Zur Einführung der Mark im Dezember 1871 Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung

Die Einführung der Mark als gemeinsames Zahlungsmittel war alles andere als einfach, hatten doch alle deutschen Klein- und Kleinststaaten ihr eigenes Münzsystem. Sie stärkte aber das Gemeinschaftsgefühl zwischen Nord und Süd.

Vor 150 Jahren wurde die Mark als Währung des Deutschen Reiches eingeführt. Am 4. Dezember 1871 erließ der gerade erst zum deutschen Kaiser gekrönte Preußenkönig Wilhelm I. dazu ein Gesetz und die Währungsintegration der deutschen Länder erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten der Untergang des Alten Reiches in den Napoleonischen Kriegen und die Entstehung des Deutschen Bundes souveräner Staaten zu Kleinstaaterei auch im Geldwesen geführt: Alle deutschen Staaten hatten ihr eigenes Münzsystem.

Während Frankreich sich 1865 an die Spitze der ersten paneuropäischen Währungsunion, der Lateinischen Münzunion, stellen konnte, hatte man in deutschen Landen Mühe, die süddeutschen Guldenwährungen zu den norddeutschen Talerwährungen in ein praktikables Verhältnis zu setzen. Dazu bedurfte es mehrerer Münzverträge.

Bei Inkrafttreten der Verfassung des Deutschen Bundes zum 1. Januar 1871 und der feierlichen Krönung von Wilhelm I. zum Kaiser des neuen Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles existierten nicht weniger als acht Währungen im Reichsgebiet. Am weitesten war der Taler verbreitet, der 30 Groschen zu je 12 Pfennigen galt. In weiten Teilen Sachsens rechnete man davon abweichend den Groschen zu 10 Pfennigen, während Mecklenburg den Taler in 48 Schillinge zu je 12 Pfennigen teilte. Süddeutschland wurde dagegen dominiert von einer Guldenwährung, die unter anderem in Bayern, Baden und Württemberg und Hessen galt. Der Gulden wurde dort in 60 Kreuzer eingeteilt. Der Dresdener Münzvertrag von 1838 band Talerwährung und Guldenwährung im Verhältnis von 2 Talern gleich 3½ Gulden aneinander.

Lübeck und Hamburg nannten ihre Währung bereits Mark, rechneten diese allerdings zu 16 Schillingen je 12 Pfennige. Zusätzlich gab es in den beiden Hansestädten noch eine Bankwährung für den Großhandel, deren Wert in Feinsilberbarren begründet lag. Einzig Bremen verfügte über eine Goldwährung, deren Pistole (so kriegerisch hieß die Münzeinheit!) fünf Taler entsprach, der Taler 72 Grote zu je fünf Schwaren. In Elsass-Lothringen schließlich galt das französische Frankensystem; ein Franc war in 100 Centimes unterteilt.

Erst der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 schaffte die Voraussetzungen für Verständigung und die Gründung einer gemeinsamen nationalen Währung: Nach schwierigen Verhandlungen wurde mit dem Gesetz vom 4. Dezember 1871 die Ausgabe von Goldmünzen mit einem Feingehalt von 900/1000 beschlossen.

Die Nominale der Münzen ordneten sich nunmehr nach französischem Vorbild in das Dezimalsystem ein. In Frankreich hatte das moderne Dezimalsystem schon nach Ausrufung der Republik, also beinahe ein Jahrhundert früher, Einzug in das Münzwesen gehalten. Die neuen deutschen Goldmünzen sollten im Nennwert von 10 und 20 Mark ausgegeben werden. Überall im Reichsgebiet gingen von nun an 100 Pfennige auf eine Mark.

Geregelt war auch das Aussehen der neuen Münzen. Auf der einen Seite sollte der Reichsadler zu sehen sein, die Inschrift „Deutsches Reich“ und die Wertangabe. Die andere Seite war den Bildnissen der jeweiligen fürstlichen Landesherren vorbehalten oder aber den Hoheitszeichen der freien Städte Bremen, Hamburg und Lübeck, ergänzt jeweils um die passende Inschrift und das Zeichen der Münzstätten.

In der besonders sensiblen Frage der Münzprägung als wesentlichem Souveränitätsrecht war dem Bundesrat die Zustimmung zu der vom Reichskanzler festgesetzten Prägemenge vorbehalten. Im Einzelnen ging es dabei um die Gesamtmenge der Ausprägung und deren Verteilung auf die verschiedenen Nominale. Vor allem aber war für die Bundesstaaten interessant, wie die Gesamtprägung auf deren Prägestätten verteilt wurde und welche Vergütung vom Reich für die Ausmünzung der einzelnen Nominale gezahlt werden sollte.

Treue Anhänger

Die Reaktionen auf die Einführung der einheitlichen Währung fielen in Norddeutschland positiver aus als in Süddeutschland. Das preußische Köln betrachtete 1871 das „Reichs-Münzgesetz als eine durchaus gesunde Grundlage für eine den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechende Umgestaltung des Deutschen Münzwesens“. Die Handels- und Gewerbekammer für Oberfranken äußerte sich dagegen kritisch: „leider ist damit dem Bedürfniß des Handels- und Gewerbestandes noch wenig entsprochen und jedenfalls weniger, als wenn nach unserem wiederholt dargelegten Wunsche einfach auf die französische Goldwährung übergegangen worden wäre.“

Das Zusammenwachsen von Nord und Süd brauchte offenkundig seine Zeit. Doch über die Jahre entwickelte sich die 1871 eingeführte Mark zu einem Zahlungsmittel, das den Norden und den Süden des Landes zu treuen Anhängern der gemeinsamen Währung machte. Im Vorfeld der Einführung des Euro im Jahr 1999 war dieses Erlebnis lange vergessen. Nunmehr ist es die Aufgabe der seit 2002 ausgegebenen gemeinsamen Euro-Münzen und -Banknoten, das Gemeinschaftsgefühl von Norden und Süden zu vertiefen.