Immobilienmärkte und mikroprudenzielle Aufsicht Vortrag beim 39. Symposium des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

kennen Sie dieses unbehagliche Gefühl: Man hat einen Fehler gemacht, aber nicht irgendeinen; nein, man hätte ihn vermeiden können; weil man ihn so ähnlich schon einmal gemacht hatte. Fehler machen klug, heißt es. Schade nur, dass sie nicht weniger vergesslich machen.

Vergessen wir auch gerade wieder einen Fehler, der uns eigentlich klüger machen sollte? Machen wir gerade wieder den gleichen Fehler wie vor 2008? Verkennen wir, dass sich auf den Immobilienmärkten Risiken zusammenbrauen?

So eindeutig ist die Antwort nicht: Einige behaupten, in Deutschland gäbe es bereits eine gefährliche Immobilienblase. Andere wiederum sehen keine Anzeichen für eine solche Gefahr oder zumindest nur sehr geringe.

Eindeutig ist aber, dass wir wachsam bleiben sollten. So schrieb Ben Bernanke, der vormalige Chef der US-amerikanischen Federal Reserve, in seinen Erinnerungen an die Krise, dass die Zentralbank vor 2008 viel zu lange darüber debattiert hätte, ob es nun eine Krise gebe oder nicht – statt sich auf eine solche und deren Platzen vorzubereiten.

Und auch heute, fast zehn Jahre nach der Krise ist das Thema Immobilienmärkte und Finanzstabilität wichtig wie eh und je. Wenn wir Krisen vermeiden wollen, müssen wir ihr Entstehen besser verstehen und frühzeitig erkennen können. Der Blick in die Vergangenheit ist sicherlich ein sehr gutes Werkzeug, um die komplexen Zusammenhänge, die zu einer Krise führen können, zu verstehen. Diesen historischen Ansatz wählt auch unser Gastgeber heute, das Institut für Bank- und Finanzgeschichte. Ich freue mich, am diesjährigen Symposium teilzunehmen.

Ich möchte heute vier Fragen beantworten. Erstens: Haben wir im Moment in Deutschland eine die Finanzstabilität gefährdende Immobilienblase? Zweitens: Was tut die Bankenaufsicht, um Risiken im Bankensystem zu kontrollieren? Drittens: Welche Gefahren ergeben sich aus dem Niedrigzinsumfeld? Und viertens: Was sollten wir tun, um Risiken einzudämmen?

2 Blase oder nicht? Die Lage auf dem Immobilienmarkt in Deutschland

Beginnen wir mit der ersten Frage: Haben wir im Moment in Deutschland eine Immobilienblase?

Hierbei sollten wir zwischen zwei Arten von Immobilienblasen unterscheiden: Einerseits reine Preisübertreibungen, bei denen die Preise stärker als  ökonomisch angemessen steigen; andererseits solche Preisblasen, die die Finanzstabilität gefährden.

Die Unterscheidung ist in der Realität sehr schwierig vorzunehmen – vor allem ist es kaum möglich, sie vor dem Platzen einer Blase oder gar in einem frühen Stadium des Aufbaus einer Blase zu erkennen.

Das führt zu zwei Arten von Missverständnissen in der Debatte: Auf der einen Seite gehen Krisenpropheten im Falle einer reinen Preisübertreibung fast schon automatisch davon aus, dass die Finanzstabilität gefährdet sei. Auf der anderen Seite werden tatsächliche Gefahren für die Finanzstabilität übersehen, weil zu lange und zu breit darüber diskutiert wird, wie die aktuelle Datenlage zu interpretieren sei.

Beide Missverständnisse gilt es zu vermeiden: Weder möchte man eine Blase heraufbeschwören, wo keine ist; noch will man eine echte Gefahr erst erkennen, wenn es bereits zu spät ist.

Die entscheidende Frage muss aus meiner Sicht also lauten: Haben wir eine Immobilienblase, die der Finanzstabilität gefährlich werden kann? Um diese Frage zu bejahen, müssen drei Entwicklungen zusammenkommen:

  • Erstens muss ein Preisanstieg vorliegen, der durch fundamentale Faktoren wie z.B. die volkswirtschaftliche Lage nicht mehr oder nur noch unzureichend erklärt werden kann;

  • Zweitens wächst das Volumen an Immobilienkrediten übermäßig;

  • Drittens lockern Banken ihre Standards bei der Kreditvergabe, um vom Boom an den Immobilienmärkten zu profitieren.

