Stellungnahme zum Entwurf eines EMIR-Ausführungsgesetzes Stellungnahme von Herrn Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz) am 26. November 2012

1. Allgemeine Einschätzung

Die Deutsche Bundesbank unterstützt ausdrücklich die G20-Zielsetzung zur Reform der außerbörslichen Derivatemärkte, die teilweise mit der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in europäisches Recht umgesetzt wird. Der Verordnungsinhalt ist geeignet, die Stabilität und Transparenz in diesem Segment des Finanzmarktes deutlich zu verbessern und dadurch Risiken für die Finanzstabilität zukünftig einzudämmen. Insbesondere den zentralen Gegenparteien wird dabei eine tragende Rolle zugewiesen. Als Betreiber von Finanzmarktinfrastrukturen fungieren sie vorwiegend als Risikomanager und – wirtschaftlich betrachtet – als Durchleitungsstation für die Geschäfte der Finanzmarktteilnehmer. Die Deutsche Bundesbank begrüßt die Zielsetzung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, die aus dem Inkrafttreten der EU-Verordnung notwendigen gesetzlichen Anpassungen in Deutschland vorzunehmen.

Durch die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und das deutsche Ausführungsgesetz werden zentrale Gegenparteien entsprechend ihrer zunehmenden Bedeutung für die außerbörslichen Derivatemärkte regulatorisch aufgewertet. Zugleich führt diese regulierungsinduzierte Aufwertung zu einer Veränderung der Marktstrukturen, die die Systemrelevanz von zentralen Gegenparteien vergrößert. Die damit einhergehenden aufsichtlichen Herausforderungen betreffen folglich nicht nur die zuständigen mikroprudenziellen Behörden, sondern auch die makroprudenziellen Aufsichtsstrukturen in Deutschland, die zurzeit neu geschaffen werden.

Wir begrüßen die im EMIR-Ausführungsgesetz vorgesehene Einbindung der Deutschen Bundesbank in die Aufsicht und Überwachung der zentralen Gegenparteien, durch die die bisherige Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unberührt bleibt. So wird durch den Gesetzentwurf der Deutschen Bundesbank unter anderem die Wahrnehmung der laufenden Überwachung der zentralen Gegenparteien zugewiesen und es wird klargestellt, dass die BaFin und die Deutsche Bundesbank mit jeweils einer Stimme in den Aufsichtskollegien von zentralen Gegenparteien vertreten sein sollen.

Die Deutsche Bundesbank nimmt zur Kenntnis, dass der Gesetzentwurf keine Ermächtigung enthält, ergänzend zu den Regelungen betreffend die Finanzmittel- und Liquiditätsausstattung von zentralen Gegenparteien und im Sinne eines makroprudenziellen Instruments Anforderungen an die Einschussforderungen, die Sicherheitsabschläge bzw. den Ausfallfonds zu stellen, die über die Verpflichtung nach Art. 41, 42 bzw. 46 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und die technischen Standards nach Art. 41 (5), 42 (5) bzw. 46 (3) der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 hinausgehen. Aus Sicht der Deutschen Bundesbank sind Situationen denkbar, in denen eine Erhöhung dieser Anforderungen ein geeignetes Instrument hätte darstellen können, um Risiken im Finanzsystem, die z. B. aus prozyklischen Entwicklungen resultieren können, adäquat zu begegnen. Ein solches makroprudenzielles Instrument hätte die bestehenden mikroprudenziellen Instrumente um eine systemische Komponente ergänzen können.

2. Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen

2.1. Änderung des Kreditwesengesetzes

§ 53g Finanzmittelausstattung von zentralen Gegenparteien

Die Deutsche Bundesbank begrüßt die vorgesehene Möglichkeit der BaFin, über die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 hinausgehende Anforderungen an die Finanzmittelausstattung der zentralen Gegenparteien stellen zu können. Dies entspricht auch Erwägungsgrund Nr. 50 der Verordnung. Da es sich hierbei mutmaßlich auch um ein makroprudenzielles Instrument handeln kann, ist davon auszugehen, dass ein mikroprudenzieller Aufseher weitere relevante, mit einem makroprudenziellen Mandat versehene Stellen vor einer solchen Entscheidung einbeziehen würde, um mögliche systemische Auswirkungen frühzeitig berücksichtigen zu können. Für den Zweck der Wahrung der Stabilität des Finanzsystems in Deutschland ist hierfür ein vollständiger Informationsaustausch zwischen der Deutschen Bundesbank und der BaFin erforderlich, wie er in § 4 (1) FinStabG vorgesehen ist.

§ 53h Liquidität

Die Liquiditätsausstattung einer zentralen Gegenpartei sollte nachhaltig sichergestellt sein. Die Deutsche Bundesbank begrüßt daher, dass die BaFin Liquiditätsanforderungen festlegen kann, die über die in Art. 44 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 geforderten hinausgehen. Zur aufsichtlichen Information in solchen Fällen verweisen wir auf unsere Anmerkungen zu § 53g.

§ 53m Inhalt des Zulassungsantrages

Der § 53m (1) sollte ergänzt werden um:
11. einen Nachweis über den Zugang zu relevanten Informationsquellen für die Preisermittlung gemäß Artikel 40 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012.
Die Anforderungen gemäß Artikel 40 sind aus unserer Sicht so bedeutend, dass sie regelmäßig Gegenstand des Zulassungsantrages sein sollten.

2.2. Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung

Aus Sicht der Deutschen Bundesbank sollte der Artikel 102b § 2 (2) vollständig gestrichen werden, da er in Widerspruch zu der unionsrechtlichen und damit höherrangigen Zielsetzung des Art. 48 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 steht (siehe auch Erwägungsgrund 64).
Art. 48 (4) - (7) soll nach dem Rechtsgedanken von EMIR nicht nur die technische Abwicklung von eigenen Positionen eines ausgefallenen Clearingmitglieds gewährleisten, sondern geht davon aus, dass der CCP die Sicherheiten und Handelspositionen von Kunden des ausgefallenen Clearingmitglieds in neutraler Weise auf ein anderes Clearingmitglied übertragen kann. Nach der Wertung des Art. 48 soll eine zentrale Gegenpartei durch den Ausfall eines Clearingmitglieds vor finanziellen Nachteilen bewahrt und damit seine Stabilität gesichert werden. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn die Möglichkeit eines Erstattungsanspruchs gegen die zentrale Gegenpartei begründet würde, wenn diese aufgrund der in Art. 48 enthaltenen gesetzlichen Verpflichtung tätig wird. Ein solcher Nachteilsausgleich würde unkalkulierbare finanzielle Risiken für zentrale Gegenparteien in Deutschland bedeuten und damit ihre systemstabilisierende Funktion konterkarieren sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu internationalen Konkurrenten erheblich beeinträchtigen. Es ist folglich nicht sachgerecht, die zentrale Gegenpartei als Schuldnerin eines möglichen Ausgleichsanspruchs der Insolvenzgläubiger zu bestimmen, soweit sie nur die ihr als zentrale Gegenpartei obliegenden Aufgaben erfüllt.

Abgesehen davon sind auch keine Fälle denkbar, in denen die zentrale Gegenpartei einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Abwicklung von Eigenhandelspositionen des ausfallenden Clearingmitglieds oder der Übertragung beziehungsweise Abwicklung von dessen Kundenpositionen erlangen könnte, die einen Nachteilsausgleich rechtfertigen würden.