Wie die Schuldenbremse reformiert werden könnte: Fragen und Antworten zum Diskussionsbeitrag

1 Warum beteiligt sich die Bundesbank an der Reform-Diskussion zu Fiskalregeln?

Solide Staatsfinanzen sind eine wichtige Voraussetzung für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik. Fiskalregeln sollen wiederum einen wesentlichen Beitrag zu soliden Staatsfinanzen leisten. Deswegen hat die Bundesbank ein besonderes Interesse an Fiskalregeln. Sie nimmt daher regelmäßig dazu Stellung, wie diese auf nationaler und europäischer Ebene funktionieren und weiterentwickelt werden können. 

Zuletzt hatte die Bundesbank im März 2025 einen Reformvorschlag für die Schuldenbremse vorgelegt. Der neue überarbeitete Vorschlag trägt den aktuellen Regelungen und Herausforderungen konkret Rechnung. Er enthält nun drei Stufen. Die erste Stufe mit den geltenden Kreditgrenzen, die zweite Stufe ist eine Übergangsphase (ein Anpassungszeitraum). Die dritte Stufe ist die Zielzone: In dieser Stufe ist die Schuldenbremse grundlegend neu aufgestellt. Dazu hat die Bundesbank den Reformvorschlag vom März moderat weiterentwickelt.

2 Muss der aktuelle Fiskalrahmen in Deutschland denn schon wieder reformiert werden – er wurde doch gerade erst geändert?

Angesichts der großen Herausforderungen bei Verteidigung und Infrastruktur wurden die Fiskalregeln im März ad hoc neugestaltet. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sind umfangreichere Verschuldungsmöglichkeiten für eine Weile angemessen. Allerdings sind die neuen Regeln im weiteren Verlauf nicht mehr im Einklang mit den EU-Regeln. Zudem sichern sie solide Staatsfinanzen nicht mehr hinreichend ab. Deswegen hält die Bundesbank eine Reform für wichtig.

3 Welche wesentlichen Ziele verfolgt der Vorschlag?

Im Wesentlichen geht es darum, solide Staatsfinanzen in Deutschland abzusichern und einen nationalen Rahmen zu schaffen, der im Grundsatz kompatibel mit den EU-Regeln ist. Der Vorschlag setzt auf den bekannten und praktizierten nationalen Regeln auf und entwickelt diese weiter. Er ermöglicht vorübergehend höhere Defizite zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bei Verteidigung und Infrastruktur. Er sieht eine Übergangsphase vor, in der die Staatsfinanzen konsolidiert werden, um wieder eine solide Grundposition zu erreichen. Die vorgeschlagenen Konsolidierungsschritte sind nicht unambitioniert, aber sie vermeiden ein abruptes Umsteuern. In der Zielzone sind solide Staatsfinanzen abgesichert, und es wird den EU-Regeln Rechnung getragen. Investitionsausgaben werden besonders behandelt, was eine gute Infrastruktur besser gewährleisten soll als bislang. Die konkrete Ausgestaltung zielt darauf ab, eine relativ stetige Haushaltspolitik zu ermöglichen.

4 Wie kommt die Bundesbank auf die konkreten Parameter – warum nicht lockerer, warum nicht ambitionierter?

Die Bundesbank macht einen Vorschlag mit konkreten Parametern. Ihrer Ansicht nach ist er in der Form gut geeignet, die zuvor benannten Ziele zu erreichen. Natürlich lässt sich darüber diskutieren, wie die einzelnen Parameter gewählt und kombiniert werden. Auf mögliche andere Ausgestaltungen weist die Bundesbank auch in ihrem Vorschlag hin. Letztlich ist es am Gesetzgeber, Vor- und Nachteile verschiedener Ausprägungen abzuwägen und eine konkrete Fiskalregel zu bestimmen. 

Bei einer lockereren Ausgestaltung steigt das Risiko, dass die Schuldenquote nicht Richtung 60 % sinkt. Dann droht auch, dass die deutschen Regeln ins Leere laufen, weil die EU-Regeln potenziell regelmäßig ambitionierter ausfallen. Solide Staatsfinanzen sind dann durch die nationalen Regeln weniger oder nicht mehr gut abgesichert.

Mit einer ambitionierteren Ausgestaltung würden die Konsolidierungsanforderungen erhöht und dafür die Schuldenquote zügiger gesenkt werden. Wenn dies politisch erwünscht ist, spricht aus Sicht der Bundesbank grundsätzlich nichts dagegen. Die endgültige Ausgestaltung liegt in politischer Verantwortung. 

Die Bundesbank hält ihren Vorschlag aber für ausgewogen und für stabilitätspolitisch gut vertretbar. Und eine möglichst breite Akzeptanz für eine Änderung der geltenden Regeln ist wichtig, weil die aktuell geltenden Kreditgrenzen keine geeigneten fiskalischen Leitplanken mehr setzen. 

5 Sollte das Grundgesetz noch einmal geändert werden?

Es ist aus Sicht der Bundesbank wichtig, die wesentlichen Elemente einer Fiskalregel im Grundgesetz festzulegen. Dadurch ist die Regel rechtlich stärker verankert, besser durchsetzbar und glaubwürdiger. Das schafft Vertrauen in solide Staatsfinanzen und erleichtert unter anderem, die Schulden zu günstigen Konditionen an den Kapitalmärkten aufzunehmen. 