Wie steht es nun in Deutschland um diese Charakteristika für eine Immobilienblase?[1]

Ich kann Sie beruhigen: Von einer Blase kann man in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt nicht sprechen. Aber als Bankenaufseher mache ich mir dennoch ernste Sorgen. Das liegt daran, dass bei allen drei genannten Faktoren die Ampeln langsam auf gelb oder gar dunkelgelb gesprungen sind.

Nehmen wir zunächst die Preisentwicklung: Hier sehen wir in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Preise. Diese waren zwar zuvor historisch niedrig, aber seit 2010 sind die Preise für deutsche Wohnimmobilien dennoch im Schnitt über ganz Deutschland gerechnet um etwa 30 Prozent gestiegen.[2]

Und besorgniserregend ist dabei, dass die Preise 2016 zuletzt schneller als noch 2015 zugelegt haben.

Wenn wir uns dann die Situation in den Städten anschauen, dann läuten zunehmend die Alarmglocken: In den 127 Städten des Indikators der Bundesbank sind die Preise seit 2010 um fast 50 Prozent gestiegen; in den sieben Großstädten waren es gar mehr als 60 Prozent.

Diese Entwicklung mag teilweise fundamental-ökonomisch angemessen sein – insgesamt ist sie es aber nicht. Wir müssen diese Entwicklung also gut beobachten.

Die Frage lautet nun: Ist diese Preisentwicklung Teil einer Blase, die unsere Finanzstabilität bedroht? Nein, ganz so weit sind wir zum Glück noch nicht – aber schauen wir uns nun im Detail die anderen zwei genannten Kriterien an.

Wie sieht es mit dem Wachstum der Immobilienkredite aus? Wir sehen, dass das Volumen an Immobilienkrediten seit 2009 kontinuierlich ansteigt. Zuletzt hat sich dieser Anstieg sogar beschleunigt – das spricht für eine Steigerungsdynamik bei den Häuserkrediten.

Allerdings sagt diese Betrachtung wenig darüber, wie sich die Verschuldung der Haushalte entwickelt hat, die tatsächlich Kredite aufgenommen haben. Schauen wir hingegen auf eine Studie, die genau dies offenlegt,[3] lässt uns das Ergebnis aufhorchen: Die Verschuldung der Haushalte mit ausstehenden Immobilienkrediten ist sowohl absolut als auch relativ zum Einkommen gestiegen.

Dabei ist der Schuldendienst eines Haushalts im Verhältnis zum Einkommen im Durchschnitt gleich geblieben. Das heißt: obwohl die Immobilienpreise und die Kreditvolumina steigen, steigt der Schuldendienst der betroffenen Haushalte nicht. Daraus können wir folgern, dass die erhöhte Verschuldung durch ein höheres Einkommen, aber vor allem durch das niedrige Zinsniveau getragen werden kann. Und genau das kann eine Quelle für eine Immobilienblase sein. Ich komme gleich noch auf das Niedrigzinsumfeld zu sprechen.

Kommen wir zum dritten Kriterium für eine die Finanzstabilität potenziell gefährdende Immobilienblase, nämlich den Kreditvergabestandards.

Leider ist in diesem Bereich die Datenlage nicht besonders gut. Es gibt die bewährte Bank Lending Survey, in dem Banken darüber befragt werden, ob sie ihre Standards bei der Kreditvergabe verschärft oder aufgeweicht haben. Gemäß der Umfrage haben die deutschen Banken bei den Wohnungsbaukrediten an Haushalte seit 2011 eher schärfere Standards angesetzt.

Eine solche Umfrage weist natürlich gewisse methodische Schwächen auf – deshalb sollte man auch noch weitere Indikatoren betrachten.

