Flaggen der Europäischen Union vor dem Berlaymont-Gebäude in Brüssel ©Fotosearch.de

Monatsbericht: Europäische Verschuldung muss auf nationaler Ebene sichtbar werden

Die zunehmende Verschuldung auf der europäischen Ebene könnte dazu führen, dass nationale Fiskalkennzahlen künftig an Aussagekraft verlieren. Davor warnt die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht. „Die bestehenden nationalen Kennzahlen (etwa das Maastricht-Defizit oder der Maastricht-Schuldenstand) bilden die europäischen Schulden und Defizite nicht ab und greifen daher künftig potenziell zu kurz. Dies birgt unter anderem die Gefahr, dass die hieraus erwachsenden Lasten aus den Blick geraten“, heißt es in dem Bericht. Eine vollständige statistische Berichterstattung sollte deshalb auch für die europäische Ebene sichergestellt werden, so die Bundesbank-Fachleute.

EU-Defizite belasten Mitgliedstaaten

Anlass der Analyse ist, dass die Verschuldung auf europäischer Ebene infolge der Coronavirus-Pandemie stark ausgeweitet werden soll. Außerdem sollen neben Krediten künftig auch Transfers an die Mitgliedstaaten gezahlt werden. Das bedeutet,  dass der EU-Haushalt erstmals ein nennenswertes Defizit aufweisen wird. „Mit Defiziten auf der europäischen Ebene entsteht eine definitive – und nicht nur potenzielle – künftige Last der Mitgliedstaaten“, betont die Bundesbank. Es sei daher besonders wichtig, diese bei der Interpretation nationaler Kennzahlen zu berücksichtigen.

Das Problem erläutern die Ökonominnen und Ökonomen anhand eines fiktiven Beispiels. Wenn sich die EU mit zehn Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet und daraus über vier Jahre gleichmäßig Transfers an die Mitgliedstaaten zahlt, lägen die nationalen Defizite in diesem Zeitraum pro Jahr  2 ½ Prozent ihres BIP niedriger. Ein alleiniger Blick auf die nationalen Kennzahlen suggerierte eine günstigere Lage. „Trotz verbesserter nationaler Kennzahlen ist die nationale Finanzlage insgesamt aber nicht günstiger“, erläutern die Expertinnen und Experten. Denn europäische Schulden müssten später von den Steuerzahlenden in den Mitgliedstaaten bedient werden – zusätzlich zu den nationalen Schulden.

Werden die europäischen Schulden und Defizite nicht mit in den Blick genommen, drohten die bestehenden Fiskalregeln, die auf nationale Kennzahlen abzielen, ins Leere zu laufen. Die Fachleute warnen außerdem davor, dass sich sonst der Anreiz erhöhen könnte, die Schuldenaufnahme  grundsätzlich auszuweiten und sie nur von der nationalen auf die europäische Eben zu verschieben.

Umfassende Berichtspflicht auf europäischer Ebene notwendig

Die Bundesbank fordert deshalb mehr Transparenz durch eine umfassende Berichtspflicht der europäischen Ebene. „Für eine aussagekräftige Analyse der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist entscheidend, dass die zugrundeliegenden nationalen wie auch europäischen Statistiken vollständig, verlässlich und transparent aufgestellt werden“, heißt es im Monatsbericht. Dies gelte insbesondere für das Maastricht-Defizit und den Maastricht-Schuldenstand. Bislang sei das nicht der Fall. Wichtig sei zudem, dass die Daten auf europäischer Ebene zeitnah verfügbar seien. Dadurch könnten unter anderem die europäischen Defizite und Schulden den Mitgliedstaaten für Analysen zur Wirtschafts- und Fiskalpolitik zugeordnet werden.