Die Bundesbank hält die aktuellen Regeln im Grundgesetz nicht für geeignet, um solide Staatsfinanzen verlässlich abzusichern. Insbesondere zeitlich und volumenmäßig unbegrenzte Verschuldungsmöglichkeiten für Verteidigung stehen dem entgegen. Die Bundesbank empfiehlt, die Ausgabenschwelle (derzeit 1 % des BIP) in geeigneten Stufen zu erhöhen und schließlich diese Ausnahme ganz entfallen zu lassen. Gleichzeitig sollten die grundlegenden Vorgaben und Intentionen von geeigneten Regeln im Grundgesetz verankert werden. Konkretere, detailliertere Ausgestaltungsaspekte wären dann niederschwelliger, d. h. in einem einfachen Bundesgesetz, rechtlich zu verankern.

6 Wozu brauchen wir nationale Fiskalregeln, wenn wir EU-Fiskalregeln haben?

Die EU-Regeln sollen solide Staatsfinanzen in den Mitgliedstaaten des Euroraums sichern. Sie sind insgesamt sehr komplex, auch mit Blick auf die konkrete Umsetzung. Sie machen nur Vorgaben für den Gesamtstaat, nicht für einzelne staatliche Ebenen. 

Nationale Fiskalregeln mit Verfassungsrang und klaren Kreditgrenzen für die einzelnen Gebietskörperschaften sichern solide Staatsfinanzen direkt über nationales Recht. Es sind auch Verfahren vor den nationalen Verfassungsgerichten möglich, um die Einhaltung der Regeln überprüfen zu lassen. Dieser Rahmen bindet nationale Regierungen und Parlamente, die verantwortlich für die Finanzpolitik sind. Nationale Regeln sind in Deutschland etabliert und knüpfen an die Systematik der Haushaltsplanungen und -ausweise an. 

Eigene nationale Kreditgrenzen sind deshalb gut begründet. Sie würden allerdings ins Leere laufen, wenn sie regelmäßig mehr Spielräume ließen als die Grenzen, die aus den EU-Regeln hervorgehenden. Deswegen orientiert sich der Vorschlag mit seinen Kreditgrenzen auch an den EU-Regeln. 

7 Ist es sinnvoll, sich an den aktuellen EU-Regeln zu orientieren, obwohl diese aus verschiedenen Richtungen kritisiert werden?

Aus den EU-Regeln können durchaus geeignete Haushaltsgrenzen abgeleitet werden, um solide Staatsfinanzen abzusichern. Die EU-Regeln sind in der europäischen Gesetzgebung und im EU-Vertrag verankert. Sie sind deshalb auch für Deutschland bindend. Dies gilt etwa für die 60 %-Grenze der Schuldenquote. Der Vorschlag der Bundesbank orientiert sich an soliden Staatsfinanzen und den EU-Regeln − und insbesondere an diesem 60 %-Anker. 

8 Ist es sinnvoll, sich an die EU-Regeln zu binden, deren tatsächliche Haushaltsgrenzen im Vorhinein nicht genau bestimmbar sind?

Die EU-Regeln sind sehr komplex. Weder exakte numerische Ziele für den Saldo noch die genaue laufende Umsetzung der Regeln sind vorab im Detail absehbar. Es existieren Verhandlungs- und Auslegungsspielräume, die die Bindungswirkung einschränken können.

Gleichwohl ist es möglich, quantitative Zielwerte aus den EU-Regeln abzuleiten – insbesondere eine solide Grundposition auf Basis üblicher makroökonomischer Annahmen. Ist die solide Grundposition erreicht, sinkt eine Schuldenquote mit großer Wahrscheinlichkeit Richtung 60 % bzw. steigt nicht darüber. Das im Vorschlag abgeleitete Haushaltsziel entspricht dem Sinne und der Methode der EU-Regeln.

Die Bundesbank ermittelt anlehnend an die EU-Regeln Orientierungspunkte für eine konkrete Ausgestaltung der Reform der Schuldenbremse. Der Vorschlag soll solide Staatsfinanzen absichern und im Grundsatz im Einklang mit einer stringenten Interpretation der EU-Regeln stehen. Zugleich knüpft der Vorschlag am bestehenden nationalen Fiskal-Rahmenwerk an und bleibt relativ transparent und gut nachvollziehbar. 

9 Wie lässt sich sicherstellen, dass die EU-Regeln eingehalten werden, wenn sie ambitionierter ausfallen als die nationalen Regeln?

Die nationale Haushaltsüberwachung ist in Deutschland dem Stabilitätsrat zugewiesen, den dabei ein unabhängiger Beirat unterstützt. Diese Gremien prüfen, ob Deutschland die EU-Vorgaben einhält. Der Stabilitätsrat hat gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen vorzuschlagen. Diese laufende Überwachung ist umso bedeutsamer, je weniger Sicherheitsabstand die nationalen Fiskalregeln zu den EU-Regeln schaffen. Der Bundesbank-Vorschlag für die reformierte Schuldenbremse orientiert sich an den EU-Regeln. Diese könnten aber mitunter durchaus strenger ausfallen, als es die nationalen Regeln vorsehen. In diesem Fall würden die EU-Regeln aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts vorgehen, und der Stabilitätsrat hätte eine ambitioniertere fiskalische Ausrichtung anzumahnen.

Gleichzeitig sollte die bisherige Überwachung durch den Stabilitätsrat verbessert werden, auch unabhängig von dem hier vorgestellten Reformvorschlag. So haben etwa die Bundesbank und der unabhängige Beirat des Stabilitätsrats Vorschläge unterbreitet, wie die Entwicklung der Staatsfinanzen wirksamer überwacht werden könnte. Dabei wäre nicht zuletzt die Transparenz der Bundes- und Länderfinanzen zu erhöhen.

