Weidmann: Derzeitige Geldpolitik nicht ewig fortschreiben

Die derzeitige expansive Geldpolitik des Eurosystems sollte nach Auffassung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann nicht auf ewig fortgeschrieben werden. In der Krise sei eine expansive Politik aufgrund des geringen Preisdrucks zwar im Grundsatz richtig gewesen. Man könne aber durchaus unterschiedlicher Auffassung darüber sein, wie viel Gas man geben müsse, welche Instrumente man einsetzen müsse und welche Risiken und Nebenwirkungen mit den Instrumenten verbunden seien, sagte Weidmann bei einer Veranstaltung der Leipziger Volkszeitung (LVZ). "Wir können unsere Geldpolitik nicht danach ausrichten, was es für den Einzelnen in seinen unterschiedlichen sozialen Rollen bedeutet, sondern haben ein Ziel: Preisstabilität", stellte Weidmann klar.

Klares Enddatum für Staatsanleihekäufe wäre besser gewesen

Die Zinsen im Euro-Raum liegen seit der Krise bei null Prozent. Erst im Oktober hatte der EZB-Rat zudem beschlossen, die Staatsanleihekäufe bis mindestens September 2018 fortzusetzen. Das Volumen der Käufe soll ab Januar von 60 auf 30 Milliarden Euro monatlich reduziert werden.

LVZ-Chefredakteur Jan Emendörfer, der bei dem Leserforum die Fragen an den Bundesbankpräsidenten richtete, stellte vor diesem Hintergrund die derzeit häufig diskutierte Frage, wann die EZB die Nullzinspolitik beende. Mit Blick auf das Anleihekaufprogramm sagte Weidmann: "Man kann sich natürlich fragen, ob nicht vielleicht ein klares Enddatum für die Staatsanleihekäufe besser gewesen wäre". Er sehe das Instrument kritisch, weil es die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwische und es dadurch immer schwerer werde, die Phase der expansiven Geldpolitik zu beenden.

Enges Mandat für Zentralbanken

Neben der aktuellen europäischen Geldpolitik war die schwierige wirtschaftliche Situation einiger Länder im Euro-Raum ein Schwerpunkt des Gesprächs. Nach Griechenland gefragt erläuterte Weidmann, warum es wichtig ist, dass sich die Geldpolitik nicht an nationalen Belangen einzelner Mitgliedstaaten orientiert.

Ein wichtige Lehre aus den 1970er- und 80er-Jahren sei, dass eine unabhängige Geldpolitik besser in der Lage ist, Preisstabilität zu sichern. In einer Demokratie sei diese Unabhängigkeit ein Fremdkörper, so Weidmann. Damit das Demokratieprinzip nicht ausgehöhlt werde, müsse das Mandat der Notenbanken eng begrenzt sein. "Wenn der Eindruck entsteht, dass wir Wirtschaftspolitik machen und dass wir uns in die Belange einzelner Länder einmischen, stellen wir damit diese Unabhängigkeit in Frage", sagte der Bundesbankpräsident.

Eine Grunderkenntnis aus der Krise sei, dass die Länder ihre Probleme selbst in den Griff bekommen müssten. Die Staatengemeinschaft könne Hilfe leisten, indem sie Anpassungsprozesse abfedere und damit Zeit kaufe. "Aber Zeit kaufen allein löst die Probleme nicht. Die Probleme können nur in den einzelnen Ländern selbst gelöst werden", so Weidmann.

Eine stabile und sichere Währung

Die Frage, ob es theoretisch möglich wäre, zur D-Mark zurückzukehren, wie es beispielsweise die AfD fordere, wies Weidmann zurück. "Die Menschen wollen, dass der Euro funktioniert und dass wir ihnen eine stabile Währung bieten", so der Bundesbankpräsident. Deswegen beteilige er sich nicht an Spekulationen darüber, was passiere, wenn der Währungsraum zerfallen würde. "Meine Aufgabe ist, den Euro als Währung stabil zu halten. Dafür sitze ich im EZB-Rat, dafür steht die Bundesbank mit ihrer 60-jährigen Tradition."

Im Hinblick auf die Diskussion um eine Abschaffung des Bargelds betonte Weidmann, solange die Bürgerinnen und Bürger bar bezahlen wollten, sollten sie dies auch tun können. Die Bundesbank biete den Menschen verschiedene Bezahlmöglichkeiten an. Dazu gehörte sicheres und umlauffähiges Bargeld. Er könne gut verstehen, warum viele Menschen in Deutschland gern mit Bargeld zahlten. Dies sei sicher, einfach und bei kleinen Beträgen auch günstiger als andere Zahlungsmethoden.

Fragen aus dem Publikum

Das Publikum, das im Anschluss an das Gespräch Fragen an den Bundesbankpräsidenten stellen konnte, interessierte sich auch für alternative Zahlungsmittel, wie beispielsweise Bitcoins. Weidmann äußerte sich gegenüber diesen sogenannten Kryptowährungen skeptisch. Eine Währung, die ständig ihren Wert ändere, eigne sich nicht zum Bezahlen, so Weidmann. Sie sie zwar ein gutes Spekulationsprodukt, aber kein gutes Transaktionsmedium. Hinter den Bitcoins stehe aber eine interessante Technologie, die auch von der Bundesbank derzeit getestet werde.

Einem anderen Leser bereitete die hohe Verschuldung einiger Länder im Euro-Raum Sorgen. Weidmann zeigte hierfür Verständnis. Er weise schon seit Jahren darauf hin, dass die Schulden der Euro-Länder auch dann tragfähig sein müssten, wenn die Zinsen wieder steigen und die Geldpolitik normalisiert werde. "Deswegen ist es für uns als Geldpolitiker so wichtig, dass wir eine solide Finanzpolitik im Euro-Raum haben", so Weidmann. Ziel müsse es zudem sein, dass – wenn nötig – eine staatliche Schuldenrestrukturierung möglich sei, ohne dass das Finanzsystem zusammenbreche.