Zum Beispiel könnte der deutlich steigende Anteil der Immobilienkredite am Gesamt-Kreditportfolio der Institute ein Anzeichen für eine erhöhte Risikonahme sein. Ferner sahen wir zuletzt, dass die Zinsbindungsfristen immer mehr ausgeweitet werden: Kredite mit Laufzeiten von mehr als zehn Jahren haben 2009 noch knapp 25 Prozent aller Wohnimmobilienkredite ausgemacht, Anfang 2016 waren es bereits mehr als 40 Prozent. Natürlich ist es gut, wenn Banken Ausfallrisiken tendenziell senken und dafür mehr Zinsänderungsrisiken übernehmen – schließlich können sie diese besser managen als Privatpersonen. Aber eine immer weiter steigende Häufung irritiert den Bankenaufseher dann doch.

Zusammengenommen veranlassen diese Indikatoren die Bankenaufsicht, aufmerksam auf die Immobilienkredite und deren Standards zu schauen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein kurzes Zwischenfazit ziehen: Im Moment gibt es in Deutschland keine Immobilienblase, die die Finanzstabilität akut gefährdet. Aber die Ampel steht auf gelb: Erstens sind die Preise in den Städten, insbesondere den Großstädten, zu einem guten Teil Übertreibungen. Zweitens nimmt die Kreditvergabe zu und stützt sich dabei nicht zuletzt auf das Niedrigzinsumfeld. Und drittens sind die Vergabestandards noch nicht erkennbar aufgeweicht, aber es gibt Frühwarnindikatoren, die auf eine erhöhte Risikonahme der Kreditinstitute hindeuten. All dies veranlasst mich, dem Wohnimmobilienmarkt in Deutschland große Aufmerksamkeit zu schenken.

3 Immobilienrisiken und Bankenaufsicht: Was wir tun, um Krisen zu vermeiden

Bundesbank und BaFin als Banken- und Finanzaufseher schauen also sehr genau hin. Ich möchte Ihnen im Folgenden kurz darstellen, wie wir dies tun. Dabei unterscheide ich zwischen regulatorischen Vorgaben zur angemessenen Kapitalausstattung und aufsichtlichen Vorgaben für ein wirksames Risikomanagement.

Die Regulierung  funktioniert bei Immobilien weitestgehend genauso wie bei anderen Kreditarten – jeder Kredit muss mit einem bestimmten Anteil an Eigenkapital finanziert werden, und die Höhe dieses Anteils wird risikogewichtet berechnet. Das heißt zum Beispiel: 10,5 Prozent Eigenkapitalfinanzierung auf 50 Prozent eines Kredits von 100 Euro – das wären 5,25 Euro Eigenkapital, der Rest kann mit Fremdkapital refinanziert werden.

Eine entscheidende Komponente bei der Berechnung ist vor allem der Wert, den die betreffende Immobilie als Sicherheit hat: Je höher der Wert, desto höher die Sicherheit und desto niedriger die Eigenkapitalanforderung.

Diese Kapitalmindestanforderungen werden durch die Aufseher laufend überprüft – Grundlage hierfür sind die Solvenzmeldungen der Kreditinstitute an die Aufsicht. Dabei achten wir insbesondere auf Konzentrationsrisiken und sonstige Risikohäufungen oder andere Auffälligkeiten.

Diese Kapitalanforderungen sind klassische mikroprudenzielle Instrumente. Hinzu kommen noch die makroprudenziellen: Die EU-Regulierung erlaubt es den Aufsehern, die vorgegebenen Risikogewichte und Ausfallquoten zu erhöhen, wodurch sich die Eigenkapitalanforderungen erhöhen. Diese Maßnahmen dürfen allerdings nur eingesetzt werden, wenn es begründete Sorgen um die Finanzstabilität gibt. Ich komme später noch einmal hierauf zurück.

Nun zur zweiten Komponente, also zu den aufsichtlichen Vorgaben für ein wirksames Risikomanagement: Deren Ziel ist es, dass Kreditinstitute ihre Risikotragfähigkeit laufend sicherstellen. Die Aufsicht stellt hierfür detaillierte Mindestvorgaben an Prozesse und Organisationstrukturen.[4] Ein Institut muss belegen, dass es seine Risikotragfähigkeit laufend sicherstellt. Das heißt, dass es sich seiner Risiken bewusst ist und diese angemessen identifiziert, steuert und misst. Die Aufsicht stellt hierfür detaillierte Mindestvorgaben an Prozesse und Organisationstrukturen.