10 Die EU-Regeln sehen für die Fiskalpläne Ausgabengrenzen vor, während der Bundesbank-Vorschlag Kreditgrenzen enthält. Wie passt dies zusammen?

Die EU-Vorgaben zu den Ausgabengrenzen für die kommenden Jahre werden aus Defizitzielen abgeleitet. Diese Defizitziele resultieren unter anderem aus Tragfähigkeitsanalysen, die den Schuldenquoten-Anker von 60 % beinhalten. Es wird dann ein mehrjähriger Fiskalplan vereinbart, mit dem die Defizitziele erreicht werden sollen. Dieser Plan enthält dafür nötige Ausgabenobergrenzen. In der europäischen Haushaltsüberwachung wird dann geprüft, ob diese Ausgabengrenzen eingehalten werden.

Das Einhalten dieser Ausgabengrenzen ist im deutschen Föderalstaat aber nicht ohne weiteres abgesichert und absicherbar. Deshalb stützt sich der Bundesbank-Vorschlag auf etablierte Kreditgrenzen. Diese sind so aufgesetzt, dass sie die Defizitziele gewährleisten sollten, die mit der europäischen Analysemethode ermittelt werden. Sollten die europäischen Vorgaben in einzelnen Jahren enger ausfallen, wären die Haushaltsplanungen entsprechend ambitionierter aufzustellen.

11 Ist die 60 %-Grenze für die Schuldenquote nicht arbiträr? Gibt es nicht bessere Ansatzpunkte, um solide Staatsfinanzen abzusichern?

Es gibt zwar keine allgemeingültige Herangehensweise, um die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen über spezielle Indikatoren und genaue Grenzwerte zu ermitteln. Es ist aber weitgehend unstrittig, dass hohe Schuldenquoten mit Problemen behaftet sind. Sie schränken fiskalische Handlungsspielräume ein, erzeugen Unsicherheit, nicht zuletzt an den Kapitalmärkten, und haben weitere gesamtwirtschaftliche Kosten. Letztlich kommt es bei Fiskalregeln auf ausreichend ambitionierte Grenzen an, die Vertrauen in tragfähige Staatsfinanzen schaffen.

Die 60 %-Grenze als Anker ist hierfür durchaus geeignet. Damit dürfte ein hinreichender Sicherheitsabstand zu einer Belastungsgrenze für den Schuldendienst bestehen. Nicht alle Verschuldungsspielräume ausgeschöpft zu haben, ist weniger problematisch als eine Schuldenquote über einem kritischen Wert. 

Die 60 %-Grenze ist aus diesen Gründen im EU-Vertrag verankert, und sie ist damit auch für Deutschland bindend. Hinsichtlich der fiskalischen Entwicklung kommt Deutschland als größtem Land des Euroraums auch eine herausgehobene Bedeutung als fiskalischer Anker zu.

12 Wann sinkt die Schuldenquote gemäß dem Vorschlag unter 60 %?

Werden die vorgeschlagenen Kreditgrenzen eingehalten, hängt der Rückgang der Schuldenquote unter anderem davon ab, wie stark das nominale BIP (im Nenner der Quote) künftig wächst. Daneben können noch andere Einflüsse die Schuldenquote verändern. Dies ist etwa bei finanziellen Transaktionen der Fall (z. B. Erwerb oder Verkauf von Finanzvermögen durch den Staat): Sie zählen nicht zur strukturellen Kreditaufnahme, aber verändern die Verschuldung. 

Gemäß dem Bundesbank-Vorschlag gilt ab 2036 die Kreditgrenze von 1 % des BIP pro Jahr. Unter den getroffenen Annahmen beträgt die Schuldenquote 2036 dann 72 %. Bleibt das nominale BIP-Wachstum anhaltend bei gut 2½ %, so liegt die Schuldenquote bei einer vereinfachten Fortschreibung erstmals Mitte der 2050er Jahre unter 60 %. 

Aufgrund von günstigeren oder ungünstigeren Entwicklungen kann die Schuldenquote auch einige Jahre früher oder später unter die 60 %-Grenze fallen. Ausreichend ambitioniert sind aus Sicht der Bundesbank Kreditgrenzen, die gewährleisten, dass sich die Schuldenquote dem Referenzwert mit hoher Wahrscheinlichkeit verlässlich annähert. Die Bundesbank geht davon aus, dass dies mit dem Vorschlag gelingt, und hält ihn deshalb für geeignet. Mit etwas weniger ambitionierten Grenzen in der Anpassungszeit würde die Schuldenquote langsamer sinken. Mit weniger ambitionierten Grenzen in der Zielzone droht, dass die 60 %-Grenze nicht erreicht wird. Wenn es umgekehrt für nötig angesehen wird, dass die Schuldenquote zügiger sinkt, wären geringere strukturelle Defizite in den ersten beiden Stufen und/oder ein ambitionierterer Wert dafür in der Zielzone zu wählen. 

13 Spielen bei der Entwicklung der Schuldenquote nicht auch andere Einflüsse als die Defizite (im Zähler) und das nominale BIP (im Nenner) eine Rolle?

