Der Beitrag der Bundesbank zur ökonomischen Bildung in Deutschland Rede auf dem BÖB Kongress 2025

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im Geldmuseum der Bundesbank sind zwei Kisten mit Äpfeln ausgestellt. Über der einen Kiste steht als Preis 1,99 Euro, über der anderen Kiste 2,49 Euro. Irritiert bleiben immer wieder Besucher vor den beiden Kisten stehen, denn die Äpfel sind genau gleich – schön rund und grün. Warum dann aber die unterschiedlichen Preise? Ein ungewohnter Blick auf Alltagssituationen, der neugierig macht – so kann ökonomische Bildung starten.

Nun sind wir als Zentralbank keine Bildungsinstitution. Unser gesetzlicher Auftrag ist klar: Das vorrangige Ziel der Geldpolitik des Eurosystems ist es, die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten. Daran sind wir wesentlich beteiligt.

Und dennoch haben wir ein sehr großes Interesse daran, ökonomische Sachverhalte zu erklären. 

2 Warum ökonomische Bildung?

Wir engagieren uns schon seit Jahren in der ökonomischen Bildung – mit Materialien, Veranstaltungen und nicht zuletzt unserem großartigen Geldmuseum. Auf alle diese Angebote werde ich auch gleich noch eingehen. Was ich aber voranstellen möchte, ist das „Warum“. 

Als Zentralbank agieren wir unabhängig von der Politik. Diese Unabhängigkeit wurde uns für die Geldpolitik bewusst gewährt, damit wir unser Mandat geschützt vor politischer Einflussnahme erfüllen können. Damit sind wir aber in besonderer Weise auf den Rückhalt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen. 

Der Grundbaustein für diesen Rückhalt ist Vertrauen: 

  • Vertrauen in unsere gemeinsame Währung, 

  • Vertrauen in uns als Institution und 

  • Vertrauen in unsere Unabhängigkeit. 

Dieses Vertrauen müssen wir uns immer wieder aufs Neue verdienen: 

  • durch eine überzeugende Geldpolitik, die die Preisstabilität im Euroraum sichert, 

  • durch funktionierende Zahlungssysteme und 

  • ein stabiles Banken- und Finanzsystem,

  • durch eine offene Kommunikation. 

Vertrauen wächst bekanntlich mit Wissen und Verstehen. Und genau hier setzt die Bundesbank mit ihren Bildungsangeboten an.

Im Rahmen ihrer Bildungsaktivitäten vermittelt die Bundesbank in erster Linie „Zentralbankwissen“. Konkrete Fragestellungen sind beispielweise: Was ist Geld und warum benutzen wir es? Warum ist Geldwertstabilität wichtig? Welche Aufgaben hat eine Zentralbank?

In der Zentrale der Bundesbank koordinieren unsere Beschäftigten die Bildungsaktivitäten, erstellen Materialien und betreiben das Geldmuseum in Frankfurt am Main, als einzigartigen Lern- und Erlebnisort.

Hauptzielgruppe unserer Bildungsaktivitäten sind Lehrkräfte, die geld- und währungspolitische Inhalte unterrichten. Denn Lehrkräfte vermitteln im Laufe ihres Berufslebens Zentralbankwissen an eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern und sind daher sehr wichtige Multiplikatoren.

Für den schulischen Unterricht stellt die Bundesbank didaktisch aufbereitetes Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Unser Anspruch dabei ist, die Lehrkräfte in ihrem Unterricht zu unterstützen, zum Beispiel durch regelmäßig aktualisierte Grafiken und Schaubilder zu Statistiken oder konkrete Unterrichtsentwürfe. Das Flaggschiff unserer Bildungsmaterialien ist das Schülerbuch „Geld und Geldpolitik“ für die Sekundarstufe II. 

Für die Sekundarstufe I vermitteln wir Grundkompetenzen rund um das eigene Geld mit dem Schülerbuch und Arbeitsheft „Geld verstehen“. 

Dabei stehen wir im ständigen Austausch mit Lehrkräften, Bildungsexperten und den Zielgruppen unserer Materialien. 

Deshalb haben wir das Angebot an digitalen Bildungsmaterialen zuletzt ausgebaut und setzen neue Medienformate, wie KI-gestützte Lernpfade ein, um Inhalte aktuell, verständlich und zielgruppengerecht zu vermitteln. 

