Schwerpunkte des Monatsberichts Juni

Perspektiven der deutschen Wirtschaft – Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen bis 2016

Die deutsche Wirtschaft ist mit viel Schwung in das Jahr 2014 gestartet. Zwar wird sich das hohe Expansionstempo des ersten Quartals nicht halten lassen, die Voraussetzungen für ein recht kräftiges Wirtschaftswachstum sind im Prognosezeitraum aber gegeben. Dazu zählt, neben der sich weiter verbessernden konjunkturellen Lage der Industrieländer und der graduellen Erholung des Euro-Raums, die gestärkte deutsche Binnenwirtschaft. Diese profitiert von niedriger Arbeitslosigkeit, kräftiger Zuwanderung, einer vergleichsweise guten finanziellen Lage der privaten und öffentlichen Haushalte, der gehobenen Stimmung der Konsumenten, dem geringen Verschuldungsgrad der Unternehmen und ausgewogenen Preis-Kosten-Relationen sowie sehr günstigen Finanzierungsbedingungen. Bremsend auf das Wirtschaftswachstum wirken künftig Verknappungen am Arbeitsmarkt, die durch Maßnahmen wie die abschlagsfreie Rente mit 63 verstärkt werden.

Unter diesen Bedingungen dürfte die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr in kalenderbereinigter Rechnung um knapp 2% expandieren, während in den beiden Folgejahren das Tempo allmählich nachlässt; in Ursprungswerten würde dies wegen teilweise recht ausgeprägter Kalendereffekte zu Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,9% im Jahr 2014, 2,0% im Jahr 2015 und 1,8% im Jahr 2016 führen. Da die Zuwächse das Potenzialwachstum deutlich übertreffen, steigt die Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten spürbar. Die für diese Zunahme der Wirtschaftsleistung notwendigen Beschäftigungssteigerungen müssten vor allem aus der Zuwanderung gespeist werden, weil die Arbeitslosigkeit weitgehend auf einen friktionell und strukturell bedingten Kern reduziert und die Erwerbsbeteiligung bereits recht hoch ist. Die zu erwartenden Anspannungen am Arbeitsmarkt dürften mit einer Verstärkung des Lohnanstiegs einhergehen, zu der auch der neue allgemeine Mindestlohn beiträgt.

Der verstärkte Lohnanstieg wird sich in höheren Teuerungsraten niederschlagen. Gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) könnte sich die Preissteigerungsrate von 1,1% im laufenden Jahr auf 1,5% im kommenden und 1,9% im darauf folgenden Jahr erhöhen. Hierbei wird von unveränderten Wechselkursen und nachgebenden Rohölnotierungen ausgegangen. Ohne Energie gerechnet könnte die Rate im Jahr 2016 auf über 2% ansteigen.

Auf der Nachfrageseite ergeben sich Risiken vor allem aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld. Vermehrte geopolitische Spannungen oder eine erneute Zuspitzung der Krisen im Euro-Gebiet würden das BIP-Wachstum nicht nur über den Außenhandel, sondern auch über Vertrauenseffekte dämpfen. Auf der Angebotsseite bestehen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs der zukünftigen Wanderungsströme, der noch mobilisierbaren Reserven am heimischen Arbeitsmarkt sowie der Wirkungen des Mindestlohns und der abschlagsfreien Rente mit 63. Stellen sich die Angebotsbedingungen günstiger dar als hier angenommen, sollten das BIP-Wachstum stärker und der Lohndruck schwächer ausfallen. In einem Szenario rascher zunehmender Verknappungen würden zumindest Löhne und Preise schneller steigen, und die realwirtschaftliche Expansion könnte hinter dem hier vorgezeichneten Pfad zurückbleiben.

