Schriftliche Stellungnahme der Deutschen Bundesbank anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 28. Oktober 2020 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz – RiG)

1. Allgemeine Einschätzung

Das Risikoreduzierungsgesetz dient der Umsetzung des sog. EU-Bankenpakets vom 7. Juni 2019. Das Bankenpaket ist aus regulatorischer Sicht ein weiterer Meilenstein, um die im Zuge der Finanzkrise identifizierten Regelungslücken und -schwächen zu beseitigen und die Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensektors insgesamt zu stärken. Gerade in Zeiten wie der aktuellen Corona-Pandemie zahlt sich eine strenge Regulierung aus, weil solide kapitalisierte Institute die durch die Pandemie hervorgerufenen Kapitalbelastungen besser abfedern können. Im Bankenpaket sind auch wesentliche administrative Erleichterungen für kleine, nicht komplexe Institute vorgesehen, ohne diese von quantitativen Vorgaben zu entlasten – eine Entwicklung, die seitens der Bundesbank mit voran­ge­trieben wurde und angesichts der zunehmenden Komplexität der Bankenregulierung und der steigenden Compliance-Kosten einen wichtigen Schritt in Richtung einer adressatengerechten proportionalen Regelsetzung darstellt.

Die Bundesbank begrüßt daher die mit dem Risikoreduzierungsgesetz erfolgte Umsetzung des EU-Bankenpakets sowie die weiteren inhaltlichen Anpassungen, die sich insbesondere auf das Kreditwesengesetz (KWG) und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) beziehen.

2. Im Einzelnen

2.1. Kreditwesengesetz

Aufsicht über Förderbanken (§ 1a und § 12 KWG)

Seit dem Inkrafttreten von CRR II und CRD V am 27. Juni 2019 sind die selbständigen deutschen Förderbanken keine CRR-Kreditinstitute mehr. Aus nationaler Sicht bestand kein unmittelbarer Handlungsbedarf, da sie ab diesem Zeitpunkt national als KWG-Kreditinstitute galten und seitdem über § 1a KWG grundsätzlich der EU-Bankenregulierung unterliegen. Dieser Ansatz wird auch mit dem Risikoreduzierungsgesetz beibehalten, aber es erfolgt u.a. die notwendige rechtliche Klarstellung, dass die Förderbanken auch weiterhin aufsichtliche Finanzinformationen zu melden haben. Durch die Einfügung des § 12 in das KWG wird sichergestellt, dass bei diesen Förderinstituten auch weiterhin eine Einstufung als potentiell systemrelevantes Institut möglich ist. Um die systemische Relevanz eines Instituts zu beurteilen, wird auf das Verhältnis der Bedeutung des Instituts in Bezug auf die Grundgesamtheit aller Institute in Deutschland abgestellt. Durch § 12 KWG wird es auch künftig möglich sein, dass die Förderinstitute im Rahmen der von BaFin und Bundesbank angewandten Methode (PSI-Methode) als ein Bestandteil der Grundgesamtheit zur Bestimmung der systemischen Relevanz von Instituten berücksichtigt werden können. Der im Risikoreduzierungsgesetz verfolgte Ansatz stellt zudem sicher, dass die Förderbanken auch weiterhin einem dem EU-Bankenaufsichtsrecht vergleichbaren Aufsichtsniveau unterliegen und trägt dem bestehenden Ansatz des KWG Rechnung, der ein einheitliches Aufsichtsregime für alle Kreditinstitute i.S.d. KWG vorsieht.

Zusätzliche Eigenmittelanforderungen und Eigenmittelempfehlung (§§ 6c und 6d KWG)

Die Bundesbank befürwortet, dass mit dem § 6d KWG, der die Eigenmittelempfehlung regelt, eine bereits bestehende aufsichtliche Praxis nun auch im nationalen Recht verankert wird. Die Bundesbank befürwortet auch die vorgesehene Unterlegung der Eigenmittelempfehlung mit hartem Kernkapital (CET 1). Dies ist sinnvoll, da die Eigenmittelempfehlung als Stresspuffer dient, der noch vor dem Verzehr der kombinierten Kapitalpufferanforderung aufzubrauchen wäre und im laufenden Betrieb Verluste abfedern soll. Hierfür kann aber nur hartes Kernkapital genutzt werden. Außerdem ist die Unterlegung mit CET 1 bereits heute aufsichtliche Praxis.

