Deutsche Banken liegen hinten Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung
An diesem Dienstag beginnt für Europa ein neues Zeitalter finanzieller Integration: Die Europäische Zentralbank (EZB) übernimmt die direkte Aufsicht über die 120 bedeutendsten Banken des Euroraums – gemessen an deren Bilanzsumme entspricht das mehr als 80 Prozent des gesamten Bankensystems. Diese neue europäische Bankenaufsicht erlaubt es, dass Banken im gesamten Euroraum künftig nach den gleichen hohen Standards beaufsichtigt werden. Gleichzeitig wird sie es ermöglichen, grenzüberschreitende Probleme besser zu erfassen. Damit setzt sie direkt an zwei wesentlichen Ursachen der Krise im europäischen Bankensystem an und kann so zu einem stabilen Finanzsystem und einer stabilen Währungsunion beitragen – sofern ein paar Bedingungen erfüllt sind.
Eine Bedingung war es, noch vor dem Start der europäischen Bankenaufsicht Altlasten in den Bilanzen der Banken aufzudecken und zu beseitigen, damit sie der gemeinsamen Aufsicht später nicht auf die Füße fallen. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen zwölf Monaten die größten Banken des Euroraums gründlich unter die Lupe genommen – sowohl mit Blick auf die Werthaltigkeit ihrer Bilanzpositionen als auch mit Blick auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber einem eventuellen Wirtschaftseinbruch. Die Ergebnisse dieses Comprehensive Assessment sind vergangene Woche veröffentlicht worden. Insgesamt hat sich gezeigt, dass das europäische Bankensystem relativ widerstandsfähig ist – nicht zuletzt dank umfangreicher Kapitalerhöhungen im Vorfeld der Untersuchung. Von den 130 untersuchten Großbanken müssen in den nächsten Monaten noch 13 Kapitallücken von knapp 10 Milliarden Euro schließen. Auch die 25 deutschen Banken haben insgesamt gut abgeschnitten; lediglich bei einer Bank gab es eine Kapitallücke, die aber bereits geschlossen wurde.
Der Test hat dem Markt einen tiefen und glaubwürdigen Einblick in den Zustand des europäischen Bankensystems verschafft – er hat den Schleier der Unsicherheit beiseitegezogen, der die europäischen Banken seit Beginn der Krise umhüllt hatte. Das trägt dazu bei, das Vertrauen in die Banken wiederherzustellen und die Märkte zu beruhigen. Ob das Vertrauen Bestand haben wird, hängt aber nicht zuletzt auch von der Arbeit der neuen europäischen Aufsicht ab. Sie muss beweisen, dass sie halten kann, was sie versprochen hat. Das gilt übrigens nicht nur für die EZB als direkte Aufseherin, sondern auch für die nationalen Aufsichtsbehörden. Denn diese werden auch weiterhin eine große Rolle spielen. Sie werden unter der Leitung der EZB und zusammen mit Aufsehern aus anderen Ländern auch künftig die Banken beaufsichtigen. Und auf der Führungsebene sitzen für Deutschland die BaFin und die Bundesbank mit am Tisch, wenn im europäischen Aufsichtsgremium wesentliche Entscheidungen getroffen werden.
Insgesamt bin ich überzeugt, dass wir der Herausforderung gewachsen sind, auch in der Bankenaufsicht europäisch zu denken und zu handeln, womit wir zu einem stabilen Finanzsystem und einer stabilen Währungsunion beitragen werden. Aber auch wenn die europäische Bankenaufsicht halten wird, was sie versprochen hat, muss eines klar sein: Aufsicht und Regulierung sind zwar notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für ein stabiles Bankensystem. Letztlich sind die Banken selbst für ihr Schicksal verantwortlich. An ihnen liegt es, sich für die Zukunft richtig aufzustellen.
Noch immer liegen gewaltige Herausforderungen vor den Banken. Der internationale Wettbewerb wird härter, gleichzeitig drücken die anhaltend niedrigen Zinsen auf die Erträge. Auf einem guten Kapitalpolster allein sollte sich keine Bank ausruhen. Gerade in Deutschland ist die Ertragskraft der Banken gering – sowohl im internationalen als auch im europäischen Vergleich. Gleichzeitig stellt der Internationale Währungsfond fest, dass die deutschen Banken bei der Reform ihrer Geschäftsmodelle im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen liegen. Das bedeutet, dass sich keine deutsche Bank darauf ausruhen sollte, den jüngsten Test bestanden zu haben; die eigentlichen Herausforderungen liegen in der Zukunft. Die Kreditinstitute müssen sich Fragen stellen wie: Überzeugen meine Produkte? Wie gewinne ich neue Kunden? Stimmt meine Rendite? Habe ich die Kosten im Griff?
Die europäische Bankenaufsicht ist der größte Schritt finanzieller Integration in Europa seit Einführung des Euro. Und es ist ohne Zweifel ein ebenso notwendiger wie logischer Schritt: Eine einheitliche Geldpolitik braucht integrierte Finanzmärkte, und dazu trägt die europäische Bankenaufsicht ganz entscheiden bei. Ergänzt wird sie von 2016 an um einen europäischen Abwicklungsmechanismus, der den Marktmechanismus im Bankensektor weiter stärken soll – spätestens dann kann sich keine Bank mehr darauf verlassen, vom Staat gerettet zu werden. Nicht zuletzt deshalb müssen die Banken sich den Herausforderungen stellen und ihre Geschäftsmodelle auf Stabilität und Ertragskraft ausrichten.