Weidmann: "Stabilität zu wahren ist eine Daueraufgabe"

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat davor gewarnt, das vorrangige Ziel des Eurosystems, die Wahrung der Preisstabilität, aufzuweichen. Dies könne am Ende die Unabhängigkeit einer Notenbank gefährden, sagte er. Die Unabhängigkeit sei für Notenbanken aber unabdingbar, um unbeirrt von politischer Einflussnahme das Ziel der Preisstabilität verfolgen zu können, so Weidmann vor rund 200 Gästen bei einer Veranstaltung zu Ehren des im Jahre 2014 verstorbenen ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl-Otto Pöhls.

Weidmann erinnerte an das Wirken Pöhls, der der Deutschen Bundesbank von 1980 bis 1991 als Präsident vorstand. Er habe seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht nur gewahrt, sondern zum Modell für das Statut der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde. Dieses Statut entwarfen die Chefs europäischer Notenbanken im Vorfeld der Europäischen Währungsunion unter Pöhls Vorsitz. Dem Maastrichter Vertrag, der im Jahre 1992 erstmals die Arbeit und Aufgaben der EZB festlegte, hing es als Protokoll an. Dass die Notenbankunabhängigkeit damals gewahrt wurde, habe Pöhl einmal als seine wichtigste persönliche Leistung bezeichnet, betonte Jens Weidmann.

Während seiner Amtszeit behauptete Pöhl die Unabhängigkeit der Bundesbank und die Preisstabilität der D-Mark gegen zahlreiche politische Widerstände. So beispielsweise Anfang der 1980er gegenüber dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, aus dessen Sicht sich die restriktive Geldpolitik der Bundesbank zu stark danach richtete, den Außenwert der D-Mark zu stärken. Pöhl blieb trotz politischer Einwände der Politik des teuren und knappen Geldes treu und richtete den Kurs der Bundesbank weiterhin an der Geldwertstabilität der Deutschen Mark aus. Tatsächlich blieb die Deutsche Mark eine über Jahre hinweg stabile Währung.

Unabhängigkeit der Notenbank nicht in Frage stellen

"Die Bundesrepublik hat einer erfolgreichen Stabilitätspolitik so viel zu verdanken [...] dass es töricht wäre, diese Politik um anderer Zielsetzungen willen aufzugeben oder auch nur zu relativieren. Das gilt auch für das zweifellos wichtige politische Ziel: die Schaffung einer europäischen Währung, ausgegeben und in ihrem Wert garantiert von einer Europäischen Zentralbank", zitierte Weidmann aus einer Rede Pöhls aus dem 1988. Pöhl habe der europäischen Integration durchaus offen gegenübergestanden, sagte Weidmann. Doch sei er kein glühender Verfechter der gemeinsamen Währung gewesen. "Und das nicht, weil er den Machtverlust der Bundesbank fürchtete, sondern weil er Sorge um die Stabilität der Währung hatte", sagte Weidmann.

Seiner Ansicht nach hat beides, die Bedeutung der Unabhängigkeit und der Vorrang der Preisstabilität, bis heute nicht an Aktualität verloren: Eine nicht allein auf das Ziel der Preisstabilität konzentrierte Politik der Notenbank, die versuche, auch die negativen Wirkungen von Strukturproblemen auszugleichen, bringe am Ende andere Politikbereiche dazu, eigene Anstrengungen zu reduzieren, gab Weidmann zu bedenken. Damit widersprach er Kommentatoren wie dem Ökonomen Joseph Stiglitz, die die Unabhängigkeit der Notenbank in jüngerer Zeit in Frage gestellt hatten. Ein geringeres Maß an Notenbankunabhängigkeit könne aber zu einer geringeren gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt führen, sagte Weidmann. Schließlich könne letztlich nicht die Notenbank, sondern nur die allgemeine Politik in Form von wachstumsfreundlichen Strukturreformen und nachhaltige Staatsfinanzen die Grundlage für dauerhaftes Wachstum legen.

Diese Nähe wird mit Staatsanleihenkäufen gefördert

Vor diesem Hintergrund bereite ihm gegenwärtig eine zu große Nähe von Geldpolitik und Fiskalpolitik grundsätzlich Sorge, sagte Weidmann. "Diese Nähe wird gerade mit Staatsanleihenkäufen gefördert, denn mit diesen Käufen werden die Notenbanken zum größten Gläubiger der Staaten", so der Bundesbankpräsident. Angesichts hoher Schuldenstände und einem offenbar nachlassenden Konsolidierungswillen einiger europäischer Länder dürfte es später nicht leicht fallen, aus der gegenwärtigen Politik des sehr lockeren Geldes wieder auszusteigen. "Es besteht die Gefahr, dass sich die Finanzminister mancher Länder daran gewöhnen, dass die hohen Staatsschulden kaum mit besonderen Belastungen verbunden sind", erklärte Weidmann.

Um zu verhindern, dass die Geldpolitik in Krisenzeiten immer wieder in die Rolle des Ausputzers gedrängt werde, sind Weidmann zufolge neben einer engen Auslegung des Mandats der Preisstabilität auch Vorkehrungen notwendig, die für ein stabiles Finanzsystem, solide Staatsfinanzen und wettbewerbsfähige Volkswirtschaften sorgen. Der Erfolg der Geldpolitik hänge eben auch von solchen Faktoren ab, über die die Notenbank keine Kontrolle habe, wie zum Beispiel solide Staatsfinanzen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur. Um die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion besser zu überwachen, schlug der Bundesbankpräsident die Einrichtung einer unabhängigen europäischen Fiskalbehörde vor. Diese könne die bisherigen Aufgaben der EU-Kommission im Rahmen der Haushaltsüberwachung übernehmen. "Sie könnte eher in der Lage sein, eine objektive Überwachung und transparente und nachvollziehbare Analysen zu gewährleisten, die frei sind von der Berücksichtigung anderer politischer Ziele", so Weidmann.

Im Rahmen der ersten Karl-Otto Pöhl Lecture, kamen auch der langjährige Assistent Pöhls, Rüdiger von Rosen, und der frühere Vorsitzende des US-amerikanischen Zentralbanksystems Federal Reserve System (Fed), Paul Volcker, zu Wort. Diana Rutzka-Hascher, Präsidentin der Hauptverwaltung Hessen der Deutschen Bundesbank, sprach die Begrüßungsrede. Ihre Beiträge sehen Sie im Video.