Neue europäische Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Banken

Im Zuge der seit 2007 andauernden Finanzkrise sahen sich Staaten mit Blick auf die Finanzstabilität wiederholt veranlasst, in Schieflage geratene Kreditinstitute unter Einsatz öffentlicher Mittel zu retten. Um derartige Bail-outs in Zukunft zu vermeiden und auch komplexere Banken ohne Einsatz von Steuermitteln abwickeln zu können, wurden auf globaler Ebene Grundzüge von Abwicklungsregimen entwickelt. In der Europäischen Union (EU) sind zur Umsetzung dieses Konzeptes zwei Gesetzgebungsprojekte initiiert worden: Zum einen die für alle EU-Mitgliedstaaten geltende Richtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive: BRRD), die die Sanierungs- und Abwicklungsinstrumente harmonisiert, ihre Anwendung aber in der Zuständigkeit nationaler Abwicklungsbehörden belässt; zum anderen eine Verordnung zur Errichtung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism: SRM). Letztere setzt auf den Instrumenten der BRRD auf und ergänzt den bereits weit vorangeschrittenen Aufbau eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Banken (Single Supervisory Mechanism: SSM). Die Banken derjenigen Mitgliedstaaten, die am SSM teilnehmen – das sind die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, sowie etwaige freiwillig hinzutretende Mitgliedstaaten von außerhalb des Euro-Währungsgebiets – unterfallen dem SRM, einem institutionellen Mechanismus mit einem Abwicklungsgremium auf europäischer Ebene sowie einem einheitlichen Abwicklungsfonds. Die dem Abwicklungsfonds zur Verfügung gestellten nationalen Finanzmittel werden über eine Übergangszeit von acht Jahren sukzessive vergemeinschaftet.

Die BRRD stellt einen wichtigen Schritt zur Wiederherstellung marktwirtschaftlich konformer Grundsätze dar. Demgemäß sollten bei Scheitern einer Bank zunächst die Anteilseigner und Gläubiger Risiken und Verluste tragen und erst danach ein dedizierter, von der Bankenindustrie finanzierter Abwicklungsfonds. Die BRRD verfolgt dieses Ziel vor allem durch das neuartige Instrument des Bail-in, sieht allerdings auch Ausnahmen vor, durch die vom Grundsatz abgewichen wird, dass primär die Anteilseigner und Gläubiger Verluste tragen.

Der SRM ist Bestandteil des umfassenden Reformprojekts Bankenunion und eine notwendige Ergänzung zum bereits beschlossenen SSM, der planmäßig im November 2014 die Verantwortung für die Aufsicht über die Banken des Euro-Währungsgebiets übernehmen wird. Mit dem SRM liegen dann wieder Haftung und Kontrolle in einer Hand. Allerdings weist das jetzt gefundene Konstrukt komplexe institutionelle Entscheidungsmechanismen auf und ist mit rechtlichen Risiken verbunden, die sich aufgrund des derzeit geltenden primärrechtlichen Rahmens ergeben. Die jetzige Form des SRM sollte daher nur Übergangscharakter haben, bis eine solide primärrechtliche Basis geschaffen ist. Die politischen Entscheidungsträger bleiben aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit Anreize für eine nachhaltig tragfähige Politik bestehen. Das setzt voraus, dass die Einflussmöglichkeiten auf die Qualität von Bankbilanzen einerseits und die Verantwortung für die Konsequenzen von Bankinsolvenzen andererseits auf derselben Ebene angesiedelt sind. Dies gilt für die Zukunft ebenso wie für den Umgang mit bereits in den Bankensektoren vorhandenen Altlasten. 

Geänderte Methodik und Systematik bei Zahlungsbilanz und Auslandsvermögensstatus 

Die deutsche Zahlungsbilanzstatistik ist eine umfassende, systematische Darstellung der wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Gebietsfremden in einer Berichtsperiode. Mit der Veröffentlichung der Angaben zum Berichtsmonat Mai im Juli dieses Jahres wird ihr methodisches Konzept auf den überarbeiteten Standard des Internationalen Währungsfonds (IWF) umgestellt. Sie folgt damit der sechsten Auflage des Handbuchs zur Zahlungsbilanz und zum Auslandsvermögensstatus. Die neuen Regeln sind für die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) durch eine Verordnung der Europäischen Kommission (EU-Kommission) verbindlich vorgeschrieben.

