Was bedeutet der Aufstieg von Private Debt (und die Verflechtung mit dem Bankensektor) für die Finanzstabilität?“ Keynote beim Private-Debt-Summit im Rahmen der Private Markets Week der Börsen-Zeitung

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Casals Forum mit seinem Herzstück, dem „hölzernen Schatzkästchen“, ist ein Ort, an dem jeder Klang präzise geformt und in seiner ganzen Tiefe erlebbar wird. 

So wie die geschwungenen Wände des Konzertsaals den Klang perfekt streuen, müssen wir auch im Finanzsystem die Kräfte und Risiken sorgfältig lenken, um ein Gleichgewicht zu schaffen, das sowohl Innovation als auch Sicherheit ermöglicht. 

Heute möchte ich mit Ihnen über ein Thema sprechen, das wie eine leise, aber zunehmend kraftvolle Stimme in der Sinfonie des Finanzsystems erklingt: Private Debt

Lassen Sie uns dieses Thema in drei Akten betrachten – wie eine Sinfonie, die aus drei Sätzen besteht. Jeder Satz beleuchtet einen zentralen Aspekt von Private Debt, und zusammen ergeben sie ein vollständiges Bild:

Im ersten Satz widmen wir uns der Bedeutung von Private Debt – dem Grundthema, das wie die Eröffnungsmelodie einer Sinfonie die Bühne bereitet.

Im zweiten Satz wechseln wir die Tonart und betrachten die Risiken von Private Debt – die Herausforderungen und Spannungen, die mit diesem wachsenden Segment verbunden sind.

Im dritten Satz schließlich kommen wir zu den Auswirkungen auf die Finanzstabilität – dem großen Finale, in dem wir die Frage stellen, wie dieses Segment das gesamte Finanzsystem beeinflussen könnte.

Lassen Sie uns gemeinsam diese Sinfonie erkunden und die Melodie von Private Debt in all ihren Facetten verstehen.

2 Bedeutung von Private Debt

Kommen wir also zum ersten Satz unserer heutigen Sinfonie, der quantitativen Bedeutung von Private Debt.

Private Debt, oder auch Private Credit, also die Bereitstellung von Fremdkapital durch Nichtbanken, hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft entwickelt. 

Unternehmen, die keinen Zugang zu traditionellen Bankkrediten oder öffentlichen Anleihemärkten haben – etwa aufgrund ihres Risikoprofils oder ihrer Größe – wenden sich zunehmend an Private-Debt-Fonds und andere alternative Kreditgeber.

Der Trend zu Private Debt ist kein Zufall: Investoren haben in der lang anhaltenden Phase niedriger Zinsen nach der globalen Finanzkrise 2007/2008 nach Renditequellen gesucht – und Private Debt bot attraktive Renditen, vor allem für institutionelle Anleger mit langem Anlagehorizont. Auch die strengere Regulierung des Bankensektors nach der globalen Finanzkrise hat dazu geführt, dass Banken bei der Vergabe risikoreicher Kredite zurückhaltender geworden sind.[1] Private-Debt-Akteure können die Nachfrage nach solchen Krediten bedienen.

Private-Debt-Fonds, die Hauptakteure im Private-Debt-Segment, verwalten derzeit weltweit ein Vermögen von ungefähr 2,5 Billionen US-Dollar. Anfang der 2000er Jahre war diese Stimme kaum hörbar – damals umfasste das Vermögen noch 0,2 Billionen US-Dollar.[2] Doch obwohl Private Debt im Vergleich zum globalen Finanzsystem, das nach Zahlen des Financial Stability Boards rund 486 Billionen US-Dollar verwaltet, noch leise klingt, hat es ein spektakuläres Wachstum hingelegt.[3] Es ist, als ob sich diese Stimme langsam Gehör verschafft und ihren Platz im Orchester des Finanzsystems einnimmt. 

Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) werden bislang fast 90 Prozent des Privat-Debt-Kreditvolumens von amerikanischen Private-Debt-Fonds gehalten, gefolgt von Europa. Wir beobachten deswegen auch den Private-Debt-Markt in den USA, denn Entwicklungen im nordamerikanischen Finanzsystem können aufgrund der starken Verflechtung immer auch Auswirkungen für das europäische Finanzsystem haben.