Ja. Die Veränderung der Verschuldung kann von den strukturellen Defiziten abweichen. Wenn der Bund beispielsweise Beteiligungen erwirbt oder veräußert (finanzielle Transaktionen), wird dies nicht auf das Defizit angerechnet, auf das die EU-Regeln abzielen. Die dafür erfolgte Neuverschuldung (bei Erwerb) oder deren Abbau (bei Veräußerung) schlägt sich aber in der Schuldenquote nieder – sogenannte Deficit Debt Adjustments (DDA). Auch konjunkturelle Einflüsse spielen eine Rolle.

Die Bundesbank-Berechnungen gehen (wie in der Regel die Vorausberechnungen im Rahmen der EU-Regeln) davon aus, dass per saldo keine DDA auftreten und sich konjunkturelle Einflüsse im Zeitverlauf ausgleichen. In einzelnen Jahren werden diese Annahmen sicherlich nicht zutreffen. 

14 Sollte der Bund seine Defizite nicht von vorneherein stärker begrenzen und früher mit der Konsolidierung beginnen?

Der Bundesbank-Vorschlag sieht vor, bis 2029 die bestehenden Kreditgrenzen unverändert zu lassen. Dies ist im Einklang mit dem vereinbarten fiskalisch-strukturellen Plan der EU-Regeln.[1]

Der Bundeshaushalt steht gleichwohl unter Druck, auch weil neue defiziterhöhende Maßnahmen beschlossen wurden oder geplant sind. So enthält die bis 2029 reichende Finanzplanung des Bundes ab 2027 hohe und wachsende Handlungsbedarfe, um die Schuldenbremse einzuhalten. Die Haushaltslücke erfordert beträchtliche Maßnahmen, um sie zu schließen. 

Zudem empfiehlt die Bundesbank, die neuen Kreditspielräume stringenter für zusätzliche Verteidigungsausgaben und zusätzliche Infrastrukturinvestitionen zu reservieren. Dies begrenzt Haushaltsspielräume für anderes und macht es nötig, stärker Prioritäten zu setzen. 

Ab 2030 setzt im Bundesbank-Vorschlag dann die Übergangsphase mit einem kontinuierlichen spürbaren Defizitabbau ein.

15 Ist der Vorschlag nicht zu unambitioniert, weil er deutlich höhere Defizite vorsieht als die vormalige Schuldenbremse?

Die vormalige Schuldenbremse zielte im Grunde darauf, das strukturelle Defizit gesamtstaatlich auf das damalige EU-Ziel von 0,5 % des BIP zu beschränken. Mit der Kreditgrenze von 0,35 % des BIP für den Bund und ohne strukturellen Spielraum für die Länder sollte das EU-Ziel abgesichert werden. Die zusätzlichen Kreditspielräume des Sondervermögens Bundeswehr ab 2022 waren bereits eine begrenzte Lockerung. Die EU-Regeln wurden 2024 geändert, und das 0,5 %-Ziel gilt seitdem nicht mehr. 

Mit der vormaligen Schuldenbremse wäre die Schuldenquote längerfristig wohl deutlich unter 60 % gesunken. Die Bundesbank hat bereits zuvor (zuletzt in ihrem Vorschlag vom März 2025, aber auch schon im April 2022) eine demgegenüber moderat gelockerte Schuldenregel vorgeschlagen. So lässt sich eine Schuldenquote unterhalb des Referenzwerts von 60 % auch mit moderat höheren Defiziten stabilisieren, als sie die alte Schuldenbremse zuließ. Dies scheint im Hinblick auf solide Staatsfinanzen vertretbar. 

16 Ist der Vorschlag nicht zu ambitioniert, weil er so niedrige Werte für die längerfristig vorgeschlagenen Kreditgrenzen vorsieht?

Die Kreditgrenze in der Zielzone ist so gewählt, dass sich eine Schuldenquote von über 60 % mit relativ großer Sicherheit und im Sinne der EU-Regeln angemessen dem Referenzwert annähert. Liegt die Schuldenquote unter 60 %, sieht der Vorschlag ein Defizit vor, das ausreicht, um die Schuldenquote darunter zu halten. Bei jeweils spürbar weniger ambitionierten Werten würden diese angestrebten Schuldenentwicklungen wohl verfehlt.

17 Brauchen wir nicht insgesamt einen längeren Zeitraum mit höheren Defizitmöglichkeiten, um die großen Herausforderungen bei Verteidigung und Infrastruktur zu bewältigen? 

Die gegenwärtigen Regeln erlauben für diese Herausforderungen stark ausgeweitete staatliche Defizite. Aber selbst für unabdingbare Verteidigungsausgaben sind hohe Defizite nur für eine begrenzte Übergangszeit tragfähig. Das heißt nicht, dass diese Verteidigungsausgaben unterbleiben sollen. Solche strukturellen Mehrbedarfe sind aber grundsätzlich aus laufenden Einnahmen zu finanzieren. Je langsamer oder später erhöhte Defizite zurückgeführt werden, umso mehr steigt der Anpassungsdruck in den staatlichen Haushalten. Die Zinsbelastungen nehmen zu. 

Der Bundesbank-Vorschlag orientiert sich auch an Anforderungen aus den EU-Regeln. Die EU-Regeln sehen außerhalb von Ausnahmesituationen vor, Defizit- und Schuldenquoten oberhalb der Referenzwerte von 3 % und 60 % schrittweise zurückzuführen. Dafür sind strukturelle Defizitquoten zu begrenzen. Die vorgeschlagenen Konsolidierungsschritte sind in Einklang mit diesen EU-Regeln und scheinen angemessen. 

