Weidmann: Geldpolitische Normalisierung in den Blick nehmen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat abermals vor den Risiken der lockeren Geldpolitik im Euroraum gewarnt. Die Preisentwicklung sei derzeit zwar noch gedämpft. "Aber aufgrund der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung und einer von allen Prognosen vorhergesagten Inflationsrate von knapp 2 % im Jahr 2019 ist es durchaus legitim zu fragen, wann der EZB-Rat eine geldpolitische Normalisierung in den Blick nehmen sollte", sagte Weidmann auf dem Hauptstadtempfang der Bundesbank, den die Notenbank zum zweiten Mal ausrichtete.

Der Bundesbankpräsident kritisierte vor allem die unkonventionellen Instrumente der Geldpolitik, namentlich den Ankauf von Staatsanleihen durch das Eurosystem. Diese Käufe ließen die wichtige Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik verschwimmen. "Ich halte Staatsanleihekäufe deshalb für ein reines Notfallinstrument, insbesondere zur Abwendung einer Deflation."

Krise wirkt noch nach

Dass der binnenwirtschaftliche Preisdruck derzeit noch vergleichsweise gering sei, liege vor allem daran, dass die Krise in vielen Ländern weiter nachwirke, sagte Weidmann. Viele Banken seien weiterhin zurückhaltend bei der Kreditvergabe. Auch die Unternehmen und privaten Haushalte im Euroraum seien vielfach noch damit beschäftigt, ihre teilweise hohe Verschuldung zurückzuführen.

Die Sparbemühungen der öffentlichen Haushalte hätten dagegen seit 2013 spürbar nachgelassen, so der Bundesbankpräsident. Gerade die großen Mitgliedsländer Frankreich, Italien und Spanien hätten ihre Zinsersparnis durch das niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre vollständig ausgegeben und nicht zur Schuldentilgung genutzt. Weidmann lobte in diesem Zusammenhang die Ankündigung des neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, die Fiskalregeln einzuhalten und Wirtschafsreformen zu stärken.

Währungsunion weiterhin verwundbar

Der Bundesbankpräsident ging in seiner Rede auch auf die Architektur der Währungsunion und aktuelle Reformvorschläge ein. Er warnte davor, dass die im Zuge des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eingeführte Gemeinschaftshaftung den Verschuldungsanreiz der Euro-Länder noch verstärke. "Wenn also die nationale Ebene handelt, aber die europäische haftet, findet die Währungsunion dauerhaft keinen Halt. Sondern sie kommt potenziell ins Rutschen, weil politische Entscheidungsträger auf die Absicherung durch die europäische Ebene vertrauen", mahnte Weidmann.

Eine Vertiefung könne die Währungsunion nur dann stabiler machen, wenn jede Ebene selbst für die Verpflichtungen einstehe, die sie eingehe, sagte Weidmann. Er wiederholte in diesem Zusammenhang einen Vorschlag der Bundesbank, der vorsieht, dass alle Anleihen eines Staates, der Hilfen des ESM-Programms beantragt, automatisch um drei Jahre verlängert werden. Damit werden laut Weidmann die Anreize für private Gläubiger gewahrt, sorgsam Kredite zu vergeben. Daneben werde auch der Finanzierungsbedarf des Rettungsschirms deutlich verringert und damit seine Spannweite vergrößert.

Europäische Kapitalmarktunion

Auch ein gemeinsames Budget kann laut Weidmann die Gefahr eines Auseinanderdriftens der Währungsunion reduzieren. Es könne helfen, Schocks teilweise aufzufangen und so die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen Ländern stärker zu synchronisieren. "Aber die Wirkung ist nicht so groß, wie es sich manche vielleicht erhoffen", warnte er und verwies dabei auf das Beispiel USA. Wirkungsvoller seien integrierte Kapitalmärkte, bei denen die Anteilseigner eines Unternehmens sich auf verschiedene Staaten verteilten. Die Bundesbank unterstütze deshalb die Bemühungen der Kommission zur Gründung einer Europäischen Kapitalmarktunion. "Die Chance, den Euroraum auf diese Weise robuster zu machen, sollte also nicht ungenutzt bleiben", sagte Weidmann.

Zweiter Empfang in der Hauptstadt

Weidmann sprach auf dem Hauptstadtempfang der Bundesbank. Die Veranstaltung hat zum Ziel, den Austausch über Notenbankthemen in der Hauptstadt weiter zu verstärken und bietet Interessierten aus dem politischen Berlin die Gelegenheit, sich miteinander zu vernetzen. Unter den rund 200 Gästen waren sowohl Mitglieder des Finanz- und Haushaltsausschusses des Bundestags sowie Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Ministerien, der Wissenschaft und von Verbänden.