Nach deutschem Recht werden hingegen bislang nur wenige Private-Debt-Fonds aufgelegt: Das Vermögen deutscher Kreditfonds liegt bei weniger als 0,5 Prozent des von deutschen Banken finanzierten Kreditvolumens. Ein Grund dafür mag sein, dass die Kreditvergabe durch Fonds in Deutschland erst seit rund zehn Jahren möglich ist.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Private Debt in Deutschland und Europa keine wichtige Rolle spielt, denn europäische und außereuropäische Fonds vergeben hierzulande Kredite. Unternehmen des Euroraums erhalten sogar den Großteil der Private-Debt-Finanzierungen von außereuropäischen Fonds.[4] Und klar ist auch: Wir erwarten ein weiteres Wachsen von Private Debt in Europa.

3 Risiken von Private Debt

Kommen wir also zum zweiten Stück unserer heutigen Sinfonie und betrachten die Risiken von Private Debt

Private Debt wird immer wichtiger bei der Finanzierung von Unternehmen. Doch mit diesem Wachstum gehen auch Risiken einher, die wir für die Finanzstabilität im Blick behalten müssen.[5] 

Im Vergleich zu Private Equity, das als Eigenkapital keine festen Rückflüsse garantiert und Verluste absorbiert, bietet Private Debt zwar eine größere Planbarkeit durch feste Rückzahlungsverpflichtungen und eine höhere Sicherheit im Insolvenzfall. 

Aber auch Private-Debt-Fonds bergen Risiken, auf die ich im Folgenden eingehen werde: Illiquidität, Intransparenz, Verschuldung und die Verflechtung mit dem Bankensektor.

Private Debt ist eine illiquide Anlageklasse. Die Kredite haben oft eine Laufzeit von mehreren Jahren, und es gibt keinen Sekundärmarkt für eine schnelle Veräußerung. Diese Illiquidität könnte in Stressphasen im Extremfall auch systemische Auswirkungen haben:

Zwar tragen die Investoren in Private-Debt-Fonds die Verluste aus Kreditausfällen, da der Wert ihrer Fondsanteile direkt mit dem Wert der Aktivseite sinkt. Bei offenen Fonds mit liquider Passivseite können Anleger aber teilweise kurzfristig aus dem Fonds aussteigen. Wenn Anleger aus vielen Fonds gleichzeitig aussteigen, und Fonds daraufhin die Kreditvergabe einschränken, hätte dies direkte Folgen für Unternehmen, die auf diese Finanzierung gesetzt haben – mit Auswirkungen auf Investitionen, Arbeitsplätze und das Wirtschaftswachstum.

Auch Erfahrungen mit anderen offenen Fonds, die in illiquide Anlagen investieren, wie zum Beispiel Immobilienfonds, zeigen: Wenn viele Anleger gleichzeitig Liquidität benötigen, kann die Stabilität von Fonds gefährdet sein. 

Viele, aber nicht alle, Private-Debt-Fonds sind geschlossene Fonds. Sie erlauben keine kurzfristige Rückgabe von Fondsanteilen. Um Liquiditätsrisiken zu vermeiden, sollte das so bleiben. 

Im Vergleich zu öffentlichen Märkten ist der Private-Debt-Markt intransparent. Private-Debt-Fonds sind zwar reguliert, aber im Vergleich zu anderen Fonds, die etwa in Anleihen investieren, besteht eine geringere Transparenz über das Portfolio. 

Dies erschwert sowohl Investoren die Risikobewertung als auch Aufsichtsbehörden die Überwachung. Zudem werden Kreditrisiken für Fondsinvestoren häufig erst mit Verzögerung sichtbar, da das Portfolio nicht kontinuierlich neu bewertet wird. Bei offenen Fonds kann das im Extremfall zu einem Run auf den Fonds führen, wenn Investoren in Erwartung von Verlusten versuchen, den Fonds vor einer tatsächlichen Abwertung möglichst vor allen anderen zu verlassen.

Verschulden kann sich sowohl das kreditnehmende Unternehmen als auch der kreditvergebende Fonds. Private Debt wird unter anderem dazu genutzt, um hoch verschuldete Unternehmen zu finanzieren, etwa bei Leveraged Buyouts. Dies erhöht das Risiko von Zahlungsausfällen, insbesondere in einem Umfeld steigender Zinsen oder wirtschaftlicher Abschwächung. 