Doch trotz aller Potenziale, die in digitalen Angeboten stecken, ist Lernen aus unserer Sicht vor allem eine soziale Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden. Kein Chatbot kann die direkte Interaktion zwischen Menschen ersetzen. Deshalb setzen wir bei unseren Bildungsaktivitäten weiterhin stark auf direkte, persönliche Begegnungen. So organisieren unsere neun Hauptverwaltungen in ganz Deutschland Vortragsveranstaltungen und Workshops für Schulklassen, Studierende und Lehrkräfte, mit echten Bundesbanker vor Ort. 

Beschäftigte der Bundesbank besuchen ihre alten Schulen, um die Bundesbank vorzustellen und dort mit Jugendlichen direkt über unsere Themen zu sprechen – an dem Ort, an dem auch sie selbst einst die Grundlage für ihren weiteren Weg gelegt haben. 

Das alles schafft Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer großartiger Ort für Begegnungen ist unser Geldmuseum hier in Frankfurt am Main. Sie spüren vielleicht meine Begeisterung für diesen einzigartigen Lern- und Erlebnisort. Und scheinbar findet das Geldmuseum auch bei den Bürgerinnen und Bürgern guten Anklang. Denn im vergangenen Jahr haben uns rund 47.000 Besucherinnen und Besucher auf eine Reise durch die Welt des Geldes begleitet.

Ab Ende Oktober wagt das Geldmuseum etwas ganz Neues und begibt sich in das Feld der „Gamification“. In der interaktiven Ausstellung „Mein Geld und ich“, die einem Escape-Room ähnelt, müssen gemeinsam Aufgaben rund um Finanzfragen gelöst werden. Wer Lust hat, spielerisch ein Budget zu planen, den günstigsten Preis herauszufinden oder erleben will, worauf zu achten ist, wenn man Geld sparen will, ist herzlich eingeladen uns im Geldmuseum zu besuchen. 

Ich bin selbst schon sehr gespannt auf dieses neue Format! 

3 Die gesellschaftliche Dimension

Meine Damen und Herren,

über unsere eigenen Themen hinaus haben wir als Zentralbank ein großes Interesse daran, dass die Gesellschaft über ein ausreichendes Maß an ökonomischer Bildung verfügt.

Eine gute ökonomische und finanzielle Allgemeinbildung ist wichtig, um politische Entscheidungen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und internationale Abhängigkeiten zu verstehen und angemessen einordnen zu können. Wer über zu wenig wirtschaftlichen Sachverstand verfügt, kann leichter ideologisch verführt und manipuliert werden. 

Das Bündnis Ökonomische Bildung hat es in seinen Eckpunkten sehr prägnant und klar formuliert: 

„Ökonomische Bildung befähigt zur Bewältigung ökonomisch geprägter Lebenssituationen, ermöglicht eine kompetente Teilhabe an Wirtschaft, Gesellschaft und Politik und schließt die Reflexion normativer Fragestellungen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Ethik mit ein.

Nur wenn Sinn, Legitimation und Funktionsweise der Wirtschaft und des Wirtschaftens durchdrungen wurden, können sich Bürgerinnen und Bürger souverän und kompetent einbringen – sei es als Verbraucher, Arbeitnehmer, Unternehmer oder als Glieder der Gesellschaft.“[1]

Alle Menschen sind – sei es in privater oder beruflicher Hinsicht – über kurz oder lang mit wirtschaftlichen Fragestellungen konfrontiert.

Gerade mit finanziellen Grundkenntnissen können Menschen bessere Entscheidungen treffen, wie sie ihr Geld ausgeben, sparen oder investieren möchten. Studien zufolge wirkt sich Finanzwissen auch positiv auf die Rendite aus, die Haushalte bei der Geldanlage erzielen.[2] Und es schützt sie eher davor, teure Fehler zu machen oder auf Betrugsmaschen hereinzufallen.

Wenn Wissen zu Altersvorsorge und Vermögensaufbau allein über das Elternhaus vermittelt wird, profitieren vor allem jene, die ohnehin schon privilegiert sind. Dies kann Ungleichheiten in der Gesellschaft verfestigen und sogar verstärken.[3]

Als Bundesbank unterstützen wir darum im Rahmen unseres Mandats und unter Wahrung unserer Unabhängigkeit Initiativen und Aktivitäten, die sich um eine bessere ökonomische und finanzielle Bildung in der Gesellschaft kümmern.

So arbeiten wir in Arbeitsgruppen und Initiativen auf europäischer und globaler Ebene mit. Wir sind zum Beispiel Mitglied im „Informal Network for Financial Education“ der OECD. Auch auf nationaler Ebene sind wir aktiv. Mein Vorstandskollege Burkhard Balz ist Mitglied im Kuratorium des BÖB und wir haben gute Kontakte zum Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) in Oldenburg und zum Mannheim Institut für Financial Education (MIFE), um einige Beispiele zu nennen. 