Mit den EU-Regeln scheint es schwer vereinbar, später als 2030 mit dem Abbau des planmäßig hohen Defizits zu beginnen und ein spürbar weniger ambitioniertes Ziel anzustreben. Der aktuelle finanzpolitisch-strukturelle Plan läuft bis 2029. So ist spätestens für die Jahre ab 2030 ein neuer Plan zu vereinbaren. Hierfür wäre dann die nach der Bundestagswahl 2029 neu zu bildende Regierung verantwortlich. Aus heutiger Sicht wird 2029 zudem die EU-Verteidigungsausnahme ausgelaufen sein. Diese erstreckt sich derzeit bis 2028, wobei die Bundesregierung offenbar von einer Verlängerung um ein Jahr ausgeht. 

Aus heutiger Sicht wären Konsolidierungsschritte von weniger als ½ % des BIP kaum mit den EU-Anforderungen kompatibel. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Deutschland in einem Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits ist. Das Verfahren ist zu erwarten, weil die Defizitquoten deutlich über 3 % liegen dürften (auch nach dem Ende der EU-Ausnahme für Verteidigung).

18 Könnte in der Übergangsphase die Höhe der jährlichen Konsolidierung anders festgelegt werden?

Die Übergangsphase ließe sich auch anders ausgestalten. Zu beachten ist aber: Der Vorschlag orientiert sich an den EU-Regeln. Aus Sicht der Bundesbank sind die Schritte zudem unabhängig davon angemessen. Damit ist eine spürbare Konsolidierung verbunden. Größere Schritte sind möglich. Bei kleineren Schritten ist zu bedenken, dass damit wachsende Konflikte mit den EU-Vorgaben angelegt scheinen. 

19 Wie kommen die 1 % und 1½ % für die Kreditgrenze in der Zielzone zustande?

Die Kreditgrenzen ergeben sich aus dem Zusammenspiel des 60 %-Ankers für die Schuldenquote mit den getroffenen Annahmen zum Wachstum des nominalen BIP: Wird davon ausgegangen, dass das nominale BIP mit etwa 2½ % wächst, sollte eine Kreditgrenze von 1 % gewährleisten, dass sich höhere Schuldenquoten mit einer großen Wahrscheinlichkeit dem Ankerwert annähern (in etwa im Einklang mit den EU-Regeln). Bei Schuldenquoten unter 60 % sollte eine Kreditgrenze von etwa 1½ % die Schuldenquote unter der 60 %-Grenze halten. Die vorgeschlagenen Kreditgrenzen korrespondieren auch mit der Anforderung in den EU-Regeln, dass die Defizitgrenze von 3 % mit einem gewissen Sicherheitsabstand (Resilienzmarge) unterschritten wird. 

20 Sollten die Kreditgrenzen in der Zielzone angepasst werden, wenn sich das Potenzial-BIP ändert?

Die Berechnungen des Reformvorschlags basieren auf Parametern, die im derzeitigen Prognosespektrum liegen (Inflation: rund 2 %, reales Potenzialwachstum: rund ½ %). Konkret wurde für das BIP-Potenzialwachstum ab 2028 eine nominale Rate von 2,6 % unterstellt (2 % BIP-Deflator und 0,6 % reales Potenzialwachstum). Das reale Potenzialwachstum ist der jüngsten Schätzung der Bundesregierung vom 8. Oktober 2025 für die Jahre ab 2029 entnommen. Die Bundesregierung verwendet ihre Potenzialschätzungen auch im Zusammenhang mit der Schuldenbremse (etwa bei der Haushaltsplanung) und im europäischen Semester (zuletzt die Schätzung vom Frühjahr in der Deutschen Haushaltsplanung 2026). Die Potenzialschätzung der Bundesregierung vom Oktober 2025 wird von der Gemeinschaftsdiagnose unabhängig begutachtet und als im plausiblen Rahmen angesehen. Aktuell liegt die Schätzung der Bundesregierung etwas oberhalb von ½ %, die Schätzungen etwa der Bundesbank, des SVR und der Gemeinschaftsdiagnose etwas darunter.

Liegt das Potenzialwachstum tatsächlich höher, würde die Schuldenquote bei gleichbleibender Kreditgrenze schneller sinken und sich auf einem niedrigeren Niveau stabilisieren. Sollte es beispielsweise gelingen, den nominalen Potenzialwachstumspfad spürbar von 2½ % auf 3 % zu heben und würde dabei das gleiche Ziel für die Schuldenquote angestrebt (60 %-Anker), stiege der Kreditspielraum unter sonst gleichen Bedingungen um ¼ % des BIP pro Jahr. Bei unveränderter Kreditgrenze würde die Schuldenquote aber auch mit diesem höheren Wachstum erst Ende der 2040er Jahre unter 60 % fallen. 

Sollte sich das Potenzialwachstum dagegen als spürbar niedriger erweisen als in den Berechnungen angesetzt, dürften die EU-Vorgaben tendenziell enger sein als die vorgeschlagenen nationalen Grenzen. Das Ziel, die Schuldenquote am Wert von 60 % zu verankern, drohte dann verfehlt zu werden. Das spräche dann dafür, die Kreditgrenzen der nationalen Regeln niedriger anzusetzen. 