Wenn zusätzlich der Private-Debt-Fonds gehebelt ist, verstärkt dies die potenziellen Verluste für Investoren, erhöht die Ausfallrisiken für Banken, die das Leverage bereitstellen, und die Ansteckungsrisiken im globalen Finanzsystem.

Ein besonders wichtiger Punkt ist damit die zunehmende Verflechtung von Private Debt mit dem traditionellen Bankensektor. Verflechtung im globalen Finanzsystem kann zwar grundsätzlich auch stabilisierend wirken, aber sie birgt immer auch das Risiko von Ansteckungseffekten. Wie wir in vergangenen Stressphasen gesehen haben, können insbesondere Probleme im Nichtbankensektor auch die Stabilität von Banken gefährden. 

Direkte Ansteckung kann dabei über vertragliche Beziehungen zwischen zwei Marktteilnehmern erfolgen. Indirekte Übertragung meint hingegen den Fall, dass sich das Verhalten eines Akteurs auf andere, zunächst unbeteiligte Marktteilnehmer auswirkt, die nicht direkt über vertragliche Beziehungen mit diesem Akteur verflochten sind.

Banken können direkt und indirekt mit dem Private-Debt-Markt verflochten sein. Sie finanzieren Private-Debt-Fonds, halten Fondsanteile und haben möglicherweise Forderungen gegenüber Unternehmen, die auch von Private-Debt-Fonds Mittel erhalten. Dies bedeutet, dass Risiken aus dem Private-Debt-Markt auf den Bankensektor übergreifen können – etwa wenn viele Private-Debt-Fonds gleichzeitig Kreditlinien ziehen. Verflechtungen können insbesondere in Krisenzeiten zu Ansteckungseffekten führen, die das Bankensystem belasten – mit möglichen Folgen für die Realwirtschaft, wenn Banken in der Folge die Kreditvergabe einschränken – und das eventuell zeitgleich mit Private-Debt-Fonds.

Bislang erscheinen die potenziellen Folgen eines solchen Szenarios für die Finanzstabilität noch begrenzt, da die Kreditvergabe von Private-Debt-Fonds im Vergleich zur Kreditvergabe von Banken an nichtfinanzielle Unternehmen noch gering ausfällt. Bei anhaltendem Wachstum von Private Debt könnte sich das aber in Zukunft ändern.

4 Auswirkungen auf die Finanzstabilität

Kommen wir zum dritten Stück unserer heutigen Sinfonie, dem großen Finale: Welche Auswirkungen hat Private Debt auf die Finanzstabilität?

Einerseits eröffnet Private Debt Unternehmen eine zusätzliche Finanzierungsquelle außerhalb des Bankensystems und trägt zur wirtschaftlichen Dynamik bei. Es ermöglicht die Finanzierung von kleineren, risikoreicheren und innovativen Unternehmen – etwa in den Bereichen Business Services, Gesundheitswesen und Technologie –, die für zukünftiges Wirtschaftswachstum entscheidend sind. Private Debt könnte so auch einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der grünen und digitalen Transformation leisten.

Doch andererseits birgt Private Debt auch Risiken, die in Zukunft systemisch werden könnten. Diese dürfen wir nicht unterschätzen.

Finanzstabilität bedeutet unter anderem, dass das Finanzsystem einen wirtschaftlichen Abschwung weder verstärkt noch auslöst. Noch musste sich Private Debt nicht in einem größeren Abschwung bewähren – doch früher oder später dürfte es dazu kommen. 

Entscheidend ist aus Sicht der Finanzstabilität dann, ob die Kreditvergabe durch das Wachstum von Private Debt prozyklischer geworden ist: Gerät die Kreditvergabe durch Private-Debt-Fonds in einer Rezession ins Stocken, etwa durch zahlreiche Ausfälle, und könnte dies den Abschwung verstärken? Zudem stellt sich die Frage, ob Ansteckungseffekte auch die Kreditvergabe der Banken beeinträchtigen und die Finanzierung der Realwirtschaft gefährden und so die wirtschaftliche Erholung erschweren können.

