Joachim Nagel auf der AI-Konferenz mit Suerf ©Alexandra Lechner

Zukunft der Geldpolitik: Wie KI das Zentralbankwesen transformiert

Künstliche Intelligenz entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Und mit ihr verändert sich die Art und Weise, wie Wirtschaft, Unternehmen und Finanzmärkte funktionieren. Wie diese technologischen Umbrüche die Aufgaben von Zentralbanken beeinflussen, stand im Mittelpunkt der von der Deutschen Bundesbank und SUERF, einem unabhängigen europäischen Forum für den Dialog über Geld- und Finanzfragen, gemeinsam ausgerichteten Konferenz „Artificial Intelligence and the Future of Central Banking“.

Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Notenbanken und internationalen Organisationen kamen in Frankfurt zusammen, um Chancen, Risiken und die langfristigen Implikationen von KI für geldpolitische Analysen und Entscheidungsprozesse zu diskutieren.

Nagel: Technologie sollte letztlich den Menschen zugutekommen

In seiner Eröffnungsansprache stellte Bundesbankpräsident Joachim Nagel die Bedeutung künstlicher Intelligenz für die Arbeit von Zentralbanken in den Mittelpunkt. Nagel betonte, dass sich Wirtschaft und Finanzsystem in einer Phase tiefgreifenden technologischen Wandels befinden und dieser Chancen und Herausforderungen zugleich mit sich bringe.

Die Bundesbank nutze bereits heute vielfältige KI-Anwendungen, um Analysen zu verbessern und Arbeitsprozesse zu unterstützen, erklärte Nagel. Dazu gehören textbasierte Assistenzsysteme (TIAs),KI-gestützte Dokumentenanalyseverfahren sowie das Modell MILA, mit dem die Kommunikation der Notenbanken im Euroraum ausgewertet wird. Diese Technologien erweitern unseren Werkzeugkasten. Sie ersetzen jedoch nicht die Expertise unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Nagel. Er machte deutlich, dass Offenheit für Innovation und ein verantwortungsbewusster Umgang mit neuer Technologie zusammengehörten. Der Einsatz von KI diene einem übergeordneten Ziel: Technologie sollte letztlich den Menschen zugutekommen. Auch für uns als Zentralbank gilt: Wir nutzen KI, um unser Mandat bestmöglich zu erfüllen.

Die sich anschließende Keynote von Álvaro Ortiz (BBVA Research) zeigte eindrucksvoll, wie moderne Datenquellen, Textanalysen und KI-Methoden bereits heute ein tieferes Verständnis makroökonomischer Entwicklungen ermöglichen.

Neuer Werkzeugkasten für die Analyse: Von maschinellem Lernen bis zu nicht-traditionellen Daten

Die erste Session widmete sich Prognosemodellen, Strukturanalysen und neuen Möglichkeiten der Szenarienbildung mithilfe maschinellen Lernens. Forschende aus verschiedenen europäischen Notenbanken und Universitäten präsentierten Ansätze, wie KI-Modelle wirtschaftspolitische Entscheidungen unterstützen können, ohne die Transparenz klassischer ökonomischer Verfahren zu verlieren.

In der zweiten Session wurden Anwendungen jenseits traditioneller Daten diskutiert. Darunter die Auswertung von Social-Media-Informationen, Kommunikationsdaten und Reaktionsmustern und sogar die Möglichkeit der Stimmauswertung. Die Beiträge zeigten, wie stark sich die Informationslandschaft geldpolitischer Institutionen erweitert und wie wichtig es ist, diese neuen Datenquellen verantwortungsbewusst zu nutzen.

Eine weitere Session widmete sich den makroökonomischen Auswirkungen von KI selbst. Die Forschenden beleuchteten, wie sich Künstliche Intelligenz auf zentrale makroökonomische Größen wie Produktivität und den Arbeitsmarkt auswirken kann und welche statistischen Herausforderungen damit verbunden sind. 

Köhler-Geib: Zentralbanking ist Technologie. Wir setzen KI produktiv ein und verstärken unsere Forschung zu den potenziellen Auswirkungen von KI auf die Zukunft des Zentralbankwesens

Bundesbank-Vorständin Fritzi Köhler-Geib, verantwortlich für IT, Daten und Statistik, Risikocontrolling und das Forschungszentrum, betonte auf einem abschließenden Policy-Panel die Notwendigkeit, KI in Produktion zu bringen. Es gelte, damit messbaren Mehrwert für die Organisation zu schaffen, sowie ausreichend in die Technologie zu investieren. Sie stellte auch Forschungsergebnisse mit Bundesbank-Beteiligung vor, die zeigen, dass die Ausgestaltung von KI-Agenten Einfluss auf die Finanzstabilität haben können.

Sie unterstrich, dass es für die zukünftige Handlungsfähigkeit von Zentralbanken relevant sei, technologische Entwicklungen proaktiv begleiten: Eine robuste Datenbasis und moderne IT-Architekturen sind Grundvoraussetzung für belastbare Analysen, verlässliche Risikobewertungen und eine zukunftsfähige Geldpolitik.

Neben Köhler-Geib diskutierten Expertinnen und Experten aus der EZB, der BIS, der OECD und weiteren Institutionen über strategische Anforderungen an Zentralbanken. Hierbei ging es um die Rolle menschlicher Expertise über Governance-Fragen bis hin zur internationalen Koordination in einem zunehmend datengetriebenen Umfeld.

Jens Ulbrich, Leiter des Zentralbereiches Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank, dankte in seinen Abschlussworten den Teilnehmenden für den intensiven und konstruktiven Austausch. Der Dialog zwischen Forschung und Praxis sei ein entscheidender Baustein, um die geldpolitischen Institutionen auf die technologischen Herausforderungen der kommenden Jahre vorzubereiten.