Finanzstabilitätsbericht 2021: Deutsches Finanzsystem hat in der Pandemie gut funktioniert
Das deutsche Finanzsystem hat in der Pandemie gut funktioniert, die umfangreichen staatlichen Maßnahmen haben den Finanzsektor vor Verlusten geschützt. Zu diesem Schluss kommt die Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht 2021. Gleichzeitig haben sich Verwundbarkeiten gegenüber negativen makroökonomischen Entwicklungen und speziell Risiken aus der Immobilienfinanzierung aufgebaut, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des Berichts. „Jetzt ist die richtige Zeit für Prävention gegenüber zukünftigen Risiken“,
betonte Buch.
Der Bericht untersucht zudem die Auswirkungen von Klimarisiken. Das deutsche Finanzsystem scheint demnach nur moderat verwundbar zu sein gegenüber Bewertungsänderungen infolge steigender CO2-Preise.
Verwundbarkeiten gegenüber makroökonomischen Risiken steigen
Das Bruttoinlandsprodukt ging in Deutschland im Jahr 2020 um 5 Prozent zurück. Staatliche Maßnahmen haben Einkommensverluste von Unternehmen und Haushalten jedoch aufgefangen. Die Zahl der Insolvenzen ist nicht gestiegen. Im Finanzsystem sind somit kaum Verluste entstanden, und die Widerstandskraft der Banken wurde nicht ernsthaft getestet. Die Kredite sind während der Pandemie weiter dynamisch gestiegen, der Finanzzyklus blieb expansiv.
In der Pandemie ist der Zusammenhang zwischen der makroökonomischen Lage und Kreditrisiken lockerer geworden. In künftigen Rezessionen könnten Kreditrisiken allerdings stärker steigen. Die Erfahrung der vergangenen Jahre sollten daher nicht in die Zukunft fortgeschrieben werden.
Für die deutsche Wirtschaft wird in den kommenden Jahren ein kräftiger Aufschwung erwartet. Da die Pandemie noch nicht vorüber ist, bleiben die wirtschaftlichen Aussichten aber unsicher. „Das deutsche Finanzsystem ist derzeit ausreichend widerstandsfähig, um eine gebremste wirtschaftliche Entwicklung gut verkraften zu können“,
sagte Joachim Wuermeling, der für die Bankenaufsicht zuständige Vorstand der Bundesbank. Bei einem schweren makrofinanziellen Schock könnten Banken die aufgebauten Kapitalpuffer einsetzen, um eine Einschränkung der Kreditvergabe zu verhindern. Wuermeling betonte zugleich, dass Banken sich für den Fall einer Materialisierung von Zinsänderungsrisiken wappnen müssten.
Risiken am Markt für Wohnimmobilien nehmen zu
Im Jahr 2020 sind die Preise für Wohnimmobilien mit durchschnittlich 6,7 Prozent abermals stark gestiegen. Vielfach werden weiter steigende Preise erwartet. Die Wohnungsbaukredite nahmen mit einer ähnlichen Rate zu: Im dritten Quartal 2021 sind sie im Vergleich zum Vorjahr um 7,2 Prozent gestiegen. Derzeit werden Überbewertungen von Wohnimmobilien – gemessen an Fundamentaldaten – auf 10 bis 30 Prozent geschätzt. Dies trifft zunehmend auch auf Immobilien außerhalb der Ballungsräume zu. Entsprechend könnte die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten überschätzt werden. Ein hoher Anteil von lang laufenden Krediten und Kapitalanlagen macht das deutsche Finanzsystem verwundbar gegenüber Zinsänderungsrisiken. Beispielsweise hat rund die Hälfte der Bankkredite für Wohnimmobilien eine Zinsbindungsfrist von mehr als zehn Jahren.
Prävention gegenüber zukünftigen Risiken erforderlich
Vor dem Hintergrund der gestiegenen Verwundbarkeiten muss jetzt verstärkt Prävention betrieben werden, damit das Finanzsystem gegenüber zukünftigen Risiken gewappnet ist. Das Ziel aller Marktteilnehmer sollte es sein, Widerstandsfähigkeit aufzubauen und Verwundbarkeiten zu begrenzen. „Es sollte rechtzeitig damit begonnen werden, den antizyklischen Kapitalpuffer wieder zu erhöhen“
, sagte Buch. Der Puffer stärkt die Resilienz der Banken und dient dazu, die Kreditvergabe in Krisen zu stabilisieren. Er kann entsprechend der Entwicklung des Finanzzyklus angepasst und bei Bedarf herabgesetzt werden. Zudem müssen die Entwicklungen am Wohnimmobilienmarkt genau beobachtet und Risiken begrenzt werden. Kreditnehmer und -geber sollten die Schuldentragfähigkeit im Blick behalten. Sollte sich abzeichnen, dass es zu Lockerungen der Kreditvergabestandards käme, hätte die Aufsicht verschiedene Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken.
Begrenzte Verwundbarkeit gegenüber klimabezogenen Transitionsrisiken
Das deutsche Finanzsystem scheint nur moderat verwundbar gegenüber Risiken zu sein, die sich aus einer höheren Besteuerung fossiler Energieträger auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Wirtschaft ergeben. In einer Szenarioanalyse der Bundesbank wurde unterstellt, dass die globale Klimapolitik das 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens verfolgt, der CO2-Preis erhöht und Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 erreicht wird. Eine solche Erhöhung des CO2-Preises führt zu Neubewertungen von Finanzanlagen. Insgesamt liegen die hieraus folgenden Auswirkungen auf die Portfolios von Banken, Versicherern und Investmentfonds im einstelligen Prozentbereich. Sie sind relativ gering, da die meisten Anlagen Laufzeiten von weniger als zehn Jahren haben. Es besteht jedoch kein Grund zur Entwarnung, da insbesondere physische Risiken nicht betrachtet wurden und die Modellierung von Klimarisiken mit Unsicherheiten behaftet ist. Ein zielgerichtetes und glaubwürdiges Handeln im Klimaschutz mindert die Risiken für das Finanzsystem aus dem Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft. Die Offenlegung der CO2-Emissionen von Unternehmen würde maßgeblich dazu beitragen, Risiken besser einschätzen zu können.