Weidmann bei seiner Rede bei der Herbstkonferenz der Bundesbank ©Nils Thies

Weidmann sieht Chancen und Risiken digitalen Zentralbankgelds

Aus Sicht von Bundesbankpräsident Jens Weidmann muss die Einführung digitalen Zentralbankgelds gut überlegt sein. Er verwies auf diverse Chancen, die digitales Zentralbankgeld biete. Verschiedene Risiken legten aber nahe, dass eine kluge Ausgestaltung und ein vorsichtiger Ansatz von wesentlicher Bedeutung wären. Viele Fragen im Zusammenhang mit digitalem Zentralbankgeld bedürften noch weiterer Analysen, sagte er während einer Podiumsdiskussion mit dem französischen Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau bei der Herbstkonferenz der Bundesbank. In der Debatte um die Zukunft des Zahlungsverkehrs sollten die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Mittelpunkt stehen, forderte Weidmann. „Die breite Öffentlichkeit will schnelle, bequeme, sichere und günstige Zahlungsmethoden – auch für Zahlungen ins Ausland. Das erfordert jedoch nicht unbedingt digitales Zentralbankgeld“, so der Bundesbankpräsident weiter. Innovative Zahlungslösungen anzubieten, sollte in einer Marktwirtschaft vorrangig Aufgabe des privaten Sektors sein.

Bei der zweitägigen virtuellen Konferenz analysierten und diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, sowie von Zentralbanken und Regierungsbehörden aktuelle Entwicklungen und die Zukunft des Finanz- und Bankensektors.

Weiterhin aufgeschlossen bleiben

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der Bundesbank setzen sich derzeit mit den Vorteilen und Risiken digitalen Zentralbankgelds auseinander, sagte Weidmann. “Es wäre jedoch falsch, das als eine Entscheidung zugunsten digitalen Zentralbankgelds zu interpretieren“, so Weidmann. Zunächst sei ein gründliches Verständnis erforderlich, bevor die Argumente bewertet werden könnten. Wichtig sei es, aufgeschlossen zu bleiben.

„Zentralbanken haben nicht vor, das Bargeld abzuschaffen“, versicherte der Bundesbankpräsident. Bargeld sei derzeit die einzige Möglichkeit für Privatpersonen, Zentralbankgeld zu halten. Es biete Anonymität und sei nicht unbedingt von einer technischen Infrastruktur abhängig, weshalb es von vielen Menschen sehr geschätzt werde. Allerdings, so Weidmann weiter, habe die Bedeutung von Bargeld in vielen Ländern abgenommen. Die Corona-Pandemie habe dem bargeldlosen Bezahlen einen zusätzlichen Schub verliehen. „Ob diese Verschiebung der Zahlungsgewohnheiten von Dauer sein wird oder sogar noch weitergeht, bleibt abzuwarten“, sagte er.

Villeroy: Wir müssen innovativ bleiben

Villeroy de Galhau betonte in seinem Beitrag, dass die Innovationsfähigkeit im Euroraum nicht verloren gehen dürfe. Dem französischen Notenbankgouverneur zufolge beruht die Diskussion über digitales Zentralbankgeld oft auf dem Missverständnis, dass digitales Zentralbankgeld automatisch dazu führe, dass sonstige Innovationen im Bereich des Zahlungsverkehrs unterblieben. Innovationen dürften nicht ausschließlich im privaten Sektor stattfinden. „Wir müssen innovativ bleiben“, so Villeroy de Galhau. Er warnte davor, die Entscheidung für oder gegen digitales Zentralbankgeld zu lange hinauszuzögern. „Wir müssen innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu einer einheitlichen europäischen Antwort finden“, sagte der Gouverneur der Banque de France.

Lagarde: Entscheidung für digitales Zentralbankgeld noch nicht gefallen

Genau wie Weidmann betonte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die ebenfalls bei der Konferenz sprach, dass digitales Zentralbankgeld eine Ergänzung und kein Ersatz für Bargeld wäre. „Das Eurosystem wird weiterhin sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger jederzeit Zugang zu Banknoten haben“, versicherte Lagarde. Einer Erhebung der EZB zufolge sei Bargeld das am meisten genutzte Zahlungsmittel für kleine Einkäufe. „Aber fast die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher sagte, dass sie es bevorzugt, digital zu zahlen und das hat während der Pandemie zugenommen“, fügte Lagarde hinzu.

Ob die EZB und die Notenbanken des Euroraums einen digitalen Euro einführen wollen, ist der EZB-Präsidentin zufolge noch nicht entschieden. “Aber wie viele andere Zentralbanken rund um die Welt, untersuchen wir die Vorzüge, Risiken und Herausforderungen bei der Handhabe eines solchen Schritts“, sagte Lagarde. Mit der Einführung eines digitalen Euro wären die EZB und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder auf dem neusten Stand der Innovationen, fügte sie hinzu. Dennoch müssten auch die damit verbundenen Risiken beachtet werden. Die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Notenbanken sollten der Öffentlichkeit in den nächsten Wochen präsentiert werden.

Brunnermeier: Digitalwährungen werden die Welt verändern

Markus Brunnermeier, Professor an der Universität Princeton, zeigte sich in seinem Vortrag überzeugt, dass Digitalwährungen zukünftig eine größere Bedeutung im Leben der Menschen einnehmen werden. „Digitalwährungen werden die Finanzwelt verändern, vor allem, wenn sie mit nicht-finanziellen Daten verbunden werden, wie Daten aus sozialen Netzwerken“, so Brunnermeier. Offizielle Währungen hätten vor diesem Hintergrund die Chance, weiterhin attraktiv zu bleiben. Um die geldpolitische Souveränität zu bewahren und so die Volkswirtschaft zu lenken, müssten Zentralbanken die Funktion des Geldes als Verrechnungseinheit erhalten und als lender of last resort einspringen können, so Brunnermeier. Ein bedeutendes Thema in Zukunft wird aus seiner Sicht der Datenschutz bei grenzüberschreitenden Zahlungen mit virtuellen Währungen sein, da es je nach Land unterschiedliche Regeln geben werde.