Die deutschen Anforderungen basieren auf den Vorgaben der zweiten Säule des Basel II-Rahmenwerks und finden sich im Kreditwesengesetz wieder. Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, kurz MaRisk, erläutern, was die Aufsicht unter einem "angemessenen Risikomanagement" versteht. Überprüft werden die Anforderungen u.a. im Rahmen von bankgeschäftlichen Prüfungen.

Was muss ein Institut also gewährleisten? Um seine Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen, muss es die wesentlichen Risikoarten identifizieren, mit eigenen Methoden quantifizieren und in angemessener Höhe mit Kapital unterlegen.

Die Risikotragfähigkeit muss in den Entscheidungsprozessen, der Geschäfts- und Risikostrategie sowie den Risikosteuerungs- und Controlling-Prozessen verankert sein. Bei allen Kreditbearbeitungs- und Entscheidungsprozessen steht die Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit[5] des Kreditnehmers im Zentrum.

Im Rahmen der aktuellen Überarbeitung der MaRisk wird es zu Änderungen kommen, die auch auf die Finanzierung von Immobilien Auswirkungen haben. Beispielsweise wird nun festgeschrieben, dass bei der Bewertung von Kreditsicherheiten auf geeignete Wertermittlungsverfahren abzustellen ist. Die Mindeststandards verengen aktuelle Spielräume und sollen zu stringenten Standards im Bereich der Immobiliensicherheiten führen.

 

4 Eine gefährliche Mischung? Immobilienmarkt, Niedrigzinsumfeld und Zinsänderungsrisiken

Mit diesen Instrumenten ist die Bankenaufsicht solide aufgestellt. Aber nicht alle Risiken können so unter Kontrolle gehalten werden. Besondere Aufmerksamkeit erfordert im Moment das Niedrigzinsumfeld.

Warum ist das so? Eine ganze Reihe von Nebenwirkungen der niedrigen Zinsen kann die Risikonahme bei Immobilienengagements anheizen und so zu einer Blase beitragen.[6]

Zunächst können Niedrigzinsen die Immobiliennachfrage und damit die Häuserpreise erhöhen. Haushalte wollen vermehrt Wohneigentum kaufen, unter anderem weil andere Anlagen für die Altersvorsorge geringere Renditen abwerfen; auch größere Anleger sehen in Immobilien attraktive Anlageobjekte. Die gestiegenen Preise führen zu einem höheren Wert der Immobilie als Sicherheit; dies wiederum erhöht die mögliche Kreditsumme.

Und durch den höheren Wert der Sicherheiten und das niedrige Zinsniveau werden auch tatsächlich mehr Kredite mit höheren Volumina genommen bzw. vergeben.

Eine weitere besonders schwerwiegende Nebenwirkung ist, dass die lang anhaltenden niedrigen Zinsen die Erträge von Kreditinstituten senken. [7] Je länger dies anhält, desto eher müssen Institute gegensteuern. Das gilt insbesondere in Deutschland, wo es sehr viele zinsabhängige Geschäftsmodelle gibt. Auch deshalb findet zum Teil eine bedenkliche Form der Gegensteuerung statt, die mit dem Schlagwort "search for yield" umschrieben wird: Institute gehen höhere Risiken ein, um sinkende Margen bei risikoarmen Geschäften auszugleichen. Dies geschieht zum Beispiel durch längere Zinsbindungsfristen oder Geschäfte mit riskanteren Adressen. In unserer Niedrigzinsumfrage 2015 hat die Bundesbank genau diese Trends gesehen.

Die zunehmende Risikobereitschaft führt schließlich dazu, dass die Kreditinstitute in einen erhöhten Wettbewerb um rentierliche Engagements eintreten – ein boomender Immobilienmarkt kann da gerade recht kommen. Und dies kann gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Eine dieser Konsequenzen ist die zunehmende Anhäufung von Zinsänderungsrisiken in den Anlagebüchern der Banken und Sparkassen. Ich hatte es bereits gesagt: Die Zinsbindungsfristen von Immobilienkrediten sind mittlerweile deutlich länger geworden, auch weil die Häuslebauer die niedrigen Zinsen für einen langen Zeitraum festschreiben.[8]

Mir als Bankenaufseher bereiten die Nebenwirkungen steigender Zinsänderungsrisiken zunehmend Sorgen. Mittlerweile hat fast die Hälfte aller Institute deutlich erhöhte Zinsänderungsrisiken – und das lässt mich aufhorchen. Dass diese Zahl im vergangenen Quartal von mehr als der Hälfte auf etwas weniger als die Hälfte gesunken ist, gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass die Kreditinstitute dieses Risiko nun auch ernst nehmen und vorsichtig sind.

