Von Münzen, Währungsstabilität und Bankenaufsicht: Was wir als Zentralbank von der Münzprägestätte Christophstal lernen können Rede beim Besuch der Münzstätte Christophstal

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

zunächst einmal ganz herzlichen Dank für die Einladung und für die freundliche Begrüßung!

Wie Sie wissen, bin ich seit einem knappen Jahr im Vorstand der Deutschen Bundesbank für die Zentralbereiche Banken und Finanzaufsicht sowie Finanzstabilität zuständig. Und Sie wissen ebenfalls, dass ich viele Jahre Oberbürgermeister von Horb hier im Landkreis Freudenstadt war.

Die historische Münze im Christophstal verbindet für mich diese beiden biographischen Stationen auf ganz wunderbare Weise, und ich freue mich, dass sie einer der Veranstaltungsorte der Gartenschau Freudenstadt und Baiersbronn 2025 ist.

Nun befasse ich mich in der Bundesbank unter anderem mit der Aufsicht über Banken, mit der Überwachung der Finanzmärkte, mit entsprechenden Stresstests – Dingen, von denen Sie häufiger in den Medien erfahren. Die Numismatik, also die Wissenschaft, die sich mit der Geschichte von Münzen und Banknoten beschäftigt, gehört aber üblicherweise nicht zu meinen Themengebieten.

Für den heutigen Anlass habe ich aber eine Ausnahme gemacht und mich ein wenig mit der württembergischen Münzgeschichte beschäftigt. Und ich kann Ihnen sagen: Das ist lebendige Geschichte, die uns auch heute noch beeinflusst und Erkenntnisse liefert. Auch für uns als Bundesbank, zu deren Aufgaben eine stabile Währung gehört. 

2 Bergbau in Württemberg

Die Grundlage für den Silberbergbau und damit die Münzprägung in Christophstal legte Herzog Christoph von Württemberg. Er ist bis heute als Organisator und Konsolidierer des Herzogtums Württemberg bekannt. Ein wichtiges Element seiner Herrschaftsausübung war das Bemühen, den Reichtum seines Landes durch Bergbau zu erhöhen. 

Dazu erließ er bereits ein halbes Jahr nach Regierungsantritt im Jahr 1551 eine Bergordnung. Hintergrund war aber nicht etwa ein blühender Bergbau, der hätte reguliert werden müssen. 

Vielmehr wollte Herzog Christoph mit der Bergordnung einen Rechtsrahmen schaffen, der privaten Investitionen in den kostspieligen Bergbau die notwendige Rechtssicherheit gewähren sollte. 

Tatsächlich setzte dann 1555 in Reichenbach an der Fils Bergbau ein. Dieser erreichte zwar keine Kontinuität, förderte aber immerhin so viel Kupfer ans Tageslicht, dass man ein leichtes Feldgeschütz daraus gießen konnte.

Das war der Beginn einer Reihe von vergeblichen Versuchen, in der Region profitablen Bergbau zu etablieren.

So ging man mit Hilfe sächsischer Fachleute die Aufbereitung der vom Bergbau gebliebenen Abraumhalden in Neubulach an. Sie blieb zwar erfolglos, zeigt aber immerhin, dass unsere heutigen Bemühungen zur umweltschonenden Wiedergewinnung von Rohstoffen auch vor vielen Jahrhunderten schon als ein erstrebenswertes Ziel angesehen wurden.

Das heutige Besucherbergwerk „Heilige Drei Könige“ in Freudenstadt versuchte man 1559 zu reaktivieren. Im folgenden Jahr übernahm Herzog Christoph 30 Prozent der Anteile an diesem und zwei weiteren Stollen, dem „St. Christoph-Erbstollen“ und der Grube „St. Johann“. 

Doch erst 1567 fand man im „St. Christoph-Erbstollen“ einen Erzgang, der reichere Silberausbeute erbrachte. Es brauchte also langen Atem und eine unbeirrt zielgerichtete Politik seit der Bergordnung, die schließlich zum Erfolg führte.

Aber wieso war Herzog Christoph der Silberbergbau so wichtig, dass er dieses Ziel beinahe über seine gesamte Regierungszeit verfolgte und nicht unbeträchtliche Mittel darauf verwandte?

3 Münzpräge Christophstal und der Wert des Geldes

Mit dieser Frage komme ich wieder in die Welt der Notenbanken zurück, jedenfalls zum Geld. Darunter verstand man damals im Wesentlichen Bargeld, und dieses Bargeld hing in seinem Wert bis zum Jahr 1971 von Edelmetall ab. 

