Schwerpunkte des Monatsberichts Juli
Gemeinsame europäische Bankenaufsicht – Erster Schritt auf dem Weg zur Bankenunion
Im Zuge der gegenwärtigen Finanzkrise offenbarten sich Mängel in der Architektur der Aufsicht über Kreditinstitute innerhalb der Währungsunion. Zur Lösung dieses Problems wurde im Jahr 2012 die grundsätzliche politische Weichenstellung getroffen, umfangreiche bankaufsichtliche Kompetenzen und Befugnisse einschließlich des Erlasses hoheitlicher Maßnahmen auf die europäische Ebene zu verlagern.
Mittlerweile haben der Rat und das Europäische Parlament einen Kompromiss über eine Verordnung erzielt, die einen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism: SSM) errichten wird. Dieser überträgt weitgehende Aufsichtskompetenzen auf die Europäische Zentralbank (EZB), wobei sich der SSM aus der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden der Staaten des Euro-Währungsgebiets zusammensetzt. EU-Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, haben die Möglichkeit eines freiwilligen Beitritts zum SSM (Opt-In).
Die Aufgabenteilung im SSM beruht auf der Differenzierung zwischen signifikanten und weniger signifikanten Instituten: Bei den signifikanten Instituten werden hoheitliche Befugnisse unmittelbar von der EZB ausgeübt, nationale Aufseher werden bei der Sachverhaltsaufklärung und Entscheidungsvorbereitung eingebunden. Demgegenüber liegen bei den weniger signifikanten Instituten diese Befugnisse weitgehend bei den nationalen Behörden, die sie aber in Einklang mit allgemeinen Weisungen der EZB ausüben werden. Daneben erfolgt eine Einbindung nationaler Institutionen in die Gremien des SSM.
Der SSM stellt nur einen Teil der Bankenunion dar, zu deren Vervollkommnung vor allem ein gemeinsamer Mechanismus zur Abwicklung von Banken mit harmonisiertem Abwicklungsrecht zu entwickeln ist. Arbeiten an diesen Komponenten sind ebenfalls bereits im Gange. Die Bankenunion kann die gegenwärtige Krise nicht lösen, aber wertvolle Beiträge dazu leisten, künftige Krisen weniger wahrscheinlich zu machen. Hierfür ist es wichtig, dass die Governance-Strukturen ordentlich aufgesetzt, geldpolitische und bankaufsichtliche Aufgaben trennscharf abgegrenzt und die neuen Strukturen auf einer gerichtsfesten Grundlage etabliert werden. Im Zuge der weiteren Arbeiten an der Bankenunion sollten daher auch die Rechtsgrundlage des SSM und Möglichkeiten zur Verbesserung überprüft werden.
Unterschiede im Geldmengen- und Kreditwachstum im Euro-Raum und in einzelnen Mitgliedsländern
Die monetäre Entwicklung im Euro-Währungsgebiet ist derzeit durch ein moderates Geldmengenwachstum bei gleichzeitig schrumpfendem Volumen der Buchkredite an den inländischen Privatsektor gekennzeichnet. Hinter den aggregierten Zahlen verbergen sich jedoch sehr unterschiedliche nationale Entwicklungen: So wird das positive Geldmengenwachstum durch Portfolioverschiebungen in den Kernländern der Währungsunion, insbesondere in Deutschland, getrieben, während die schwache Kreditentwicklung vor allem den fortgesetzten Abbau der Buchkredite an den Privatsektor in den Peripherieländern reflektiert.