Zulassung von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften (§ 2f KWG)

Mit § 2f KWG wird ein eigenes Zulassungsverfahren für (gemischte) Finanzholdinggesellschaften eingeführt. Da Gesellschaften an der Spitze einer aufsichtlichen Gruppe für die Erfüllung aufsichtlicher Pflichten auf konsolidierter Basis verantwortlich sein können, ist es zu begrüßen, dass diese Gesellschaften nun in den direkten Anwendungsbereich der CRR und CRD überführt werden. Damit wird gewährleistet, dass in entsprechenden Gruppenstrukturen die Einhaltung der konsolidierten Aufsichtsanforderungen bei einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft an der Spitze einer Gruppe durchgesetzt werden kann.

Makroprudenzielle Instrumente (§§ 10c – 10j KWG)

Das Risikoreduzierungsgesetz sorgt dafür, dass verschiedene makroprudenzielle Puffer in ihrer Anwendung klar voneinander abgegrenzt werden können. So wird etwa der Kapitalpuffer für systemische Risiken von der Höhe des Kapitalpuffers für anderweitig systemrelevante Institute entkoppelt. Zudem macht die sektorale Anwendbarkeit den Kapitalpuffer für systemische Risiken deutlich flexibler und zielgenauer einsetzbar.

§ 10j KWG ergänzt die Vorgaben der CRR hinsichtlich des von global systemrelevanten Instituten vorzuhaltenden zusätzlichen Puffers für die Verschuldungsquote und regelt dabei insbesondere die Zulässigkeit von Gewinnausschüttungen bei Nichteinhaltung. Zudem werden Regelungen bzgl. der Erstellung eines Kapitalerhaltungsplans bei Nichteinhaltung dieser Pufferanforderung getroffen. Die Umsetzung erfolgt, auch weil die CRD keine nationalen Ermessensspielräume zulässt, eng am europäischen Regelungstext.

Erweiterung der Definition des Organkredits (§ 15 KWG)

Die Anpassungen in § 15 KWG erwirken eine Ausweitung der Vorschriften hinsichtlich des Personenkreises, aber auch in Bezug auf die erfassten Geschäfte. Die bezüglich der erfassten Geschäfte über die CRD V hinausgehende Umsetzung ist grundsätzlich sinnvoll, da im Rahmen des Financial Sector Assessment Program des Internationalen Währungsfonds festgestellt wurde, dass entsprechende Regelungen fehlen. Sofern im internationalen Kontext Lücken erkannt werden, sollte für eine entsprechende Ergänzung nicht auf eine diesbezügliche Änderung der CRD gewartet werden.

Eignungsbeurteilung von Leitungsorganmitgliedern durch das Institut (§ 24 KWG)

Bereits nach geltender Rechtslage liegt die Hauptverantwortung sowohl für die anfängliche als auch die fortbestehende Eignung von Organmitgliedern bei den Instituten. Die entsprechenden Ergänzungen im KWG durch das Risikoreduzierungsgesetz, wonach das Institut auch das Ergebnis der Beurteilung der Eignungsanforderungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens mitzuteilen hat, dienen dazu, die aufsichtliche Überprüfbarkeit der Wahrnehmung dieser bei den Instituten liegenden Hauptverantwortung zu verbessern. Die in § 24 KWG vorgenommenen Ergänzungen sind auch zur Umsetzung der europäischen Vorgaben erforderlich.

Anwendung der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) und Identifizierung der Risikoträger (§ 25a KWG, § 1 Absatz 21 KWG)

Die Bundesbank begrüßt die neu eingeführte einheitliche Definition eines „bedeutenden Instituts“ in § 1 Absatz 3c KWG, die neben §§ 25c und 25d KWG auch für die Vergütungsregulierung greift. Bei der Vergütungsregulierung hat sie zur Folge, dass sich Institute mit einer Bilanzsumme oberhalb von 15 Mrd. EUR (im 4-Jahresdurchschnitt) zukünftig nicht mehr auf Basis einer Risikoanalyse von den besonderen Anforderungen der InstitutsVergV befreien lassen können.