Vor diesem Hintergrund regt die Bundesbank in ihrem Vorschlag an, die Kreditgrenzen regelgebunden zu validieren. Es könnte in regelmäßigen Abständen geprüft werden, ob die zugrunde gelegten Annahmen noch angemessen sind und die Grenzwerte für die Kreditaufnahme noch geeignet sind, solide Staatsfinanzen abzusichern und die EU-Regeln einzuhalten: Im Ergebnis wären die Grenzen bei schwächerem Potenzialwachstum niedriger anzusetzen, bei stärkerem Potenzialwachstum könnten sie auch entsprechend angehoben werden. Es erscheint sinnvoll, solche Überprüfungen von Dritten vorzunehmen oder testieren zu lassen. Es wäre dann die Aufgabe des Gesetzgebers, abzuwägen und gegebenenfalls eine Regeländerung umzusetzen.

21 Warum soll die Bereichsausnahme Verteidigung auslaufen, auch wenn die Verteidigungsausgaben wohl längerfristig hoch bleiben? 

Aufgrund der großen kurzfristigen Herausforderungen und Mehrbedarfe bei der Verteidigung erscheint es nachvollziehbar, hier in einer Übergangsphase Kreditspielräume zu eröffnen. Längerfristig ist eine umfangreiche und potenziell unbegrenzte Kreditfinanzierung von Verteidigungsausgaben nicht mit soliden Staatsfinanzen vereinbar. 

Verteidigungsfähigkeit und solide Staatsfinanzen sind kein Widerspruch. Dauerhaft hohe Verteidigungsausgaben sind dann aber letztlich innerhalb bindender, angemessener Kreditgrenzen zu finanzieren. Dementsprechend schlägt die Bundesbank vor, sie zunehmend im Rahmen des regulären Haushalts gegenzufinanzieren (sei es durch höhere Einnahmen oder den Wegfall weniger prioritärer Ausgaben). Auch aus ökonomischer Perspektive gehören äußere wie innere Sicherheit zur laufenden staatlichen Grundversorgung, wie etwa auch Bildungs- und Gesundheitsleistungen.

Der Bundesbank-Vorschlag sieht im Grundsatz für staatliche Sachinvestitionen eine Verschuldungsmöglichkeit bis zu 0,8 % des BIP vor. Die Bundesbank schlägt vor, die Ausgaben pragmatisch anhand der diesbezüglichen Haushaltskategorien abzugrenzen. Es bliebe politisch zu entscheiden, ob diese investive Verschuldungsmöglichkeit etwa auch teils militärische Investitionen (nach den Haushaltskategorien keine Sachinvestitionen) umfassen soll. 

Abgesehen davon verringert die aktuelle Bereichsausnahme für Verteidigung und Sicherheit die Transparenz der Bundesfinanzen.[2] Zudem droht Gefahr für die Bindungswirkung der Schuldenbremse. Der Gesetzgeber könnte beispielsweise immer mehr Ausgaben in den begünstigen Bereich verlagern, ohne dass die Kriterien dafür gut nachvollziehbar sind. 

22 Warum sieht der Bundesbank-Vorschlag 0,8 % des BIP als Kreditmöglichkeit für Investitionsausgaben vor?

Mit dem Wert von 0,8 % des BIP orientiert sich der Vorschlag grob an jahresbezogenen Kreditspielräumen des Sondervermögens Infrastruktur/Klimaneutralität. Die Kreditmittel des Sondervermögens, werden dabei bis zum Endjahr der Übergangsphase (2035) in Relation zum BIP gleichmäßig verteilt. Beim Bundesbank-Vorschlag ist zudem eine Zusätzlichkeit der diesbezüglichen (nicht-militärischen) Sachinvestitionen gegenüber dem Jahr 2024 vorgesehen. Dies stabilisiert die staatliche Investitionsquote auf einem spürbar höheren Niveau als in den letzten Jahrzehnten und sollte eine verbesserte Infrastrukturausstattung ermöglichen. Wenn ein höherer oder niedrigerer Kreditspielraum für Investitionsausgaben gewählt würde, müsste dies dann zusammen mit dem frei verfügbaren Kreditspielraum von Bund und Ländern so austariert sein, dass die EU-Regeln eingehalten werden.

23 Sollten die Investitionsausgaben nicht besser unbegrenzt kreditfinanziert werden können?

Eine Option zur unbegrenzten Kreditfinanzierung ist nicht geeignet, solide Staatsfinanzen und die EU-Regeln abzusichern. Deswegen spricht sich die Bundesbank explizit für eine nach oben begrenzte Kreditmöglichkeit für Investitionen aus („gekappte goldene Regel“). Durch die begrenzten investiven Kreditmöglichkeiten sind im Vorschlag gleichzeitig die gesamten Defizite nach oben begrenzt. 

Die „goldene Regel der Finanzpolitik“ hat zwar den Vorteil, komplementär zum Schuldenanstieg einen Aufbau von Vermögen zu forcieren. Allerdings sind mit einer solchen Regel, die an den Nettoinvestitionen anknüpft, auch Probleme verbunden. Diese betreffen unter anderem die Abgrenzung der Investitionen, die Bemessung von Abschreibungen bei Planung und Abrechnung sowie eine potenzielle Gefährdung solider Staatsfinanzen durch unbegrenzte Kreditfinanzierung. Die Bundesbank schlägt daher eine pragmatische Ausgestaltung des Investitionsbegriffs und der Zusätzlichkeit vor. Durch die nach oben begrenzte Kreditmöglichkeit für Investitionen (gekappte goldene Regel) wird zudem vermieden, dass die Solidität der Staatsfinanzen gefährdet wird.

