"Lassen Sie mich kurz auf die heutige Entscheidung des EZB-Rats eingehen. Zunächst einmal: Die heute vorgelegten Stabsprojektionen des Eurosystems zeigen keine besorgniserregende wirtschaftliche Entwicklung im Euro-Raum. Sie bestätigen aus meiner Sicht vielmehr, dass der deutliche Rückgang der Energiepreise die Konjunkturerholung im Euro-Raum stützt. Der Energiepreisrückgang erklärt außerdem zu einem Gutteil die Entwicklung der Verbraucherpreise. Zwar ist die Euro-Abwertung der vergangenen Wochen stimulierend in die Prognose eingegangen, diese Abwertung ist aber nicht allein auf die erwartete Lockerung der Geldpolitik des Eurosystems zurückzuführen. Sie ist beispielsweise auch Folge von gefestigten Zinserhöhungserwartungen für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Klar ist, dass die Preisentwicklung nach der Prognose im nächsten und wohl zum Teil auch im übernächsten Jahr unter unserer Norm für Preisstabilität liegen wird. Das sollte nicht leichtfertig zur Seite gewischt werden. Aber angesichts der dominanten Rolle des Energiepreisrückgangs für die Preisentwicklung im Euro-Raum und der bereits ergriffenen umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen, die auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sein können, habe ich eine weitere Lockerung nicht für notwendig gehalten.
Phasen, in denen sinkende Energiepreise die Inflation zeitweilig in den negativen Bereich fallen ließen, hat es immer wieder gegeben: Zum Beispiel 1986/87, zu Zeiten von Karl Otto Pöhl, und die Geldpolitik tat gut daran, durch solche temporären Schocks hindurchzuschauen, solange es keine Hinweise für Zweitrundeneffekte gibt. Und die sehe ich derzeit nicht."
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