Die Bedeutung des Bargelds als Wertaufbewahrungsmittel Tagung des Deutschen Historischen Museums

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Kretzschmar,
sehr geehrter Herr Evers,
sehr geehrter Herr Muschalla,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

"Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!" Dieses Sprichwort dürfte allgemein bekannt sein, genauso wie "Sparen ist eine Tugend". Wer wüsste das besser als die Deutschen? Denn die Sparquote der privaten Haushalte ist hier mit fast zehn Prozent im internationalen Vergleich hoch. Gespart werden kann in verschiedenen Ausprägungen, zum Beispiel in Form von Immobilien oder Geld. Die Wertaufbewahrungsfunktion ist eine wichtige Funktion des Geldes. Wer spart, bildet sich so eine Reserve, über die er später bei Bedarf verfügen kann. Deshalb freue ich mich, dass das DHM eine Sonderausstellung im nächsten Jahr vom 16. März bis zum 19. August durchführt. Ich finde es bemerkenswert – aber auch dem öffentlichen Auftrag des DHM und ihrem eigenen Anspruch entsprechend – dass wir mit einem Vorlauf von über einem Jahr ein hochkarätiges zweitägiges Symposium an diesem geschichtsträchtigen Ort im Max-Liebermann-Haus, direkt neben dem Brandenburger Tor, zu diesem Thema durchführen.

1 Geschichte des (Bar-)Gelds

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

können Sie sich vorstellen, bei Nacht, mit abgeblendeter Taschenlampe und Spaten bewaffnet in Ihren Garten zu schleichen, um unter Ihrem Lieblingsrhododendron  einen Milchkrug gefüllt mit Bargeld zu vergraben? Gehen wir nur 400 Jahre zurück, dann wäre das ein durchaus gängiges Verfahren zur Sicherung Ihres Vermögens gewesen. Liebe Frau Kretzschmar, Sie wissen, worauf ich hier anspiele: Bei der Previewveranstaltung zur Neueröffnung unseres Geldmuseums in Frankfurt  Ende letzten Jahres haben Sie im Geldkabinett sicherlich auch den dort ausgestellten Münzschatz gesehen, ursprünglich verborgen in eben einem solchen Krug. Der damalige Besitzer hatte am Ende des 16. Jahrhunderts kaum eine andere Wahl, seinen sowohl angesparten Reichtum in Form von hochwertigen Talern als auch sein Alltagskleingeld  auf diese Weise vor fremdem Zugriff zu schützen. Zwar gab es schon seit dem 14. Jahrhundert Banken, doch das war etwas für die "Großkopferten" in der Stadt. Die reichen Händler, die durften ihr Geld auf Konten in Sicherheit bringen, unser Bauer auf dem Lande musste kreativ werden. Und da der Verberger in der Regel die einzige Person war, die um das Versteck wusste, ging nicht selten das Wissen um den "Schatz" mit seinem plötzlichen Ableben unwiederbringlich verloren. Selbst in der Neuzeit fanden sich z. B. große Geldscheinmengen verborgen hinter der Tapete, von denen bis zur Renovierung des Hauses niemand etwas wusste.

Noch einmal kurz zurück in die papiergeldlose Zeit: Jeder, der ein bisschen was auf die Seite legen konnte, war bestrebt, die Wertaufbewahrung stabil zu gestalten. So waren die Edelmetallmünzen von höchstmöglicher Reinheit die bevorzugten Objekte der Begierde, egal aus welchem Land sie auch stammen mochten. Was zählte, war der Wert des Metalls, nicht die Summe der  Nominale. Und so verschwand mancherorts das gute Geld aus dem Verkehr und die minderwertigeren Kollegen beherrschten das Feld, bis auch sie gut genug waren, um von noch schlechteren Münzen verdrängt zu werden. (Gresham's law: "Bad money drives out good.") Wertaufbewahrung und -erhalt waren in jenen Tagen nicht immer leicht zu realisieren.

Doch bei all diesem Umstand war der Mensch, der praktikables Geld in Form von Münzen und später dann auch Banknoten zur Hand hatte, in einer komfortablen Lage - verglichen mit den Anfängen des Wertetausches und der  Werteaufbewahrung.