Wichtig ist deswegen dreierlei:

Erstens, Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks stärken. Bei Private-Debt-Fonds heißt das konkret: Die Fondsinvestoren müssen sich des Risikos und der Illiquidität der Anlageklasse bewusst sein. Bei offenen Fonds ist es wichtig, dass geeignete Instrumente zur Liquiditätssteuerung zum Einsatz kommen, die gehäufte Rückgaben von Fondsanteilen verhindern. Zu einer illiquiden Aktivseite passt keine liquide Passivseite.

Zweitens, Ansteckungsrisiken überwachen. Die Verflechtung von Private Debt mit dem Bankensektor erfordert Wachsamkeit seitens der Banken, aber auch der Aufsicht. Es muss sichergestellt werden, dass Risiken aus dem Private-Debt-Markt, etwa durch übermäßige Verschuldung, nicht unbemerkt auf das übrige Finanzsystem übergreifen.

Ansteckungsrisiken bestehen dabei nicht nur bei Banken und Versicherern, die zunehmend in Private Debt investieren. Wenn etwa Private-Debt-Fonds grenzüberschreitend tätig sind, kann es auch passieren, dass Fonds, die in ihrem Heimatland unter Druck sind, in anderen Ländern die Kreditvergabe einschränken. So könnte ein Abschwung in einem Land durch die Verflechtung im Finanzsystem auch einen Abschwung in einem anderen Land begünstigen.

Und drittens, Transparenz erhöhen. Derzeit hat die Aufsicht zu wenige Daten zu Private-Debt-Fonds und zu den Kreditnehmern der Fonds. Das betrifft insbesondere Fonds, die im Ausland aufgelegt werden. Meldet ein Fonds beispielsweise in Luxemburg Daten, investiert aber in Deutschland, liegen Daten zwar vor – die deutschen Aufsichtsbehörden können sie aber nicht einsehen.

Wir setzen uns daher dafür ein, dass Fondsdaten generell einfacher grenzüberschreitend zwischen Behörden geteilt werden können, damit Finanzstabilitätsrisiken frühzeitig erkannt und besser bewertet werden können. Beginnen können wir damit in Europa, und mit Daten, die bereits jetzt gemeldet werden.

5 Schluss

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie uns zum Ausklang unserer heutigen Sinfonie noch einmal innehalten und auf die leise Stimme zurückblicken, die uns durch diese Reise begleitet hat. Private Debt könnte aber auch zu einem Crescendo anschwellen, das die gesamte Harmonie beeinflusst. Mit diesem Wachstum kommen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, die wir nicht überhören dürfen.

Wenn diese Risiken unkontrolliert anwachsen, könnte das Crescendo von Private Debt in einem dissonanten Akkord kulminieren, der die Harmonie des Finanzsystems stört und sogar systemische Auswirkungen hat.

Um die Finanzstabilität zu wahren, müssen wir handeln. Unsere Forderungen sind klar:

Erstens, wir müssen die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks stärken. Private-Debt-Fonds müssen so strukturiert sein, dass sie auch in Krisenzeiten stabil bleiben.

Zweitens, wir müssen Ansteckungsrisiken überwachen. Die Verflechtung von Private Debt mit dem Bankensektor und anderen Finanzakteuren erfordert Wachsamkeit und eine vorausschauende Aufsicht.

Drittens, wir müssen Transparenz erhöhen. Nur mit besseren Daten können wir die Risiken von Private Debt umfassend bewerten und frühzeitig gegensteuern.

Die leise Stimme von Private Debt wird vermutlich weiter an Volumen gewinnen. Es liegt an Ihnen, dafür zu sorgen, dass sie nicht zu Dissonanzen führt, die letztlich sogar die Stabilität des Finanzsystems gefährden. Bewahren Sie sie als harmonische Ergänzung der Sinfonie des Finanzsystems – eine Stimme, die Innovation und Wachstum fördert, ohne die Sicherheit zu gefährden. 
 

Fußnoten:

  1. Vgl.: Bank for International Settlements (2025): The global drivers of private credit.
  2. Vgl.: Bank for International Settlements (2025): The global drivers of private credit.
  3. Vgl.: Financial Stability Board (2024): Global Monitoring Report on Non-Bank Financial Intermediation.
  4. Vgl.: European Central Bank (2024): Private markets, public risk? Financial stability implications of alternative funding sources.
  5. Vgl.: International Organization of Securities Commissions (2023): Thematic Analysis: Emerging Risks in Private Finance.