24 Wie lassen sich zusätzliche Investitionen im Rahmen der Kreditobergrenze für Investitionen abgrenzen?

Der Vorschlag geht hier pragmatisch vor: Vergleichsbasis sind die infrastrukturnahen Investitionen in haushaltsmäßiger Abgrenzung im Ergebnis des Jahres 2024. Diese Abgrenzung erscheint sinnvoll, um die Zusätzlichkeit abzusichern und um auf die Infrastruktur zu fokussieren. Wichtig ist, die Anforderungen an die Zusätzlichkeit nicht zu niedrig festzulegen oder einen sehr breiten Investitionsbegriff zu wählen. Denn damit bestünde die Gefahr, dass am Ende mit den Kreditspielräumen lediglich allgemeine Haushaltslücken geschlossen und laufenden Ausgaben finanziert werden. Damit würde das Ziel gefährdet, einer Modernisierung und Verbesserung der Infrastruktur und ihren Erhalt auf hohem Niveau zu erreichen. 

Der Bundesbank-Vorschlag sieht für die infrastrukturbezogenen Investitionsausgaben des Bundes eine konkrete haushaltsmäßige Abgrenzung vor (abgegrenzt nach dem Gruppierungsplan[3]). Investitionen gelten gemäß dem Vorschlag als „zusätzlich“, wenn sie die Investitionsquote des jeweiligen Jahres über den Istwert dieser Quote aus dem Jahr 2024 (die Basisquote) anheben. Die Investitionsquoten sind hierbei die Investitionsausgaben in der vorgeschlagenen Abgrenzung in Relation zum nominalen BIP. Durch den Bezug auf die Quote wird für kommende Jahre dem Anstieg der Wirtschaftsleistung Rechnung getragen. 

Zudem sollten die Länder mit den kreditfinanzierten investiven Bundeszuweisungen die eigenen Sachinvestitionen und die ihrer Kommunen in vergleichbarer Weise steigern. 

Die Bundesbank empfiehlt, dass die endgültige Abrechnung jeweils anhand der tatsächlichen Investitionsquoten im Ergebnis erfolgt. Bei alleinigem Anknüpfen an Planzahlen können im Haushaltsvollzug Investitionen gekürzt werden, um damit Kreditspielräume für anderes zu schaffen. 

25 Könnte man die Obergrenze für die Verschuldung auch anders auf Bund und Länder aufteilen? 

Die Bundesbank knüpft mit der vorgeschlagenen Aufteilung an die aktuelle Ausgestaltung seit der Reform vom März 2025 an: Der Bund übernimmt den investiven Kreditspielraum und die damit verbundenen Zinslasten. Die frei verfügbare Grenze verteilt sich zu gleichen Teilen auf Bund und Länder. 

Sowohl der Kreditspielraum für Investitionen als auch die frei verfügbare Komponente lassen sich aber auch anders aufteilen, ohne den grundlegenden Zielen des Vorschlags entgegenzustehen. Aus Sicht der Bundesbank gibt es beispielsweise Argumente dafür, die Kreditmöglichkeiten auf den Bund zu fokussieren (wie es noch der Bundesbank-Vorschlag vom März vorgesehen hatte). So hat der Bund nicht nur günstigere Verschuldungsmöglichkeiten, sondern einzelne Länder sind schon hoch verschuldet, oder dies droht, wenn sie größere Kreditspielräume ausschöpfen. 

26 Gibt es neben dem Bund und den Ländern nicht auch noch Defizite von anderen Ebenen?

Ja. Auch Sozialversicherungen und Gemeinden könnten Defizite aufweisen. Bei den Sozialversicherungen gleichen sich diese aber im Zeitverlauf mit entsprechenden Überschüssen aus: Die Sozialversicherungen dürfen keine Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen. Defizite können also in der Regel nur entstehen, wenn Reserven vorhanden sind, die vorher mit Überschüssen aufgebaut wurden. Teils gibt der Bund vorübergehend Darlehen, wobei sich auch hierbei Defizite und Überschüsse der Sozialversicherungen im Zeitverlauf ausgleichen. 

Gemeinden dürfen sich nur im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit für Investitionen verschulden. So sind den Defiziten eigentlich relativ enge Grenzen gesetzt. Die aktuell hohen Defizite der Gemeinden erfordern somit Anpassungen. Die Aufnahme von Kassenkrediten kann zur Überbrückung eingesetzt werden. Längerfristige Bestände zeigen allerdings strukturelle Schieflagen an, die betroffene Kommunen teils nur schwer eigenständig bewältigen können. Die Bundesbank hat für kommunale Finanzschieflagen vorgeschlagen, solche Kassenkredite bei den Ländern aufnehmen zu lassen und diese Beträge auf die Schuldenbremsen der Länder anzurechnen (vgl.: Kommunalfinanzen: Ansätze zur Begrenzung von Kassenkrediten und zur Vermeidung von Haushaltsschieflagen). Damit würde sich der Handlungsdruck bei den Ländern erhöhen, für solide kommunale Finanzen zu sorgen. Die Länder sind für die Kommunalfinanzen mitverantwortlich. 

27 Die Gemeinden sind in Deutschland verantwortlich für einen Großteil der staatlichen Investitionen. Wieso sehen die Empfehlungen keinen abgesicherten Kreditrahmen für Gemeindeinvestitionen vor?

