Schäuble und Sapin treten für engere Zusammenarbeit in Europa ein

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege Michel Sapin haben sich für eine verstärkte europäische Zusammenarbeit in der Währungsunion ausgesprochen. "Wir wussten bei der Gründung, dass es auf Dauer ohne eine politische Komponente zu Problemen kommen würde", betonte der deutsche Finanzminister vor rund 200 Zuhörern auf der Bundesbank-Konferenz "Turning points in history" in Frankfurt am Main. Jetzt sei es an der Zeit, das europäische Projekt zu stärken.

Regeln, Regeln, Regeln

Die gegenwärtige Krise habe ihre Ursachen innerhalb des gemeinsamen Währungsraums und sei nicht außerhalb entstanden, bekräftigte Sapin. In den vergangenen Jahren seien bereits wichtige Instrumente geschaffen worden. Dies reiche aber nicht aus: "Wir müssen nun die Bindungskraft der vereinbarten Regeln und die fiskalischen Aufsichtskompetenzen weiter stärken", sagte Sapin. Solidarität und Verantwortung gehörten in der Währungsunion untrennbar zusammen. Außerdem müsse die Währungsunion ihre Fähigkeit verbessern, mit ökonomischen Schocks umzugehen. Konkret nannte der französische Finanzminister die Weiterentwicklung der europäischen Banken- und der Kapitalmarktunion.

Sapin unterstrich auch die Bedeutung gemeinsamer Regeln. "Wir brauchen Regeln, Regeln, Regeln", sagte er. Diese Regeln müssten intelligent angewendet werden, und wenn nötig an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst. Eine solche Anwendung der Regeln könne dafür sorgen, einerseits nationale Haushalte zu konsolidieren und andererseits das Wirtschaftswachstum zu stärken, so Sapin.

Bundesfinanzminister Schäuble verwies darauf, dass allein mit den Mitteln der Geld- und Finanzpolitik kein nachhaltiges Wachstum zu schaffen sei. "Dazu braucht es Investitionen und strukturelle Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit stärken", sagte der CDU-Politiker.

Schäuble schlug für die europäische Ebene auch eine stärkere Trennung von politischer Führung und objektiver Kontrolle der Einhaltung von Regeln vor. "Wir müssen Institutionen schaffen, die dafür sorgen, dass die vereinbarten Regeln auch eingehalten werden", sagte er. Als Beispiel nannte der Bundesfinanzminister die Europäische Kommission: Diese habe eine politische Führungsaufgabe, aber gerate damit in ein Dilemma, wenn sie die Einhaltung von Regeln überwachen soll. "Ein großes Problem derzeit ist, dass wir kein Vertrauen in die Neutralität der Institutionen haben können, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren", so Schäuble.

Gemeinsame Führungsaufgabe von Frankreich und Deutschland

Sapin und Schäuble betonten auch die Bedeutung des deutsch-französischen Verhältnisses. Der gemeinsame Dialog sei sehr wichtig, erklärte Sapin. "Wir wollen gemeinsame Vorschläge machen, um die Währungsunion weiterzuentwickeln", sagte der Franzose. Sein deutscher Amtskollege unterstrich, dass Frankreich und Deutschland dabei die Währungsunion nicht dominieren sollten. Aber es gebe ohne Zweifel eine gemeinsame Führungsaufgabe. Ziel beider Länder sei eine stärkere Zusammenarbeit in der Währungsunion, sagte Sapin. In der gegenwärtigen Situation sei dies aber nicht einfach, weil stärkere Integration auch immer mit dem Verlust von nationalen Kompetenzen einhergehe.

Hochkarätig besetzte Panel

Bei der von der Bundesbank veranstalteten Konferenz ging es vor allem um die Frage, wie Krisen die Aufgaben und die Praxis von Notenbanken verändert haben. Dazu hatte die Bundesbank hochkarätige Wissenschaftler und Notenbanker aus Europa und den USA eingeladen, um miteinander zu diskutieren. Im ersten Panel wies Charles Goodhart von der London School of Economics and Political Science darauf hin, dass die Frage nach dem Einfluss von Krisen auf die Praxis von Zentralbanken eine Debatte sei, die schon seit langer Zeit geführt werde. Zusammen mit Claudia M. Buch, Vizepräsidentin der Bundesbank, und Marvin Goodfriend von der Carnegie Mellon University diskutierte das Panel, wie Zentralbanken Einfluss auf die Stabilität des Finanzsystems nehmen.

Im zweiten Panel diskutierten Alan J. Auerbach von der University of California, Berkely, Benjamin Friedman von der Harvard University und Narayana Kocherlakota von der Federal Reserve Bank of Minneapolis unter Moderation von Otmar Issing vom Center for Financial Studies über das Verhältnis von Zentralbanken und Fiskalbehörden. Friedman betonte dabei, dass die Rolle der Zentralbanken als "Lender of last Resort" ("Kreditgeber letzter Instanz") eindeutig eine fiskalische Aufgabe sei, da damit auch Entscheidungen über potenzielle Verluste des Steuerzahlers verbunden sein könnten. Wenn Zentralbanken solche Aufgaben übernähmen, müssten ihre Kompetenzen demokratisch abgesichert sein durch eine Beteiligung von Exekutive und Legislative.

Im dritten Paniel debattierten Markus K. Brunnermeier von der Princeton University, Paul de Grauwe von der London School of Economics and Political Science, Barry Eichengreen von der University of California, Berkely, und Hélène Rey von der London Business School unter der Moderation von Harold James von der Princeton University über die Rolle der Zentralbanken im internationalen Umfeld. Paul de Grauwe rief dabei die Europäische Zentralbank dazu auf, sich angesichts der Griechenland-Krise nicht wie eine Geschäftsbank zu verhalten, da es für sie keine Rolle spiele, ob sie Verluste mache oder nicht. Seine Argumentation, dass Notenbanken selbst mit negativem Eigenkapital gut arbeiten könnten, stieß im Publikum allerdings auf viele kritische Kommentare.

In einem Schlusswort fasste Mervyn King, der ehemalige Gouverneur der Bank of England, die Diskussionen des Tages zusammen. In der Krise seien die Zentralbanken zweifellos mächtiger geworden. "Die Frage stellt sich aber, ob ihre Unabhängigkeit erhalten werden kann, wenn sie immer weitreichendere Aufgaben übernehmen", sagte King.