Risiko- und Stabilitätsanalyse

Die Bundesbank analysiert den gesamten deutschen Finanzsektor (Kreditinstitute, Versicherungen, das Schattenbankensystem und sonstige Finanzintermediäre, Finanzmärkte und -infrastrukturen). Besonderes Augenmerk richtet die Bundesbank dabei auf die Verflechtungen innerhalb Deutschlands sowie mit ausländischen Akteuren und Märkten. Ziel ist es, stabilitätsrelevante Veränderungen und aufkommende Risiken möglichst frühzeitig zu erkennen.

Die Risiko- und Stabilitätsanalyse verfolgt einen risikoorientierten Ansatz, der auf der Betrachtung sogenannter Abwärtsszenarien beruht. Im Gegensatz zu Prognosen, die die wahrscheinlichsten Entwicklungen aufzeigen, beschreiben Abwärtsszenarien weniger wahrscheinliche Ereignisse, die einen hohen gesamtwirtschaftlichen Schaden verursachen können. Aufgrund des potenziell hohen Schadens ist es wichtig, diese Szenarien zu untersuchen, auch wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeit gering erscheint. In diesem Zusammenhang spielen Stresstests eine wichtige Rolle. Solche Stresstests zeigen die Auswirkungen von negativen Ereignissen oder Entwicklungen, wie z. B. einer gesamtwirtschaftlichen Rezession, auf das Finanzsystem.

Systemische Risiken

Die makroprudenzielle Perspektive rückt systemische Risiken in den Vordergrund. Von einem systemischen Risiko spricht man immer dann, wenn eine Entwicklung im Finanzsystem gravierende Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft hat, wie dies in der internationalen Finanzkrise 2008/2009 der Fall war. Systemische Risiken bestehen für das Finanzsystem durch Ansteckungs- und Rückkopplungseffekte, die einen sich selbst verstärkenden Mechanismus in Gang setzen können, durch den sich Risiken einzelner Institute auf das gesamte Finanzsystem ausbreiten. Auslöser von Ansteckungseffekten kann ein exogener Schock sein, z. B. eine nicht vom Finanzsystem ausgehende Verschlechterung der makroökonomischen Rahmenbedingungen wie die Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Investitionsneigung. Aber auch endogene Schocks aus dem Finanzsystem, wie das Platzen einer Vermögenspreisblase, können zur Entstehung systemischer Risiken führen.

Rückkopplungen zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft

Die makroprudenzielle Analyse befasst sich im Rahmen von makrofinanziellen Modellen mit den Rückkopplungen zwischen dem Finanzsystem und der Realwirtschaft. So wird beispielsweise untersucht, inwieweit der Privatsektor einen angemessenen Zugang zu Krediten zur Finanzierung von Investitionen hat und inwieweit die Verschuldungsstrukturen tragfähig sind. So kann eine hohe Verschuldung von Unternehmen oder Haushalten die Ausfallwahrscheinlichkeit von Bankkrediten erhöhen. Dies kann die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems schwächen. Ein geschwächtes Finanzsystem kann die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes erheblich behindern. Umgekehrt führt eine Rezession häufig zu einem Anstieg der Kreditausfälle bei Banken und zu Verlusten bei Finanzanlagen.

Die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen im Finanzsystem und in der Realwirtschaft können sich sowohl im Aufschwung als auch im Abschwung gegenseitig verstärken. So kann eine Lockerung der Kreditvergabe dazu führen, dass vermehrt Käufe von Vermögenswerten, wie z. B. Immobilien, kreditfinanziert werden. Die erhöhte Nachfrage kann zu Preissteigerungen dieser Vermögenswerte führen, was sich wiederum auf deren Bewertung als Kreditsicherheiten auswirkt. Diese höhere Bewertung von Sicherheiten erleichtert wiederum den Zugang zu Krediten. Im Abschwung, wenn die Preise der Vermögenswerte fallen, wirkt dieser Mechanismus in die entgegengesetzte Richtung.