Als es noch kein Geld gab, tauschten die Menschen Ware gegen Ware, was ein sehr umständlicher Prozess war. Fand sich kein direkter Tauschpartner, waren manchmal lange Tauschketten nötig, bis jeder bekam, was er brauchte. Schon früh kamen die Menschen daher auf die Idee, beim Handeln ein allgemein anerkanntes Tausch- und Zahlungsmittel zwischenzuschalten: Geld. Es vereinfacht den Warentausch und fördert den Handel.

Über viele Jahrhunderte galten wertvolle Waren wie Gold, Silber, Salz oder bestimmte Muscheln als Geld. Während sich die genauen Ursprünge der Verwendung von Geld im Dunkel der Geschichte verlieren, lässt sich der Beginn der Verwendung von Münzen in unserem Kulturkreis auf die Mitte des siebten Jahrhunderts v. Chr. datieren. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie im östlichen Ägäisraum sozusagen "erfunden". Als Geld verwendeten die Lyder und Ionier in Kleinasien lange Zeit Klumpen aus rohem Metall, die sie von einem größeren Brocken abhackten und dann abwogen. Doch ab etwa 650 v. Chr. begannen sie, Metallstücke zu gießen und ihnen ein Zeichen aufzuprägen. So entstanden die ersten Münzen.

Bis zur Entwicklung des Papiergelds sollten noch viele Jahrhunderte vergehen. Es entstand auch nicht in unserem Kulturkreis, sondern im fernen Asien. Die ältesten Überlieferungen zu Papiergeld in China stammen aus der Zeit um 1024 n. Chr. Es handelte sich dabei um Quittungen für hinterlegtes Metallgeld, die als Zahlungsmittel verwendet wurden. In Europa hat Papiergeld eine wesentlich kürzere Geschichte. Bis ins 17. Jahrhundert kannte man hier nur Münzen, obwohl schon Marco Polo von der Erfindung des Papiergelds in China berichtet hatte. Erst das enorme Gewicht der schwedischen Kupferplattenmünzen brachte einen Bankier in Stockholm 1661 auf die Idee: Er gab für eingelieferte Kupferplatten Quittungen aus Papier aus – die bald als Geldscheine genutzt wurden.

Heute spielen Banknoten eine viel bedeutendere Rolle als Münzen. Hinter dieser bedruckten Baumwolle – aus diesem Material sind die Euro-Banknoten gefertigt – steht kein nennenswerter Materialwert. Entscheidend ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, dass die Banknoten als Tauschmittel akzeptiert werden. Dieses Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Währung ist ein hohes Gut. Als Notenbank für Deutschland wacht die Bundesbank gemeinsam mit den anderen Notenbanken im Euro-Raum darüber, dass dieses Vertrauen gewahrt wird. Unbestritten dürfte sein, dass Geld mit seinen Funktionen als Recheneinheit und Tauschmittel Grundlage der Arbeitsteilung ist. Solange jeder nur das produzierte, was er selbst zu verzehren gedachte, gab es keinen Bedarf Güter zu tauschen. Sobald aber Güter getauscht werden, entsteht das Problem ihrer Bewertung. Mit der Erfindung von Geld konnte der Wert der produzierten Waren gemessen werden, was den Handel erleichterte. Und natürlich löst Geld als universell akzeptiertes Zahlungsmittel das Problem, dass sich bei einem Tausch die Wünsche der Vertragsparteien wechselseitig decken müssen. Erst mit Geld lässt sich das große Potenzial erschließen, das in der Arbeitsteilung steckt.

Bargeld hat seit Beginn der Bargeldnutzung erhebliche Ressourceneinsparungen gebracht. Die Kosten für den Transport und die Informationsbeschaffung, der Zeitaufwand und die Kosten für die effektive Warenübergabe wurden mit der Einführung von Bargeld als Tauschmedium und Recheneinheit enorm reduziert. Die so frei gesetzten Ressourcen können in einer sich weiter entwickelnden Gesellschaft anderweitig eingesetzt werden und somit den Wohlstand einer Gesellschaft mehren.