Wir hatten uns in den vergangenen Jahren auch aktiv eingebracht in die „Initiative Finanzielle Bildung“ der vorherigen Bundesregierung.[4] Denn eine hohe Finanzbildung in der Bevölkerung ist auch für Zentralbanken von entscheidender Bedeutung. 

Eine finanziell gut ausgebildete Bevölkerung, die

  • Risiken und Chancen an den Finanzmärkten angemessen einschätzen kann, 

  • geldpolitische Entscheidungen versteht

  • und angemessen finanzielle Vorsorge betreibt,

trägt mit ihrem Verhalten auch zur Stabilität der Finanzsysteme bei.

Das Ziel der Initiative war es, eine nationale Finanzbildungsstrategie für Deutschland zu erarbeiten. Ein Vorschlag der OECD liegt seit September 2024 auf dem Tisch. Die Bundesbank begrüßt alle Aktivitäten, die die bereits geleisteten Vorarbeiten wieder aufnehmen und fortführen. Wir sind weiterhin bereit, mitzuarbeiten und unsere Expertise einzubringen. Entscheiden darüber müssen aber letztlich die politischen Entscheidungsträger. 

Bei allem Engagement in der ökonomischen Bildung gibt es für uns aber auch Grenzen:

  • Politische Entscheidungen zu Bildungsthemen müssen die jeweils zuständigen Regierungen auf Bundes- und Länderebene treffen.

  • Auch können wir keine privaten oder öffentlichen Initiativen der ökonomischen Bildung sponsern. 

  • Da die Zuständigkeit für bildungspolitische Fragen nicht bei uns liegt, muss etwa die Frage, ob Wirtschaft ein eigenes Schulfach sein soll, von anderen beantwortet und entschieden werden.

Aus unserer Erfahrung als Bildungsanbieter können wir aber folgendes in die Diskussionen einbringen:

Erstens: Bildungsangebote sollten deutlich vom Marketing für eigene Produkte abgrenzt sein. Auf eine Vermischung beider Aktivitäten reagieren Teile der Öffentlichkeit oftmals und zurecht sehr empfindlich. Schnell steht der Vorwurf im Raum, es gehe dem Anbieter darum, die Nutzer der Bildungsmaßnahmen unterschwellig beeinflussen zu wollen.

Zweitens: Bildungsangebote müssen Interesse wecken. Wirtschaftsthemen werden oft als anstrengend und langweilig zur Seite geschoben. Gerade für die jungen Generationen kann es helfen, „Lern- und Erlebnisorte“ zu schaffen, die an der eigenen Lebenswirklichkeit andocken. 

Und drittes sollten wir bewusst die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Bildungsanbieter und Bildungsangebote begrüßen. Sie bringen unterschiedliche Perspektiven ein, können sich gegenseitig ergänzen und individuell auf Lebenslagen, Lehr- und Lernbedürfnisse eingehen. 

4 Abschluss

Vor den beiden Apfelkisten im Geldmuseum wird übrigens immer wieder angeregt diskutiert, nicht nur über die Preise – wie von uns eigentlich gewollt –, sondern oft auch über die Qualität von Äpfeln, bis hin zur Frage, wie fair Wirtschaftssysteme eigentlich sind. 

Menschen ins Nachdenken bringen, wirtschaftliche Diskussionen fördern und ökonomische Zusammenhänge verständlich machen, so kann das Fundament für eine informierte, selbstbestimmte Gesellschaft gelegt werden. 

Die Bundesbank versteht sich dabei als Teil eines Netzwerks, das gemeinsam an einer starken ökonomischen Bildung arbeitet, damit alle Menschen die Möglichkeit haben, wirtschaftliche und finanzielle Prozesse zu verstehen, einzuordnen und aktiv mitzugestalten.

Fußnoten:

  1. Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland: Eckpunkte einer nationalen Strategie.
  2. Kaiser, T. und A. Lusardi (2024), Financial literacy and financial education: An overview, CEPR Discussion Paper Nr. 19185; Deuflhard, F., D. Georgarakos und R. Inderst (2019), Financial Literacy and Savings Account Returns, Journal of the European Economic Association, Vol. 17, Nr. 1.
  3. Lusardi, A., P. Michaud und O. Mitchell (2017), Optimal Financial Knowledge and Wealth Inequality, Journal of Political Economy, Vol. 125, Nr. 2.
  4.  Bundesministerium der Finanzen: Über die Initiative Finanzielle Bildung.