Wann kommt der digitale Euro? Impulsvortrag bei der Veranstaltung „Europa zahlt digital – Was der digitale Euro für die Wirtschaft bedeutet“ der Unternehmer Baden-Württemberg

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, heute Abend hier in Stuttgart zu sein – einer Stadt, die nicht nur für ihre wirtschaftliche Innovationskraft bekannt ist, sondern auch für ihre Fähigkeit, Tradition und Fortschritt miteinander zu verbinden. Hier denke ich in erster Linie an Bosch und Daimler. 

Diese Innovationskraft ist heute wichtiger denn je, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Der rasante und transformative Fortschritt zeigt sich auch in unserem Alltag in digitalen Bezahlverfahren, zum Beispiel wird immer häufiger mit dem Smartphone oder der Smartwatch bezahlt. 

2 Europa im Wandel

Als wir unsere Gemeinschaftswährung 1999 einführten, war einer der wichtigsten Bausteine die Einführung des Euro-Bargelds, die kurze Zeit später umgesetzt wurde.

Zu dieser Zeit kam – falls Sie sich noch daran erinnern – gerade das Nokia 3210 auf den Markt. Boris Becker warb mit dem Satz „ich bin drin“ für den Einstieg ins Internet für AOL und die Telekom ersetzte die ersten 56k-Modems zugunsten „schneller“ DSL-Anschlüsse.

Der Wandel im Zahlungsverkehr wird heute durch technologische Innovationen wie die Distributed Ledger Technologie (DLT) und Stablecoins weiter vorangetrieben. Auch im Eurosystem beschäftigten wir uns mit neuen Technologien zur Abwicklung von großen Finanzmarkttransaktionen in Zentralbankgeld, dem sogenannten Wholesale-CBDC

Neue Akteure, darunter die großen Technologieunternehmen, drängen in den Markt für Zahlungsdienstleitungen und verändern die Spielregeln. Für Zentralbanken stellt sich daher eine zentrale Frage: Wie soll unser Zentralbankgeld zukünftig aussehen und welche Rolle können und müssen wir in einer Welt einnehmen, die zunehmend von digitalen Innovationen und globalen Akteuren geprägt ist? Die Antwort darauf ist entscheidend – nicht nur für die Zukunft des Zahlungsverkehrs, sondern für unsere Unabhängigkeit als Zentralbank und die wirtschaftliche Souveränität und Resilienz Europas.

Die Entwicklungen im Zahlungsverkehr stellen uns vor neue Herausforderungen, die aber auch enorme Chancen für Europa eröffnen. Eine der größten Herausforderungen ist, dass es in Europa bislang keine wirklich flächendeckende, einheitliche Lösung gibt, mit der grenzüberschreitend und nahtlos in allen Situationen bezahlt werden kann.

Deshalb werden heute zwei Drittel der digitalen Zahlungen in Europa über außereuropäische Unternehmen wie Visa, Mastercard oder PayPal abgewickelt. Darüber hinaus haben 13 der 20 Länder des Euroraums keine nationale Bezahllösung wie wir in Deutschland mit der Girocard. Diese Länder sind daher vollkommen auf außereuropäische Kartensysteme angewiesen.

Das macht uns abhängig – wirtschaftlich und geopolitisch. Hier wird sichtbar, wie eng wirtschaftliche Souveränität und technologische Unabhängigkeit miteinander verknüpft sind. Europa muss mehr Souveränität wagen: auch im Zahlungsverkehr.

3 Digitaler Euro

Hier setzt der digitale Euro an. Der digitale Euro wird Zahlungen einfach, sicher und grenzüberschreitend im gesamten Euroraum ermöglichen. Dabei stehen Datenschutz, Ausfallsicherheit und Kostenfreiheit für die Nutzer im Mittelpunkt. 

Selbst Offline-Zahlungen – also Zahlungen ohne Internetverbindung – sollen möglich sein. Damit wäre der digitale Euro auch in Krisensituationen ein verlässliches und resilientes Zahlungsmittel: Denken Sie beispielsweise an die großflächigen Stromausfälle in Spanien vor einem halben Jahr. Geldautomaten funktionierten nicht mehr, Kreditkarten konnten nicht gelesen werden und Computer keine Zahlungen verarbeiten. In solchen Situationen könnte ein „offline“ digitaler Euro neben dem Bargeld das einzige Zahlungsmittel sein, um künftig Abhilfe zu schaffen und notwendige Geschäfte erledigen zu können. 

Der digitale Euro soll wie das Euro-Bargeld von der Europäischen Zentralbank ausgegeben werden und Sie würden ihn dann über Ihre Hausbank erhalten, zum Beispiel im Onlinebanking. Der digitale Euro böte dabei die gleiche Sicherheit wie unsere Münzen und Scheine. Sie könnten ihn genauso einfach nutzen wie Ihre Girocard und bestehende Bezahl-Apps auf Ihrem Smartphone – sei es an der Ladenkasse, im Restaurant, beim Online-Shopping oder für Überweisungen an Freunde.