Darüber hinaus hat Geld kein Verfallsdatum. In Geld wird der Wert eines verkauften Gutes gespeichert und Geld macht es so möglich, diesen Wert in die Zukunft zu übertragen. Um als Wertspeicher zu dienen, muss Geld haltbar und wertbeständig sein. Da das Geld heute kaum einen eigenen Materialwert mehr hat, kommt es darauf an, den Nominalwert zu erhalten. Staatliche Zentralbanken haben die Aufgabe, diesen Geldwert zu sichern. "Inflation oder Deflation sind nur zwei Fremdwörter für Pleite!", so kommentierte der Bankier Carl Fürstenberg die Notwendigkeit für Geldwertstabilität treffsicher.

Wertbeständigkeit, Haltbarkeit und nicht zuletzt Vertrauen sind notwendig, damit Geld die ihm zugedachten Funktionen erfüllen kann. Doch "Geld" beschränkt sich nicht nur auf Banknoten und Münzen. Auch Buchgeld kann als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel fungieren, was in Europa bereits seit einigen Jahrhunderten praktiziert wird. Gerade in unseren heutigen, modernen Zeiten sind Innovationen im unbaren Zahlungsverkehr häufig. Kontaktloses Bezahlen, Zahlungen mit dem Smartphone, mit Kryptowährungen oder per Internetbezahlverfahren – die Digitalisierung führte zu einer nie dagewesenen Fülle an Bezahlmöglichkeiten. Und auch bezüglich der Wertaufbewahrungsfunktion konkurriert das unverzinsliche Bargeld mit verschiedensten alternativen Anlageformen vom klassischen Sparbuch über die Lebensversicherung bis zum börsennotierten Fonds. Warum sollte man im 21. Jahrhundert also Bargeld verwenden? Was macht es auch heute noch besonders und einzigartig?

2 Bargeld – ein ganz besonderes Zahlungsmittel

Nun, zum einen kann mit Bargeld direkt Zug um Zug bezahlt werden, das heißt weder der Verkäufer noch der Käufer einer Ware muss in Vorleistung treten. Beide sind so gegen eine Insolvenz der Gegenseite geschützt. Dies ist zum Beispiel beim Kauf und Verkauf von teuren Waren zwischen Privatpersonen von Interesse. Wenn ich einem Unbekannten einen Gebrauchtwagen verkaufe, möchte ich mich nicht darauf verlassen müssen, dass er mir das Geld später überweist.

Im Euro-Währungsgebiet sind Euro-Banknoten und -Umlaufmünzen zudem gesetzliches Zahlungsmittel. Sofern im Einzelfall vertraglich nichts anderes geregelt ist, kann niemand gesetzliche Zahlungsmittel zur Begleichung einer Geldschuld ablehnen, ohne Rechtsnachteile zu erleiden.

Weiterhin ermöglichen Barzahlungen eine gute Kontrolle der Ausgaben – dies nutzen viele Haushalte, gerade die, die weniger Geld zur Verfügung haben. Wird ein bestimmtes Budget – etwa für Haushaltsausgaben – in bar gehalten, genügt ein Blick in den Geldbeutel, um festzustellen, ob weitere Ausgaben möglich sind.

Bargeld benötigt außerdem keine technische Infrastruktur. Dadurch kann es im Not- und Krisenfall als Zahlungsmittel verwendet werden.

Ein weiterer Aspekt ist, dass Bargeld ohne nennenswerte Zugangsbeschränkungen zum Bezahlen verwendet werden kann. Auch Bevölkerungskreise, die keinen vollen Zugang zu bargeldlosen Zahlungsmitteln haben, beispielsweise Kinder oder Personen ohne Girokonto, können so am Wirtschaftsleben teilnehmen. Bei kleinen Kindern kommt noch hinzu, dass Banknoten und Münzen es ihnen überhaupt erst ermöglichen, den Umgang mit Geld zu erlernen.

Darüber hinaus sind Transaktionen mit Bargeld anonym.

Diese zahlreichen und oft nicht ausreichend gewürdigten Vorzüge des Bargelds tragen zur Beliebtheit des Bargelds als Zahlungsmittel in Deutschland bei. Diese zeigt sich beim Wachstum des Banknotenumlaufs.