Bis zum Ersten Weltkrieg war es üblich, dass die Münzen selbst durch das Edelmetall, aus dem sie geprägt wurden, ihren Wert zu garantieren hatten. Die staatliche Prägung garantierte lediglich das Gewicht und den Feingehalt der Gold- und Silbermünzen. Banknoten galten bis zum Ersten Weltkrieg zumindest in Deutschland nicht als Bargeld, weil sie selbst nicht aus Edelmetall bestanden. Sie waren also stoffwertlos, wie man heute fachsprachlich sagt.

In diesem historischen Geldverständnis war folglich die Verfügbarkeit von Edelmetall eine notwendige Voraussetzung für eine stabile Währung. 

Das führte dazu, dass man in deutschen Landen drei Typen von Staaten unterscheiden konnte: Erstens diejenigen, die über eigene Goldvorkommen verfügten, zweitens diejenigen, die eigene Silbervorkommen ihr Eigen nennen konnten, und drittens jene Habenichtse, denen weder das eine noch das andere Edelmetall gegeben war. 

Wirtschaftspolitisch hatte diese Problematik den Merkantilismus bzw. den Kameralismus zur Konsequenz, also den Versuch, durch möglichst viele Exporte und möglichst wenige Importe eine möglichst positive Handelsbilanz zu erzielen. Diese manifestierte sich in dem Zufluss von Gold und Silber.

Aber: Unabhängigkeit der Geldversorgung vom Außenhandel und damit auch ein stabiles Finanzsystem waren grundsätzlich nur durch eigene Edelmetallvorkommen zu erreichen. Fehlten diese, versuchten manche Staaten, sie durch Kriegführung zu erlangen. Herzog Christophs Ansatz, stattdessen den Ordnungsrahmen und die Infrastruktur für einen erfolgreichen Bergbau zu schaffen, verdient somit in langer Perspektive besonderen Respekt.

Möchte man sich mit den Fragen einer gut organisierten Aufsicht über das Finanzwesen befassen, bietet Christophstal ebenfalls Anschauungsmaterial. Allerdings eher dazu, wie es nicht funktioniert. Ich spiele damit auf die Tätigkeit der Münzstätte in Christophstal während der sogenannten Kipper- und Wipperzeit an, einer Phase hoher Inflation zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. 

Damals herrschte Geldknappheit, da die deutsche Silberproduktion zurückgegangen war und die Finanzierung des Krieges und des Luxus an den deutschen Fürstenhöfen viel Geld verschlang.

Um dem Abhilfe zu schaffen, folgten die deutschen Landesherren einem Drehbuch, das zum Teil heute noch in solchen Situationen herangezogen wird – und bei mir als Zentralbanker sämtliche Alarmglocken schrillen lässt:

Man befeuerte die Entwertung des umlaufenden Geldes, indem man immer mehr Münzen mit immer geringerem Edelmetall prägte.

Auch Christophstal trug in den Jahren 1622 und 1623 zur Geldentwertung bei: Um auch in Württemberg der gestiegenen Münzproduktion jener Zeit folgen zu können, hatte man neben Stuttgart auch in Tübingen und eben in Christophstal Prägestätten eingerichtet. 

Hier wurden auch die berühmt-berüchtigten Hirschgulden hergestellt, die für ihren geringen Edelmetallgehalt bekannt waren.

Christophstal überflügelte im Prägeumfang zeitweise sogar die Prägestätte in Stuttgart. Dort beklagte man, dass „die Münz zu Fredenstatt übel bestelt gewesen, und darbey unverantwortlich gehandelt und procediret worden“ sei. 

Grund dafür wie so häufig: Schlechte Organisationsstrukturen und fehlende Aufsicht.

Denn in Christophstal war der Bergwerksinspektor zugleich Münzverwalter und Münzmeister. Darüber hinaus fehlte auch ein Wardein, der die Arbeit des Münzmeisters zu überwachen, die Prägestempel zur Vermeidung missbräuchlicher Verwendung zu verwahren und den Feingehalt der Münzen zu überprüfen gehabt hätte.

Ein Albtraum für jede Finanzaufsicht, egal welchen Jahrhunderts!

Nach einiger Zeit entwickelten sich die geringwertigen Münzen der Kipperzeit dann zum Bumerang für die Landesherren, denn sie kehrten als Steuern und Abgaben in die öffentlichen Kassen zurück. 