Allgemeine Verschuldungsspielräume für Gemeinden sind nicht empfehlenswert. Aus gutem Grund bindet das kommunale Haushaltsrecht die Verschuldungsmöglichkeiten von Gemeinden an deren finanzielle Leistungsfähigkeit. Und wenn diese gesichert ist, können Gemeinden seit jeher Nettoinvestitionen auch über Kredite finanzieren. Die Gemeindefinanzen gehören zum Aufgabenbereich der Länder. Diese müssen dafür Sorge tragen, dass die Gemeinden über ausreichend Finanzmittel verfügen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Sie können dazu bspw. vom Bund erhaltene Investitionszuschüsse an ihre Gemeinden weiterleiten.

28 Führt der Wechsel der Kreditgrenze in der Zielzone für Schuldenquoten über oder unter 60 % nicht zu einer erratischen Finanzpolitik? 

Gemäß Bundesbank-Vorschlag verändern sich die Kreditgrenzen für Bund und Länder von jeweils 0,35 % des BIP bei einer Schuldenquote unter 60 % zu jeweils 0,1 % bei einer Schuldenquote über 60 %. Dieser Wechsel sollte aber nicht dazu führen, dass die Finanzpolitik ad hoc – gegebenenfalls auch erratisch – angepasst werden muss. Dies stünde einer wünschenswerten stetigen Haushaltsführung entgegen. 

Grundsätzlich kann die Haushaltspolitik dem vorbeugen, indem sie Sicherheitsabstände zu den jeweiligen Grenzen einplant. Das erscheint grundsätzlich empfehlenswert. Vermutlich besteht aber ein hoher Anreiz, die Grenzen regelmäßig mehr oder weniger vollständig auszuschöpfen.

Der Vorschlag adressiert diese Gefahr, indem er beim 60 %-Schwellenwert einen gestreckten Übergang vorsieht: Der „Sprung“ in der Kreditgrenze erfolgt nicht bereits bei einer prognostizierten Überschreitung der Schuldenquote von 60 %. Stattdessen wird die Kreditgrenze erst reduziert, wenn die 60 % im Vorjahr im Ergebnis überschritten wurde und wenn die von einer unabhängigen Institution testierte Prognose der Bundesregierung auch im kommenden Jahr keine Rückkehr unter den Schwellenwert in Aussicht stellt. Dadurch wird der Übergang zu der niedrigeren Kreditgrenze besser planbar. Solide Staatsfinanzen werden durch die potenziell etwas zeitverzögerte Anpassung nicht gefährdet, weil all dies in der Nähe der 60 %-Schwelle erfolgt.

29 Die Konjunkturbereinigung ist Bestandteil des Vorschlags. Führen dabei Schätzrevisionen nicht zu einer erratischen Finanzpolitik? 

Die von der Bundesbank vorgeschlagene Ausgestaltung der Konjunkturbereinigung zielt explizit darauf ab, dieses Problem deutlich abzumildern. Damit soll eine stetige Haushaltspolitik unterstützt werden. Konkret soll die Konjunkturbereinigung um ein Modell zur Fehlerkorrektur ergänzt werden (vgl.: Die Schuldenbremse des Bundes: Möglichkeiten einer stabilitätsorientierten Weiterentwicklung). Die Ergänzung ermöglicht eine verzögerte Anpassung an unerwartete Entwicklungen: Ein damit verbundener Anpassungsbedarf kann über bis zu vier Jahre verteilt werden und muss folglich nicht sofort ausgeglichen werden. So lässt sich ein hektisches Gegensteuern vermeiden, eine stetige Haushaltspolitik wird erleichtert. Das Verfahren berücksichtigt nicht nur revidierte Schätzungen des Potenzial-BIPs, sondern setzt auch direkt an unerwarteten Entwicklungen bei den Steuereinnahmen an. Dies ist vor allem für die Gewinnsteuern relevant, deren Aufkommen teils erheblich erratisch schwanken kann. Das vorgeschlagene Verfahren dürfte nicht im Konflikt mit den EU-Regeln stehen, die sich in der Umsetzung an Ausgabengrenzen orientieren und ein Kontrollkonto für bestimmte Überschreitungen der jährlichen Ausgabengrenzen enthalten. 

  1. Die EU-Vorgaben für Deutschland im Zeitraum bis 2029 dürften wohl sogar höhere Defizite ermöglichen, vgl. dazu: Deutsche Bundesbank (2025), Öffentliche Finanzen, Monatsbericht, August 2025, Abschnitt „1.3 EU-Regeln: Deutschland hat Plan vorgelegt“.
  2. Einen Eindruck davon gibt beispielsweise die Übersichtstabelle 5.2 im Monatsbericht August 2025.
  3. Alle Baumaßnahmen und Erwerbe von Sachvermögen (gemäß Gruppierungsübersicht: Hauptgruppe 7 und Obergruppen 81 und 82), Investitionszuschüsse an Unternehmen des Bundes wie die Deutsche Bahn und die Autobahn GmbH (erfasst über Gruppierungsnummer 891) sowie an öffentliche Einrichtungen etwa zum Ausbau des Mobilfunknetzes (erfasst über Gruppierungsnummer 894). Ausgeklammert sind damit neben den finanziellen Transaktionen (Kapitaleinlagen und Darlehensvergaben, Obergruppen 83 sowie 85 und 86 – in der Rechnung des Bundes ebenso ausgeklammert) auch Inanspruchnahmen aus Gewährleistungen, Investitionszuschüsse im Rahmen der Entwicklungshilfe, an private Unternehmen sowie andere Gebietskörperschaften (Gruppierungen 87, 896, 892 und 88). Ebenfalls abgezogen werden Investitionen im Kernhaushalt, die über Kredite für die Bereichsausnahme finanziert werden.