Nach Einführung des Euros als Bargeld Ende Januar 2002 waren 220 Mrd. Euro als Banknoten im Umlauf. Drei Jahre später Ende 2004 waren es schon 500 Mrd. Euro. Zehn Jahre später Ende 2014 waren es mehr als 1.000 Mrd. Euro und im Dezember 2016 betrug der Banknotenumlauf 1.126 Mrd. Euro.

Davon wurden von der Bundesbank mehr als 50 %, nämlich ca. 600 Mrd. € aufgegeben. Bei 83 Mio. Bürgern in Deutschland müsste jeder mehr als 7.000 € im Portmonee haben. Hat er aber nicht.

Aber die Verwendung des Bargelds als Tauschmittel betrifft nur einen kleinen Teil der umlaufenden Geldscheine.

3 Das Wertaufbewahrungsmittel "Bargeld"

Auch wenn es über die Nutzung des Bargeldes  keine genauen Zahlen gibt – so geht die Deutsche Bundesbank davon aus, dass knapp zehn Prozent am Point of Sale genutzt werden, circa 20 Prozent werden im Inland gehortet, weitere 20 Prozent in anderen Euroländern genutzt und gut 50 Prozent außerhalb des Euro-Raums gehalten.

Insbesondere die Ermittlung des Umfangs der Hortung ist naturgemäß schwierig, da die Menschen nicht immer bereitwillig darüber Auskunft geben, wie viel Bargeld sie tatsächlich im Bankschließfach oder zuhause aufbewahren. Aber auch wenn wir die exakten Zahlen nicht kennen, so ist dennoch klar: Die Wertaufbewahrungsfunktion ist ein wichtiger Verwendungszweck für Bargeld. Wenn der Volksmund sagt: "Nur Bares ist Wahres", so ist da durchaus etwas dran.

Doch was ist der Grund für die Verwendung von Bargeld zur Wertaufbewahrung? Schließlich bestehen Verlust- und Diebstahlrisiken; was im Zuge kontinuierlich steigender Fallzahlen beim Einbruchsdiebstahl durchaus von Belang ist. Um sich dagegen abzusichern, entstehen Kosten für Tresore oder Bankschließfächer. Darüber hinaus ist Bargeld unverzinslich und verliert bei Inflation an Wert.

Nun, aus individueller Sicht sprechen meist der Schutz vor Ausfallrisiken oder Liquiditätsüberlegungen für den Aufbau eines Bargeldbestandes. Bargeld bietet einen besonderen Liquiditätsgrad, denn es ist gesetzliches Zahlungsmittel und kann deshalb in Deutschland grundsätzlich jederzeit zur Begleichung einer Geldschuld eingesetzt werden. Nicht in jeder Situation, in der ein Verbraucher Bedarf an der Abwicklung einer Zahlung hat, stehen zudem auch entsprechende technische Voraussetzungen für die Abwicklung einer unbaren Zahlung zur Verfügung. Das könnte für einige Verbraucher dafür sprechen, stets eine Reserve an Bargeld vorzuhalten, um in diesen Fällen Ausgaben tätigen zu können. Einige Anleger könnten auch der Stabilität des Banken- und Finanzwesens misstrauen und deshalb Banknoten zurücklegen. Bargeld ist sicheres Zentralbankgeld, das grundsätzlich keinem Ausfallrisiko unterliegt. Die Bedeutung dieses Motivs der Bargeldhortung für die Bargeldnachfrage zeigte sich exemplarisch im Herbst 2008, als im Zuge der Lehman-Krise die Nachfrage nach großen Banknotenstückelungen sprunghaft anstieg.