Die Berichtspflichten der nationalen Zentralbanken des Eurosystems gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) sind darüber hinaus in einer Leitlinie der EZB im Einzelnen dargelegt. Die grundlegende Struktur der Zahlungsbilanz mit Leistungs-, Vermögensänderungs- und Kapitalbilanz bleibt mit der Umsetzung des Regelwerks zwar erhalten, doch werden die bisherigen Konzepte zur Erfassung und Abbildung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt, um veränderten wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Neue Zuordnungen zu den Teilbilanzen, detailliertere Untergliederungen sowie die Berücksichtigung bislang nicht erfasster Transaktionen verbessern die Aussagekraft des statistischen Rechenwerks. Insgesamt ist nunmehr eine vollständige Angleichung der Konzepte zwischen den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) und der Zahlungsbilanz erreicht worden.

Das verstärkte Augenmerk, das auf den Zusammenhang zwischen den Stromgrößen der Kapitalbilanz und den Bestandsgrößen des Auslandsvermögensstatus gerichtet wird, manifestiert sich in einem erstmals vollständig integrierten Kontensystem. Damit kann auch für die einzelnen Positionen aufgezeigt werden, ob ihre Veränderungen auf Transaktionen, Bewertungseffekten oder anderen Anpassungen beruhen. Dieser Logik entsprechend ändert sich in der Kapitalbilanz die Vorzeichenkonvention. Ein Netto-Kapitalexport wird nunmehr als eine Zunahme des Netto-Auslandsvermögens verstanden und deshalb – anders als bisher – mit einem Pluszeichen versehen. Auch der Zusammenhang zwischen den grenzüberschreitenden Vermögensbeständen und den sich daraus ergebenden Einkommensströmen wird hervorgehoben. Die quantitativen Auswirkungen der methodischen Umstellungen auf die großen Teilsalden sind vergleichsweise gering.

Beim Leistungsbilanzsaldo bleibt der rein methodisch bedingte niveausenkende Effekt in der Größenordnung der üblichen Jahresrevisionen. Im Ergebnis wird die von der EU-Kommission im Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte überwachte Quote des Leistungsbilanzsaldos in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) leicht nach unten revidiert. Sie liegt jetzt nicht mehr durchgängig seit 2007 über dem indikativen Schwellenwert.

Bargeldabhebungen am Point-of-Sale: Konsequenzen für die Geldhaltung 

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es zu untersuchen, welche Rolle Point-of-Sale (POS)-Abhebungen – also Abhebungen an Supermarkt- und Tankstellenkassen – bei der Bargeldbeschaffung von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland spielen und welche Konsequenzen sich hieraus für ihre Bargeldhaltung ergeben. Die empirische Analyse basiert auf Daten der Zahlungsverhaltensstudie 2011, bei der erstmals gezielt Fragen zu der neuartigen Abhebemöglichkeit gestellt wurden.

Eine deskriptive Auswertung der Daten zeigt, dass POS-Abhebungen in Deutschland momentan erst in geringem Umfang genutzt werden. Ein durchschnittlicher deutscher Verbraucher deckt lediglich 1% seines jährlichen Bargeldbedarfs mithilfe dieser Abhebeart. 92% der Befragten geben an, sie noch überhaupt nicht zu nutzen. Personen, die am POS Bargeld abheben, tun dies überwiegend, wenn sie vergessen haben, anderweitig Bargeld zu besorgen. Die am häufigsten geäußerten Gründe, nicht am POS abzuheben, sind dagegen eine ausreichende Anzahl in räumlicher Nähe verfügbarer Geldausgabeautomaten (GAA), mangelndes Vertrauen zu den Händlern und das fehlende Wissen über das Angebot.

Die Wahrscheinlichkeit, am POS Geld abzuheben, ist höher für Personen, die in ländlichen Regionen leben und ihr Konto bei einer Bank mit geringer GAA-Abdeckung haben. Überdies zeigt sich, dass Personen, die häufiger POS-Abhebungen tätigen, im Mittel einen geringeren Bargeldbestand halten. Die sich hieraus ableitenden Effekte auf die inländische Transaktionskasse sind jedoch – selbst bei einer zukünftig stärkeren Nutzung des Verfahrens – gesamtwirtschaftlich vernachlässigbar.