Bundesbank-Projektionen: Deutsche Wirtschaft weiterhin von Coronavirus-Pandemie geprägt

Die aktuelle Lage und die Perspektiven der deutschen Wirtschaft werden entscheidend von der Coronavirus-Pandemie geprägt, schreibt die Bundesbank. Mit dem verringerten Infektionsgeschehen und den Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen habe sich die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal dieses Jahres stark erholt. Im Winterhalbjahr 2020/21 dürfte die wirtschaftliche Erholung aufgrund der im Herbst erneut aufgeflammten Pandemie zunächst jedoch unterbrochen werden. Eine vergleichbar starke Beeinträchtigung wie im Frühjahr 2020 sei aber nicht zu erwarten.

Den Projektionen zufolge geht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr kalenderbereinigt um 5,5 Prozent zurück. Für 2021 und 2022 erwarten die Fachleute dann aber ein kräftiges Wirtschaftswachstum von 3 Prozent bzw. 4,5 Prozent. 2023 dürfte sich der Zuwachs dann auf 1,8 Prozent abschwächen. „Das BIP erreicht damit sein Vorkrisenniveau bereits wieder Anfang 2022“, heißt es in dem Bericht weiter. Dabei dürften die deutschen Exporte aufgrund der wirtschaftlichen Belebung in wichtigen Partnerländern eine solide Stütze der wirtschaftlichen Erholung darstellen.

Privater Konsum wird wichtiger Treiber der wirtschaftlichen Erholung

Der private Konsum bleibe weiterhin stark vom Pandemiegeschehen abhängig. Im ersten Halbjahr 2020 seien die Ausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich stärker zurückgegangen als ihre verfügbaren Einkommen. „Die Sparquote stieg spiegelbildlich sehr kräftig an“, so die Ökonominnen und Ökonomen. Grund dafür sei vor allem „unfreiwilliges Sparen“, wie eine Befragung der Bundesbank zeigt. Knapp die Hälfte der Befragten, die ihren Konsum reduziert hatten, gaben als Grund an, dass Waren und Dienstleistungen wegen der Einschränkungen durch die Pandemie nicht verfügbar gewesen seien. Für etwa ein Drittel war die Sorge vor Ansteckung ausschlaggebend. Klassische Vorsichtsmotive, wie die Sorge vor zukünftigem Arbeitsplatz- und Einkommensverlust, spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. „Wenn ab Frühjahr 2021 die Pandemie sukzessive durch medizinische Lösungen überwunden wird, sollte das unfreiwillige Sparen an Gewicht verlieren“, heißt es in dem Bericht weiter. Die Fachleute gehen davon aus, dass sich der private Verbrauch dann sehr dynamisch erholt und den wirtschaftlichen Aufschwung maßgeblich antreibt.

Arbeitslosigkeit wird Vorkrisenniveau bis 2023 nicht erreichen

Der Arbeitsmarkt habe sich in der Pandemie als recht robust erwiesen, schreibt die Bundesbank. Zwar sei das Arbeitsvolumen massiv eingebrochen, die Ausschläge bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit seien jedoch vergleichsweise moderat gewesen. Dazu hätten der umfangreiche Einsatz von Kurzarbeit, die beschäftigungssichernden Maßnahmen der Sozialpartner und die stabilisierenden Maßnahmen des Staates sowie die zügige wirtschaftliche Erholung im Sommer beigetragen. Mit zunehmender wirtschaftlicher Belebung dürfte nach Ansicht der Expertinnen und Experten zunächst das Arbeitsvolumen wieder steigen, indem Kurzarbeit verringert und Arbeitszeitkonten gefüllt werden. Ab der zweiten Hälfte des nächsten Jahres dürfte mit wachsenden Erfolgen bei der Bekämpfung der Pandemie die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen zunehmen. Die Bundesbank geht jedoch nicht davon aus, dass die Arbeitslosigkeit ihr Vorkrisenniveau im Projektionszeitraum bis 2023 erreichen wird.

Inflationsrate bereits 2021 wieder spürbar positiv

Die Inflationsrate gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) lag im November bei -0,7 Prozent. Insbesondere fallende Energiepreise und die im zweiten Halbjahr geltende Absenkung der Mehrwertsteuersätze machten sich hierbei bemerkbar. Im Jahresdurchschnitt 2020 rechnen die Fachleute mit einem deutlichen Rückgang der Inflationsrate auf 0,4 Prozent. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel dürfte bereinigt um den Mehrwertsteuereffekt bei etwas über 1 Prozent liegen.

Im kommenden Jahr dürfte die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung für anziehende Preise sorgen. Zudem würden Anfang 2021 weitere preistreibende Maßnahmen des Klimapakets wie die Einführung von CO2-Emissionszertifikaten und die Erhöhung der Kfz-Steuer in Kraft treten. „Die HVPI-Rate insgesamt sollte daher bereits zum Jahresanfang 2021 wieder spürbar positive Werte annehmen.“

Staatsfinanzen sind wichtige Stütze der Gesamtwirtschaft

Während der Coronakrise wird die Gesamtwirtschaft erheblich durch die Staatsfinanzen stabilisiert. Den Projektionen zufolge erreicht das staatliche Defizit im laufenden Jahr rund 5 Prozent des BIP, nach einem Überschuss von 1,5 Prozent im Jahr 2019. Zudem dürfte die Maastricht-Schuldenquote auf etwa 70 Prozent steigen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass sich die Staatsfinanzen mit der wirtschaftlichen Erholung und dem Auslaufen der pandemiebedingten Stützungsmaßnahmen wieder verbessern.

Bundesbank entwirft alternative Szenarien

Für den Projektionszeitraum bis 2023 ist die Unsicherheit insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen besonders hoch. Deshalb hat die Bundesbank neben dem Basisszenario zwei weitere Szenarien entworfen und jeweils berechnet, wie sich einzelne Kennzahlen entwickeln könnten.

In einem günstigeren Szenario, in dem medizinische Lösungen im In- und Ausland rascher verfügbar sind und die Eindämmungsmaßnahmen bereits zum Jahresende 2021 vollständig zurückgenommen werden, würde sich die Auslandsnachfrage rascher erholen und der private Konsum schneller und stärker ausgeweitet. Das BIP könnte den Vorkrisenstand bereits Mitte 2021 erreichen und in den Folgejahren ähnlich stark wachsen wie im Basisszenario. In einem ungünstigeren Szenario, bei dem ein schwererer weiterer Verlauf der Krise unterstellt wird, gelänge es in den nächsten Jahren nur begrenzt, die Pandemie einzudämmen. Entsprechend müssten die Beschränkungen in abgeschwächter Form bis Ende 2023 fortbestehen. Unter diesen Bedingungen würde die gesamtwirtschaftliche Leistung trotz noch stärkerer Stützung durch die Staatsfinanzen gravierenden und dauerhaften Schaden nehmen.

Projektion Dezember 2020

Veränderung ggü. Vorjahr in %

2019

2020

2021

2022

2023

Reales BIP, kalenderbereinigt

0,6

-5,5

3,0

4,5

1,8

Reales BIP, unbereinigt

0,6

-5,1

3,0

4,4

1,6

Harmonisierter Verbraucherpreisindex

1,4

0,4

1,8

1,3

1,6

Harmonisierter Verbraucherpreisindex
ohne Energie und Nahrungsmittel

1,4

0,7

1,5

1,3

1,5

Quelle: Statistisches Bundesamt. 2020 bis 2023 eigene Projektion.