Es sind auch weitere Motive für die Bargeldhortung denkbar. Einige Verbraucher könnten Bargeld zurücklegen, um für größere Ausgaben zu sparen. Zwar scheinen Anlageprodukte des Banken- und Finanzwesens aufgrund ihrer Ertragschancen dazu grundsätzlich besser geeignet; das Aufbewahren eines Bargeldbestandes für den beabsichtigten Ausgabezweck könnte aufgrund der höheren Greifbarkeit von Bar- im Vergleich zu Buchgeld aber zur Selbstkontrolle des Verbrauchers nützlich sein. Grundsätzlich stehen auch nicht allen Sparern in Deutschland alle Anlageprodukte offen, zum Beispiel weil sie sich keine Kenntnisse über Finanzmärkte und deren Produkte aneignen können oder wollen. Anlagen in Form von Bargeld benötigen dagegen keine Kenntnisse über Finanzprodukte.

4 Die Nachfrage nach Bargeld im Niedrigzinsumfeld

Bargeld ist also auch in seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel grundsätzlich nutzenstiftend, denn andernfalls würden sich Unternehmen oder Verbraucher nicht zur Wertaufbewahrung in Form von Bargeld entscheiden. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld kommen die Vorteile von Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel sogar noch besser zum Tragen, da die sogenannten Opportunitätskosten der Bargeldhaltung nahe Null sind. Zudem verlangen erste Banken negative Zinsen von vermögenden Privatanlegern.

In diesen Zeiten, in denen die nominalen Zinsen auf Bankeinlagen auf ein historisch niedriges Niveau gesunken sind, lohnt sich eine Analyse des gesamten Spar- und Anlageverhaltens der Menschen. Wovon hängt es eigentlich ab, ob und wie die Menschen sparen?

Die seit Jahren andauernde sehr niedrige Verzinsung führte zu der Befürchtung, dass sich Sparen nicht mehr lohne und private Haushalte ihre Sparanstrengungen reduzierten. Es gibt aber wenig Anlass für solche Überlegungen. Erstens ist die reale Rendite des Geldvermögens der privaten Haushalte nicht so gering, wie es die niedrigen nominalen Zinsen auf Bankeinlagen auf den ersten Blick vermuten lassen. Dies hängt wesentlich damit zusammen, dass private Haushalte neben den vergleichsweise renditeschwachen Bankeinlagen auch renditestärkere Anlageformen halten. Auch wenn die Gesamtrendite seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise im Mittel niedriger ausfällt als in den Jahren zuvor, gab es seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder Phasen, in denen die reale Rendite des Gesamtportfolios noch deutlich niedriger lag![1]

Zweitens spricht vieles dafür, dass reale Renditen nur einen geringfügigen Einfluss auf das Spar- und Anlageverhalten der privaten Haushalte in Deutschland haben. Stattdessen dürfte dieses Verhalten in den letzten Jahrzehnten wesentlich von folgenden Faktoren beeinflusst worden sein: den Entwicklungen des verfügbaren Einkommens, den Veränderungen des institutionellen Rahmens – insbesondere des Steuer- und Sozialsystems –, der demografischen Entwicklung, der Vermögenshöhe sowie den Präferenzen und Risikoeinstellungen der Haushalte.

Daran dürfte sich, drittens, auch im Umfeld niedriger Nominalzinsen bislang nichts Wesentliches geändert haben. Private Haushalte sparen weiterhin fast zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens und damit in etwa so viel wie zu Beginn der 2000er Jahre, als die nominalen Zinsen, aber auch die Inflation, auf spürbar höherem Niveau lagen. Diese Mittel wiederum werden im Rahmen der Geldvermögensbildung primär in liquide Bankeinlagen investiert, trotz ihrer zeitweise negativen realen Rendite. Verantwortlich dafür dürfte unter anderem eine ausgeprägte Risikoaversion der privaten Haushalte in Deutschland sein. Durch die krisenbedingten Kapitalmarktturbulenzen in der jüngeren Vergangenheit hat diese Risikoscheu noch spürbar zugenommen und Renditegesichtspunkte weiter in den Hintergrund geschoben.

Zusammenfassend betrachtet sparen die Deutschen also einen beachtlichen Teil ihres verfügbaren Einkommens, was vor allem von persönlichen und institutionellen Faktoren abhängt. In unsicheren Zeiten bevorzugen die wenig risikobereiten Deutschen liquide Anlageformen.