 

5 Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – Was bleibt zu tun?

Vorsicht ist ein gutes Stichwort – vielleicht kennen Sie die Redewendung "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste"

Es ist nicht eindeutig geklärt, woher der Ausspruch stammt. Aber eine Deutung geht auf William Shakespeares historisches Drama König Heinrich IV beziehungsweise dessen Protagonisten Falstaff zurück. Dieser wohlbeleibte, trink- und raufsüchtige Soldat überlebt einen Zweikampf nur, weil er sich tot stellt. Diese taktische Meisterleistung kommentiert er damit, dass der bessere Teil der Tapferkeit die Vorsicht sei; und mittels dieser habe er sein Leben gerettet. Hieraus wurde "Vorsicht ist die Mutter der Tapferkeit", daraus wiederum "Vorsicht ist die Mutter der Weisheit", und schließlich "…der Porzellankiste".

Ob diese Herleitung tatsächlich zutrifft, kann durchaus bezweifelt werden. Die Quintessenz ist aber: Manchmal ist es weiser, sich umsichtig zurückzuhalten, als sich unbedacht ins Getümmel zu stürzen – auch wenn man sich nicht immer gleich tot stellen muss.

Übertragen wir die Weisheit auf die Wohnimmobilienmärkte, dann bedeutet sie, dass wir nicht endlos darüber diskutieren dürfen, ob und in welchem Ausmaß eine Blase vorliegt, sondern so gut es geht versuchen sollten, diesem Ernstfall vorzubeugen.

Finanzinstitute sind gut beraten, weiterhin hohe Kreditvergabestandards anzuwenden und spekulative Preisentwicklungen nicht mitzutragen. Außerdem sollten sie durchdachte Strategien verfolgen, um ihre Ertragssituation zu stabilisieren. Dabei kann das zinstragende Geschäft auf absehbare Zeit nur eines unter vielen Geschäftsfeldern sein. Andererseits müssen Strategien zum Management der Zinsänderungsrisiken vorliegen – wenn die Zinsen wieder steigen, sollte man nicht hektisch reagieren müssen, sondern besonnen einem Plan folgen können. Die Aufsicht achtet also verstärkt darauf, ob diese Risiken unter Kontrolle sind.

Aufsicht und Politik haben auch noch Hausaufgaben zu erledigen: Da ist zum einen die Transparenzschaffung – wir wollen ein klareres Bild von den Risiken haben. Daher führen wir im Moment zusammen mit der BaFin erneut eine Niedrigzinsumfrage durch. Und dieses Mal sammeln wir ganz bewusst auch detaillierte Informationen zu Wohnimmobilien-Krediten. Die Erkenntnisse werden sowohl den Dialog mit den jeweiligen Instituten unterstützen, als auch einen Einblick in die systemweite Stabilität geben. Die Ergebnisse werden in der zweiten Jahreshälfte vorgestellt.

Die Umfrage wird aber nur ein Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre sowie eine Momentaufnahme bieten. Auch wenn dies durchaus hilfreich ist, reicht es nicht aus, um dauerhaft zeitnahe Einschätzungen über die Entwicklung der Immobilienmärkte zu erhalten. Diese bräuchten wir aber, um eine echte Chance zu haben, Immobilienblasen bereits im Aufbau zu erkennen.

Hierzu hat der Ausschuss für Finanzstabilität, kurz AFS, der Bundesregierung im Juni 2015 empfohlen, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um granulare Daten über Wohnimmobilienfinanzierungen erheben zu können. Dazu zählen beispielsweise der Fremdkapitalanteil oder der Schuldendienst. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sind solche Daten in Deutschland derzeit leider nicht zeitnah und nicht in ausreichender Qualität verfügbar. Aus Sicht der Bundesbank ist es wichtig, diese Informationen erheben zu können.

Dies umso mehr, als es künftig weitere sogenannte makroprudenzielle Instrumente geben wird, die die deutsche Bankenaufsicht nutzen kann, um den Aufbau von Immobilienblasen einzudämmen. Dies war ebenfalls Teil der eben angesprochenen Empfehlung des AFS.

