3. Finanzplatzkonferenz: Impulse für Innovation und Wachstum
Deutschland brauche strukturelle Reformen, um seine Wachstumsschwäche zu überwinden, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel auf der 3. Finanzplatzkonferenz der Bundesbank vor rund 300 Gästen. Auf der Konferenz diskutierten Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Finanzsektor darüber, wie Deutschland und Europa ihre Zukunft finanzieren können. Im Fokus standen die Themen Innovation, Verteidigung und Altersvorsorge. Die europäischen Kapitalmärkte müssen daher laut Vizepräsidentin Sabine Mauderer besser zusammenarbeiten und grenzüberschreitende Investitionen erleichtern: Der Bedarf an privater Finanzierung ist so groß wie nie.
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fördern
In einem moderierten Gespräch mit Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, beschrieb Nagel, welche strukturellen Reformen es hierzulande brauche. Die Bundesregierung müsse ihm zufolge unter anderem das Arbeitsangebot erhöhen: Das gelinge zum Beispiel durch bessere Anreize und Möglichkeiten, mehr zu arbeiten sowie durch gezieltes Fördern arbeitsmarktorientierter Migration. Nagel zufolge brauche es Tempo bei den Reformen: Wir müssen in der Umsetzung viel, viel schneller werden. Wir sind in der Umsetzung zu schwach.
Gefragt nach dem Potenzial der Spar- und Investitionsunion (SIU) betonte Nagel, dass die Initiative helfe, Europas Kapitalmärkte zu vertiefen. Derzeit haben wir in Europa 27 unterschiedliche Aufsichten und Insolvenzrechte
, so der Bundesbankpräsident. Aus Sicht der Bundesbank sei ein entscheidender Punkt der SIU, die europäischen Aufsichtsstrukturen stärker zu harmonisieren und zu integrieren.
Souveränität durch digitalen Euro stärken
Heute laufen rund zwei Drittel aller Kartenzahlungen im Euroraum über nicht-europäische Anbieter wie Visa oder Mastercard – und damit meist über nordamerikanische Server
, betonte der Bundesbankpräsident. Das berge Risiken: Man stelle sich vor, wir werden von einem dieser Server abgeschnitten.
Europa verfüge derzeit über keine relevante, eigenständige Cloud-Infrastruktur für digitale Zahlungen. Durch den digitalen Euro würde sich Europa von nicht-europäischen Anbietern unabhängiger machen. Zudem würde er mehr Effizienz und geringere Kosten bringen, insbesondere im Handel.
Mauderer: „Mehr Kapitalmarktkultur wagen“
Um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu steigern, müsse es laut Vizepräsidentin Mauderer ausreichend Risikokapital in Europa geben. Start-Ups können ihr zufolge mit ihren neuen Ideen und Ansätzen selbst etablierte Wettbewerber unter Druck setzen. Aber gerade jungen und innovativen Unternehmen mangele es oft an Finanzierungsmöglichkeiten – oder das Geld komme aus den USA oder Asien. Europa braucht daher einen tiefen und liquiden Kapitalmarkt
, forderte sie.
Mehr Kapitalmarktkultur könne laut Mauderer auch dazu beitragen, den Druck auf das umlagebasierte Rentensystem aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu verringern. Das schwedische Umlagesystem sei ein gutes Beispiel. Dieses habe Schweden um kapitalgedeckte Elemente ergänzt. Der schwedische Weg hat die finanzielle Lage der Bevölkerung und den Leistungsumfang in der Altersvorsorge gestärkt
, so die Vizepräsidentin. Außerdem habe das Land mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern in den letzten zehn Jahren 492 Börsengänge hervorgebracht, Deutschland hingegen mit 84 Millionen Einwohnern nur 104. Mauderer begrüßte, dass die Bundesregierung derzeit prüfe, wie Teile der Altersvorsorge kapitalmarktgedeckt gestaltet werden können.
Sicherheit als wirtschaftliche Notwendigkeit
Investoren erwarten nicht nur attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Investoren erwarten den Schutz ihrer Investitionen, einschließlich militärischer Sicherheit
, betonte Mauderer. Der Ausbau der Verteidigungsfähigkeit sei daher sicherheitspolitisch und wirtschaftlich notwendig: Nur wer wirtschaftlich stark ist, kann sich selbst verteidigen. Und nur wer wehrhaft ist, kann auch wirtschaftlich stark sein.
Vor diesem Hintergrund sei es wichtig zu klären, wie die Verteidigungsfähigkeit finanziert werden könne.
Austausch über Verteidigung, Altersvorsorge und Wachstum
Um die Themen Verteidigung, Altersvorsorge und Wachstum ging es auch in Panels während der Veranstaltung. Zum einen diskutierten die Referierenden, was passieren müsse, damit der angedachte Finanzierungsschub die europäische Verteidigungsfähigkeit wirksam erhöhe. Außerdem gingen sie der Frage nach, inwiefern ein militärisch stärkeres Europa den Kontinent auch innovativer machen könnte.
Zum anderen thematisierten die Vortragenden, ob ein stärkerer Fokus auf den Kapitalmarkt das deutsche Rentensystem stabilisieren könnte. Dabei bewerteten sie im Ländervergleich, inwiefern eine höhere finanzielle Bildung dazu beitragen könne, dass private Haushalte sich stärker selbst am Kapitalmarkt beteiligten. Moderiert wurde die Veranstaltung durch die Journalistin Melinda Crane-Roehrs.