5 Diskussion um das Bargeld

Doch wie lange wird es die Möglichkeit, Bargeld als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zu verwenden, überhaupt noch geben? Verschiedene Interessengruppen wollen die Bargeldverwendung zurückdrängen: Zu nennen sind hier die Anbieter unbarer Bezahlverfahren, Strafverfolgungsbehörden, Nachrichtendienste oder auch einige Politiker und Ökonomen. Die anhaltende Beliebtheit und häufige Verwendung von Bargeld ist diesen Akteuren mehr oder weniger ein Dorn im Auge. Sie führen vor allem zwei Gründe für ihre Haltung an:

Erstens argumentieren einige Ökonomen wie zum Beispiel Kenneth Rogoff oder Larry Summers geldpolitisch: Bargeld verhindere die Durchsetzung negativer Zinsen, da die Möglichkeit bestünde, sein Geld jederzeit bar abzuheben. Deswegen das Bargeld zurückdrängen zu wollen, halte ich allerdings für eine völlig unverhältnismäßige Antwort auf die Herausforderungen an der Nullzinsgrenze. Es sollte besser über Wege diskutiert werden, die zu mehr Wachstum führen. Denn dann könnten die Zinsen wieder steigen – und die Geldpolitik hätte wieder mehr "Wasser unter dem Kiel".

Zweitens erwarten die Bargeldgegner, dass ohne Banknoten die Kriminalität zurückgehen würde. Geldwäsche, Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung könnten den Kritikern zufolge zurückgedrängt werden. Dabei wird nicht genug beachtet, dass Kriminelle auch andere Wege finden können, um illegale Transaktionen zu tätigen, zum Beispiel in Fremdwährung, Naturalien oder Bitcoins. Und die Panama Papers haben deutlich gezeigt, wie man mit Briefkastenfirmen Geldwäsche oder Steuerhinterziehung betreiben kann. Bei Schwarzgeld muss es sich ohnehin nicht zwangsläufig um Bargeld handeln. Der französische Ökonom Gabriel Zucman schätzt, dass weltweit 5,8 Billionen Euro an privatem Vermögen überwiegend nicht deklariert sind und sich auf Konten in Steueroasen befinden. "In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Aufhebung jeglicher Anonymität von Zahlungen an die Grundlagen einer freiheitlichen Gesellschaft rührt", wie es der Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einer aktuellen Studie dargelegt hat. "So wird der Verzicht auf Bargeld als Abschaffung der 'geprägten Freiheit' empfunden."

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es werden also verschiedene Argumente ins Feld geführt, warum Bargeld zurückgedrängt werden müsse, die ich – wie Sie meinen Ausführungen entnehmen konnten – für nicht besonders stichhaltig erachte. Ich kann Ihnen hier und heute jedenfalls versichern: Die Bundesbank hegt keinerlei Pläne für eine Abschaffung des Bargelds. Wir gehen davon aus, dass es Banknoten und Münzen weiter geben wird.

Für viele Bürgerinnen und Bürger wird Bargeld auch als Wertaufbewahrungsmittel gehalten. Viele haben ein Grundvertrauen in das Bargeld. Sie sehen es bei Anlagealternativen als kleineres Übel, verzichten auf Zinsen oder Erträge und vertrauen dem Medium Bargeld mehr als der Wertsicherung durch Anleihen oder Aktien. Gerade in den letzten Jahren haben auch Gläubiger von Staatsanleihen Verluste erlitten – sogar in der Eurozone.

Zudem ist Bargeld jederzeit verfügbar – und damit hoch liquide.

Ob das Halten oder Horten von Bargeld die beste Anlageform ist, hat die Deutsche Bundesbank nicht zu entscheiden. Es ist ja auch nicht das Geld der Deutschen Bundesbank, sondern es ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesbank hat als vorrangigen Auftrag die Geldwertstabilität sicher zu stellen. Damit schützen wir den Wert des Geldes und auch den Wert des Ersparten der Bürgerinnen und Bürger. Diesem Auftrag sind wir verpflichtet und werden ihn auch weiter nachkommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnote:

  1. Vgl. "Das Spar- und Anlageverhalten privater Haushalte in Deutschland vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds" im Monatsbericht 10/2015.