Bundesbank-Symposium erörtert Grenzen des Zentralbankwesens

Anlässlich ihres 60-jährigen Jubiläums hat die Bundesbank bei einem hochrangig besetzten Symposium in Frankfurt am Main über die Zukunft des Zentralbankwesens diskutiert. Unter dem Titel "Frontiers in Central Banking – Past, Present and Future" erörterten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei Vorteile und Grenzen geldpolitischer Sondermaßnahmen, die volkswirtschaftlichen Aspekte des Zusammenspiels von Zentralbanken und Regierungen sowie den Einfluss neuer Finanztechnologien.

Zentralbanken als Krisenmanager

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hob in seiner Begrüßung hervor, wie Krisen das moderne Zentralbankwesen geprägt hätten. Dies gelte auch für das Mandat der Bundesbank, das unter dem Eindruck der zweifachen Vermögensvernichtung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sei. "Als die Bank vor genau 60 Jahren gegründet wurde, herrschte breiter Konsens darüber, dass ihr vorrangiges Ziel der 'Erhalt der Stabilität der Währung' sein sollte", sagte er. Dass die Bundesbank dieses Mandat im Sinne der Wahrung von Preisstabilität auslegte, sei nach den Erfahrungen von Hyperinflation und Währungsreform von der deutschen Bevölkerung weithin geschätzt worden, so Weidmann.

Die 2008 ausgebrochene Finanz- und Wirtschaftskrise wiederum veranlasste Weidmann zufolge Zentralbanken weltweit, in massivem Ausmaß mit Zinssenkungen und unkonventionellen Maßnahmen zu intervenieren. Im Euroraum seien die geldpolitischen Entscheidungsträger wegen der Staatsschuldenkrise wiederholt unter Druck geraten, eine Eskalation der Krise zu verhindern. "Bisweilen gingen sie an die Grenzen ihres Mandats", sagte Weidmann.

Kritisch äußerte sich der Bundesbankpräsident zum groß angelegten Ankauf von Staatsanleihen. "In einer Währungsunion wie der europäischen, mit einer einheitlichen Geldpolitik, aber nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken, verwischen Staatsanleihekäufe die überaus wichtigen Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik", sagte er. Dadurch könne politischer Druck auf das Eurosystem entstehen, die sehr lockere Geldpolitik länger als nötig aufrechtzuerhalten.

Vorteile und Grenzen unkonventioneller Geldpolitik

Kritisch setzten sich auch weitere Teilnehmer des Symposiums mit der unkonventionellen Geldpolitik auseinander. So warnte Axel Weber, Weidmanns Vorgänger im Amt des Bundesbankpräsidenten, vor den Kosten dieser Politik. Dazu zähle die Fehlallokation von Kapital mit negativen Wirkungen auch auf die Finanzstabilität und die Stützung erfolgloser Unternehmen und Regierungen. Darüber hinaus hob Weber insbesondere die starken Verteilungswirkungen einer lang anhaltenden unkonventionellen Geldpolitik hervor. Nach seiner Ansicht vergrößere sich dadurch der Keil zwischen Beziehern von Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen. Letztlich sehe er die Gefahr, dass die unkonventionelle Geldpolitik den Boden für eine neue Krise bereiten könne, so Weber.

Als eine der wichtigsten Konsequenzen aus der Krise bezeichnete Jean-Claude Trichet, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, dass sich die größten Zentralbanken der Industriestaaten mittlerweile auf sehr ähnliche nominale Inflationsziele verständigt hätten. Kritisch äußerte er sich darüber, dass vor der Krise bei der Beurteilung der geldpolitischen Lage die Dynamik bei der Kreditentwicklung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dies sei absurd gewesen und habe sich seit der Krise geändert.

Heiße Kartoffel des Handelns

Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums äußerten sich besorgt darüber, dass in Krisenzeiten vor allem die Notenbanken gefragt waren. Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, sieht die Ursache dafür in der Fähigkeit von Notenbanken, schnell und effektiv zu reagieren, während der politische Prozess schwieriger und langsamer verlaufe. Lagarde sprach sich für einen umfassenden Ansatz von Geld- und Fiskalpolitik in Verbindung mit Strukturreformen aus. Als positive Beispiele nannte sie die G20-Gipfel 2008 und 2009 in Washington und London und das Konjunkturpaket der Europäischen Union von 200 Milliarden Euro. Notenbanken dürften nicht mit der "heißen Kartoffel" stehen gelassen werden, so Lagarde.

Nach Einschätzung von Jaime Caruana, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, sind trotz einiger Fortschritte politische Entscheidungen insgesamt zu kurzfristig orientiert. Dies berge die Gefahr, dass längerfristige Probleme wie beispielsweise der Aufbau von Finanzstabilitätsrisiken oder eine übermäßige Verschuldung nicht ausreichend berücksichtigt werden. "Wenn wir uns auf politische Sprints verlassen, laufen wir mit der Zeit Gefahr, den politischen Spielraum aufzuzehren", sagte Caruana.

Wettbewerb durch Fintechs

Das Symposium beschäftigte sich darüber hinaus auch mit der Frage neuer technologischer Entwicklungen für Zentralbanken durch die Digitalisierung. Bundesbankvizepräsidentin Claudia Buch betonte, dass das Wissen über Auswirkungen neuer, technologiegetriebener Finanzinnovationen, sogenannter Fintechs, mangels ausreichender Daten noch sehr begrenzt sei. Einen interessanten Ansatzpunkt sieht sie in der Verbindung von Wettbewerb und Finanzstabilität. Ein intensiverer Wettbewerb für traditionelle Banken durch Fintechs könne dabei zu Effizienzgewinnen führen, ebenso könne jedoch die Risikobereitschaft steigen, wenn Margen unter Druck gerieten.

Ravi Menon, geschäftsführender Direktor der Monetary Authority of Singapore, sprach sich für eine angemessene Regulierung von Fintechs aus. "So, wie es keinen Sinn ergibt, eine Glühbirne dem gleichen Regulierungsrahmen zu unterwerfen wie ein Kraftwerk, sollten für einen Zahlungsanbieter nicht dieselben Standards gelten wie für eine Universalbank."

Weidmann beleuchtete die technologische Entwicklung mit Blick auf die Idee einer von der Zentralbank herausgegebenen digitalen Währung. Unternehmen und Haushalte hätten damit ohne nennenswerte Lagerkosten wie bei Bargeld Zugang zur Zentralbankbilanz. "Was aus technologischer Perspektive faszinierend erscheint, wirft grundlegende Fragen über das Wesen des Finanzsystems und unserer Volkswirtschaft insgesamt auf", gab Weidmann zu bedenken. Mit einem Knopfdruck könnten Bankguthaben in die sichere, offizielle digitale Währung getauscht werden. "Was für Sparer auf der Suche nach Sicherheit ein Segen sein mag, könnte ein Fluch für Banken sein, da damit ein Bankenrun noch leichter wird", sagte er.

Zentralbanken sollten sich Weidmann zufolge bemühen, bestehende Zahlungssysteme effizienter und noch schneller zu machen als derzeit. "Ich bin recht zuversichtlich, dass dies das Interesse der meisten Bürger an digitalen Währungen senken wird", so der Bundesbankpräsident.