Damit würden wir als Zentralbank unser Angebot an die 350 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Eurozone „aktualisieren“. Wir könnten ein europäisches Bezahlverfahren etablieren, dass auf europäischer Infrastruktur läuft und somit einen Beitrag zur Souveränität Europas leistet.

4 Digitaler Euro für Unternehmen

Aber würde der digitale Euro Ihnen konkret als Unternehmer bieten? Der digitale Euro böte Ihnen eine zukunftsweisende Möglichkeit, Ihre Zahlungsprozesse effizienter, kostengünstiger und kundenfreundlicher zu gestalten. 

Insbesondere im Bereich des Kundenverkehrs (B2C) könnte die europäische Zahlungslösung neue Potenziale eröffnen: Mit niedrigen Gebühren und einer möglichst nahtlosen Integration in bestehende Zahlungssysteme, wie zum Beispiel Kassenterminals, wäre der digitale Euro ein attraktives Werkzeug, um Zahlungen europaweit schnell und unkompliziert abzuwickeln. 

Dies würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken, sondern auch ein einheitliches und vertrauenswürdiges Zahlungserlebnis für Kunden schaffen: Denn der digitale Euro würde mit einer einzigen App das gesamte Kundenportemonnaie in die digitale Sphäre bringen!

Ein weiterer Vorteil liegt in der europaweiten Infrastruktur, die der digitale Euro mit sich bringen soll. Unternehmen könnten sich darauf verlassen, dass diese Lösung in allen Euro-Ländern einheitlich nutzbar ist. Das bedeutet: Keine fragmentierten Systeme, keine länderspezifischen Barrieren und Besonderheiten – stattdessen eine durchgängige, vernetzbare Plattform, die grenzüberschreitende Zahlungen so einfach macht wie eine Überweisung im Inland. 

Ein vielversprechender Anwendungsbereich des digitalen Euro liegt längerfristig in der Einführung sogenannter „Conditional Payments“ – also Zahlungen, die nur unter bestimmten, vorher definierten Bedingungen ausgeführt werden. Im Rahmen der ersten Erprobungsrunde der Innovationsplattform für den digitalen Euro, an der fast 70 Marktteilnehmer – darunter Händler, Fintechs, Start-ups und Banken – beteiligt waren, wurden „Conditional Payments“ als ein zentraler Treiber für Innovation identifiziert.

Conditional Payments“ könnten den Zahlungsverkehr revolutionieren, indem sie Zahlungen automatisch auslösen, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind. Beispiele reichen von automatisierten Rückerstattungen bei verspäteten Dienstleistungen bis hin zu Zahlungen im Online-Handel, die erst nach Bestätigung der Warenlieferung freigegeben werden. Auch im B2B-Bereich, also bei Transaktionen zwischen Unternehmen, könnten solche Mechanismen die Abwicklung komplexer Vertragsvereinbarungen vereinfachen, Kosten senken und die Standardisierung fördern.

5 Wann kommt der digitale Euro?

Aber wann können Sie mit dem digitalen Euro rechnen? Derzeit richten sich unsere Blicke nach Brüssel, wo der Gesetzesvorschlag für den digitalen Euro der Europäischen Kommission sowohl im Rat als auch im Europäischen Parlament verhandelt wird. Denn der digitale Euro soll wie das Euro-Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel werden und das ist ohne einen gesetzlichen Rahmen nicht möglich. 

Wir erwarten, dass das Trilog-Verfahren im kommenden Jahr beginnen und schnell voranschreiten wird, sodass das Gesetzgebungsverfahren dann hoffentlich abgeschlossen werden kann. Nach dessen Abschluss wird das Eurosystem voraussichtlich zweieinhalb bis drei Jahre Zeit benötigen, um den digitalen Euro tatsächlich einzuführen. Aktuell befinden wir uns in einer intensiven Vorbereitungsphase.

Die Einführung des digitalen Euro ist ein ambitioniertes, gesamteuropäisches Vorhaben, das sorgfältig vorbereitet werden muss. Über 25 Jahre nach Einführung des Euro sind wir bereit und werden mit dem „digitalen Zwilling“ des Euro-Bargelds einen wesentlichen Schritt gehen.

6 Schluss

Meine Damen und Herren, 

der digitale Euro ist ein Symbol für die Zukunft Europas – für unsere Fähigkeit, in einer digitalen Welt souverän, innovativ und unabhängig zu bleiben. 

Um diese Zukunft erfolgreich zu gestalten, braucht es Mut, Zusammenarbeit und vor allem Vertrauen. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg beschreiten – für ein starkes, digitales und zukunftsfähiges Europa. Europa darf nicht nur Zuschauer sein – wir müssen die Architekten unserer digitalen Zukunft werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!