Hierfür wurde ein Gesetz verabschiedet; das der Empfehlung des AFS nur teilweise folgt und zwei der ursprünglich vier empfohlenen Instrumente einführt – nämlich Eigenkapital-Vorgabe und Tilgungsfrist.

Erlauben Sie mir eine zentrale Bemerkung zum Schluss: Wir haben nun einige makroprudenzielle Instrumente, die aber wirkungslos bleiben, wenn sie im entscheidenden Moment – aus politischen Erwägungen – nicht eingesetzt werden. Bevor eine Krise tatsächlich ausbricht, möchte niemand derjenige  sein, der die Musik ausmacht, wenn alle noch tanzen. Aber genau diesen Mut wird es brauchen, wenn es irgendwann soweit ist.

6 Fazit

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gute Nachricht ist, dass es in Deutschland im Moment keine die Finanzstabilität gefährdende Immobilienblase gibt. Aber die Ampel steht eindeutig auf gelb: Das gilt insbesondere für die Preisentwicklung; aber auch bei Kreditvolumen und Vergabestandards gibt es Frühwarnindikatoren, die auf eine erhöhte Risikonahme der Kreditinstitute hindeuten.

Die Banken- und Finanzaufsicht wirkt auf eine angemessene Kapitalausstattung und ein wirksames Risikomanagement hin. Aber das alleine kann eine Krise nicht verhindern.

Vor allem die Mischung aus boomendem Immobilienmarkt und Niedrigzinsumfeld kann zu einem gefährlichen Cocktail für den Banken- und Sparkassensektor werden. Wir sind alle gut beraten, Vorsicht walten zu lassen.

Vorsicht heißt aber nicht, einfach nichts zu tun – oder sich gar tot zu stellen. Vielmehr müssen wir alles tun, um genau zu verstehen, wie groß die Risiken sind – und dazu beitragen, den Aufbau einer Blase frühzeitig zu unterbinden. Die von mir genannten Hausaufgaben sind dabei von großer Bedeutung.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! In diesem Sinne danke ich Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnoten:

  1. Die hier erwähnten Daten und Analysen beziehen sich schwerpunktmäßig auf den Wohnimmobilienmarkt; 88 % aller Immobilienkredite in Deutschland sind Wohnimmobilienkredite (Stand Dezember 2015; siehe https://www.bundesbank.de/Navigation/EN/Statistics). Allerdings haben auch die Preise für Gewerbeimmobilien sowie das Volumen an Gewerbeimmobilienkrediten zugelegt

  2. Deutsche Bundesbank (2017): Monatsbericht Februar.
  3. Basierend auf granularen Daten hat eine vdpResearch-Studie dies näher untersucht (vdpResearch, 2015), wobei die Repräsentativität durch eine gewisse Übergewichtung von Metropolen eingeschränkt ist. Gemäß der Studie ist die Verschuldung der Haushalte mit ausstehenden Immobilienkrediten sowohl absolut als auch relativ zum Einkommen gestiegen, der Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen sei dabei im Durchschnitt unverändert geblieben.
  4. Die deutschen Anforderungen basieren auf den Vorgaben der zweiten Säule des Basel II-Rahmenwerks und finden sich im Kreditwesengesetz, kurz KWG, wieder. Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, kurz MaRisk, erläutern, was die Aufsicht unter einem "angemessenen Risikomanagement" versteht. Überprüft werden die Anforderungen u.a. im Rahmen von bankgeschäftlichen Prüfungen.
  5. Kapitaldienstfähigkeit ist die Fähigkeit des Kreditnehmers, seinen vertraglichen Leistungsverpflichtungen nachzukommen.
  6. Siehe auch Dombret, A./ Goldbach, R. (im Erscheinen): Rising house prices and ultra-low interest rates: a recipe for a new banking crisis? In: Economic Affairs.
  7. Dombret, A. and Y. Gündüz and J. Rocholl (2017) Will German banks earn their cost of capital? Deutsche Bundesbank Discussion Paper, 01/2017
  8. Dagegen ist auch grundsätzlich überhaupt nichts einzuwenden – im Gegenteil: Kreditinstitute können Zinsänderungsrisiken viel besser tragen, als es Haushalte können.