Zudem sieht die CRD V vor, dass bei bestimmten Mitarbeiterkategorien zwingend die Risikoträgereigenschaft vorzusehen ist. Ausnahmen sind nicht vorgesehen, so dass auch aufgrund des allgemeinen Proportionalitätsprinzips kein Spielraum besteht, nicht als bedeutend eingestufte Institute hiervon zu befreien. Das Risikoreduzierungsgesetz stellt aus Sicht der Bundesbank dennoch eine möglichst verhältnismäßige Ausgestaltung der CRD-Vorgaben sicher, indem die weiteren Identifizierungskriterien der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 lediglich für als bedeutend eingestufte Institute zur Anwendung kommen. Ferner ergibt sich auch bei nicht als bedeutend eingestuften Instituten ein Erkenntnisgewinn aus der Risikoträgeridentifikation, da die Offenlegungspflichten an die Risikoträgereigenschaft anknüpfen.

Sofern ein Klarstellungsbedarf an einzelnen Vergütungsvorschriften gesehen wird, muss für eine finale Bewertung die Überarbeitung der InstitutsVergV abgewartet werden.

Definition des bedeutenden Instituts / Bedeutung im Bereich Corporate Governance (§ 25d KWG)

Für den Bereich Corporate Governance führt die einheitlichen Definition des „bedeutenden Instituts“ insbesondere zu einer Entlastung nachgeordneter Institute, bei denen die Gruppe auf konsolidierter Ebene aufgrund ihrer Größe direkt von der EZB beaufsichtigt wird, die aber für sich genommen eine Bilanzsumme von weniger als 15 Mrd. EUR im 4-Jahresdurchschnitt haben. Diese Institute sind zukünftig nicht mehr verpflichtet, die im KWG genannten Ausschüsse – wie z.B. den Risiko- oder Prüfungsausschuss - einzurichten. Stattdessen haben sie über die Einrichtung abhängig von ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, des Umfangs, der Komplexität und des Risikogehalts ihrer Geschäfte zu entscheiden.

Zu begrüßen ist ferner, dass in § 25d Absatz 5 Satz 2 KWG für die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans nun auch das Prinzip der „geschlechtsneutralen“ Vergütung Eingang gefunden hat.

2.2. Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) / Schutz von Kleinanlegern durch Einführung einer Mindeststückelung

Teil des EU-Bankenpakets ist auch die Überarbeitung des Abwicklungsrahmenwerks. Mit den neuen Regelungen soll v.a. die Abwicklungsfähigkeit der Institute verbessert und dadurch das Risiko der Beanspruchung von öffentlichen Geldern reduziert werden. Die Vorgaben, die sich weitestgehend in der BRRD II befinden, werden zu einem Großteil im SAG umgesetzt. Die Umsetzung ist sehr nah an den europäischen Vorgaben, unterstützt damit einen möglichst harmonisierten Aufsichtsansatz und trägt zu einer Verbesserung des Abwicklungsrahmenwerks bei. Durch die Einführung einer zusätzlichen MREL-Mindestanforderung in Höhe von 8 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten für global systemrelevante Banken und solche mit einer Bilanzsumme größer 100 Mrd. EUR wird eine Kohärenz mit der Mindestanforderung eines Bail-in von 8 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Eigenmitteln, die vor einer möglichen Verlustdeckung durch den Abwicklungsfonds (SRF) erforderlich ist, hergestellt.

Dass hinsichtlich des Schutzes von Kleinanlegern in der BRRD II ein Wahlrecht für die Mitgliedstaaten vorgesehen ist, führt zu unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten. Das Risikoreduzierungsgesetz wählt die Option einer Mindeststückelung in Höhe von 50.000 EUR. Es erscheint sachgerecht, dass diese Mindeststückelung nicht nur auf nachrangige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, sondern auch auf AT 1- und Tier 2-Instrumente Anwendung finden soll. Damit wird sichergestellt, dass Kleinanleger nicht übermäßig in bestimmte Schuldtitel anlegen, die zu einem Bail-in herangezogen werden können.