Daraufhin begannen sie das Kippergeld einzuziehen und neue Münzen nach altem Vorbild mit höherem Edelmetallwert zu produzieren. In Freudenstadt war man noch im Jahr 1629 damit beschäftigt, die vielen Kippermünzen wieder einzuschmelzen. 

Eine weitere Konsequenz der Kipper- und Wipperzeit war übrigens auch der Startschuss für die Girobanken in Deutschland, da die Entwertung der Münzen bargeldlosen Handel attraktiv machte. 

So wurde 1623 in Nürnberg ein von öffentlicher Hand betriebener Banco Publico gegründet, bei dem Nürnberger Kaufleute verpflichtet waren, Gelder einzulegen und alle Geschäfte abzuwickeln, deren Wert 200 Gulden überstieg.

Das war auch der Beginn der Bankenaufsicht in Deutschland. In Nürnberg wurde dazu das Bancoamt gegründet. Dieses konnte allerdings nicht verhindern, dass sich der Stadtrat aus den Einlagen der Bank bediente, sodass der Banco Publico bereits zwölf Jahre später bankrott war.

Damit können wir gleich zwei Lehren aus der Kipper- und Wipperzeit für unser heutiges Finanzsystem ziehen.

Zum einen: Währungsstabilität ist ein hohes Gut, das kurzfristigen politischen Interessen häufig entgegengesetzt ist. Deshalb braucht es eine unabhängige Institution wie die Zentralbank, die eine langfristig ausgerichtete Geldpolitik betreibt und der stabilen Währung verpflichtet ist.

Und zum anderen: Bankenaufsicht darf kein zahnloser Tiger sein. Nur wenn wir effektiv und effizient sind, kann die Bankenaufsicht Finanzstabilität sichern und einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.

Und damit komme ich zum Schluss.

4 Schluss

Sie sehen, die Geschichte der Münzpräge Christophstal ist wenig gradlinig. 

Einerseits hat sie ermöglicht, dass Württemberg eine stabile Währung ausgeben konnte, die den Vorstellungen der Zeitgenossen entsprechend ihren Wert durch den eigenen Edelmetallgehalt der Münzen garantierte. 

Zudem hielten die Münzen aus Christophstaler Silber über Jahrhunderte die Erinnerung an Herzog Christoph als denjenigen weitsichtigen Herrscher wach, der durch seine Politik die Grundlagen nicht nur für eine stabile Währung als notwendige Infrastruktur des Landes Württemberg gelegt hatte.

Andererseits war sie im weiteren historischen Verlauf weit davon entfernt, ein Stabilitätsanker zu sein.

Heute können Sie im Rahmen der Landesgartenschau Ihren eigenen Christophstaler im Stile der württembergischen Hirschgulden prägen. Damit können Sie natürlich nicht bezahlen, denn es ist keine offizielle Münze, sondern vielmehr eine nostalgische Medaille.

Unsere jetzigen Euro-Münzen und Scheine haben zwar wohl kaum mehr Materialwert als diese Medaillen. Und doch können wir damit bezahlen und sie sind stabil in ihrem Wert – anders als die originalen Hirschgulden. 

Dass das funktioniert, ist ein Verdienst der modernen Zentralbanken und einer verantwortungsvollen Geldpolitik.

Moderne Geldpolitik macht von den Launen der Natur, in diesem Fall den Edelmetallvorkommen, unabhängig. Das Wachstum der Geldmenge orientiert sich am Erhalt des Geldwerts, nicht an den Fördermöglichkeiten von Gold und Silber. 

Aus dem Bankrott des Banco Publico kann man auch heute noch ablesen, dass eine politisch unabhängige, schlagkräftige Aufsicht wesentlich für die Finanzstabilität ist. Auf beides, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik und auf eine schlagkräftige Aufsicht, können die Bürgerinnen und Bürger heute vertrauen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Literatur

Uwe Meyerdirks: St. Christoph-Erbstollen, Christophstal und Christophstaler. Herzog Christoph und der Bergbau auf Silber und Kupfer in Württemberg, in: 1515‑1568. Christoph. Ein Renaissancefürst im Zeitalter der Reformation, Ulm 2015, S. 162‑173.

Albert Raff: Die Bedeutung von Christophstal für die württembergische Münzgeschichte, in: Freudenstädter Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde zwischen Neckar, Murg und Kinzig 9 (1999), S. 5‑87.

Markus A. Denzel: Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621–1827). Stuttgart 2012