Diese heterogenen Entwicklungen bedeuten eine Herausforderung für die monetäre Analyse im Euro-Währungsgebiet. So greift eine Einschätzung der monetären Entwicklung allein anhand der aggregierten Entwicklungen für den Euro-Raum zu kurz. Vielmehr müssen zunächst die Ursachen für die gegenläufigen Entwicklungen im Geldmengen- und Kreditwachstum auf Länderebene geklärt werden. Für Deutschland, das derzeit den mit Abstand größten positiven Beitrag zum Geldmengenwachstum im Euro-Raum leistet, deuten diese Analysen auf einen transitorischen Anstieg der Geldnachfrage hin. Damit stellt sich hier die Frage, auf welche Weise diese erhöhte Geldhaltung wieder abgebaut werden wird. Die Analyse für die Peripherieländer zeigt dagegen, dass hinter dem Abbau der Kredite neben der konjunkturellen Entwicklung vor allem die notwendige Korrektur von in der Vergangenheit aufgebauten Kreditüberhängen steht. Abwärtsrisiken könnten sich für diese Länder im Falle weiterer adverser Schocks infolge von negativen Rückkopplungen zwischen dem Kreditangebot und der realwirtschaftlichen Entwicklung ergeben.
Die gemeinsame Geldpolitik kann auf derartige länderspezifische Risiken nur reagieren, sofern sie die Preisstabilität im gesamten Euro-Währungsgebiet gefährden. Ist dies nicht der Fall, so sind andere Politikbereiche gefordert: Sollte sich beispielsweise in Deutschland in bestimmten Marktbereichen eine Vermögenspreisinflation abzeichnen, ohne dass diese Auswirkungen für das gesamte Euro-Währungsgebiet hätte, so wäre der Einsatz makroprudenzieller Instrumente auf nationaler Ebene erforderlich. Dagegen sind die Abwärtsrisiken in den Peripherieländern vor allem in der Fragilität ihres Bankensystems gegenüber weiteren negativen Schocks begründet. Der Abbau dieser Verwundbarkeit erfordert eine Reihe von Maßnahmen wie die Offenlegung von bereits entstandenen oder zu erwartenden Verlusten mit entsprechenden Wertberichtigungen in den Bilanzen, eine Entscheidung über Abwicklung beziehungsweise Restrukturierung oder Rekapitalisierung der betroffenen Banken und eine Regulierung, die die Vermeidung des Entstehens neuer Anfälligkeiten in der Zukunft zum Ziel hat.
Zinsstrukturkurvenschätzungen im Zeichen der Finanzkrise
Die Zinsstruktur bildet die Beziehung zwischen der Laufzeit und der Rendite von Anleihen ab. Sie enthält eine Vielzahl von Informationen, beispielsweise über die Wachstums- und Inflationserwartungen der Marktteilnehmer und ist damit auch für die Geldpolitik interessant. Mit der Finanzmarkt-, Banken- und Staatsschuldenkrise ist die Interpretation von Zinsstrukturkurven allerdings schwieriger geworden, da die Renditen seitdem stärker auch von anderen Einflussfaktoren wie Liquiditäts- oder Ausfallrisiken getrieben werden.
Der Monatsbericht erläutert deshalb Ergebnisse von Verfahren, mit denen unterschiedlichste Einflussfaktoren von Zinsstrukturkurven isoliert werden können. Zu diesen zählen Wachstums- und Inflationserwartungen, sich im Zeitablauf ändernde Laufzeitprämien, aber auch marktstrukturelle Einflüsse wie Liquiditätsabschläge. Die Verfahren reichen von der einfachen Differenzenbildung zweier Zinsstrukturkurven zur Ableitung von Prämien, die nur in einer der beiden Kurven enthalten sind, bis hin zur Schätzung von affinen Zinsstrukturmodellen mit makroökonomischen Faktoren.
Dabei stellt sich zwar heraus, dass Änderungen von Inflationserwartungen sowie liquiditäts- oder bonitätsgetriebene Veränderungen nicht immer eindeutig identifiziert werden können. Dennoch leistet das vorgestellte Analyseinstrumentarium einen Beitrag, Entwicklungen der Zinsstruktur und die sie treibenden Komponenten klarer zu sehen. Zinsstrukturmodelle bieten deshalb auch einen wertvollen Ansatzpunkt zum besseren Verständnis der Wirkungsweise der Geldpolitik.