr wird der EZB-Rat den Leitzins senken. Dann senken auch die Geschäftsbanken ihre Zinsen. Dadurch werden mehr Kredite aufgenommen, die Banken schaffen zusätzliches Buchgeld, es werden mehr Güter nachgefragt. Der Abwärtsdruck auf die Preise lässt damit im Laufe der Zeit nach und die Unternehmen können wieder höhere Preise erzielen. Eine Senkung des Zinses für Zentralbankgeld kann also dazu beitragen, dass die Deflation bekämpft wird. So stellt sich Preisstabilität wieder ein.

Im Falle einer Inflationsgefahr wird das Eurosystem den Zins für Zentralbankgeld – den Leitzins – erhöhen. Dann erhöhen auch die Geschäftsbanken ihre Zinsen für Kredite. Dadurch werden weniger Kredite aufgenommen, es entsteht weniger Buchgeld und es werden weniger Güter nachgefragt. Die Unternehmen bleiben zum Teil auf ihren Waren sitzen und können ihre Preise kaum noch erhöhen. Manche senken ihre Preise sogar. So kann eine Anhebung des Zinses für Zentralbankgeld die Inflation bekämpfen, bis wieder Preisstabilität herrscht.

Das Zentralbankgeld spielt also eine wichtige Rolle: Die Geschäftsbanken haben einen ständigen Bedarf an Zentralbankgeld, um die Mindestreserve zu erfüllen, um Bargeld abheben zu können und um den unbaren Zahlungsverkehr abzuwickeln.

Dieses Zentralbankgeld verschaffen sie sich zum Teil durch die Aufnahme von Krediten bei der Zentralbank. Dadurch ist die Anhebung oder Senkung des Zinses für Zentralbankgeld ein wichtiges Instrument, um das oberste Ziel des Eurosystems zu erreichen - die Preisstabilität.