Editierte Abschrift der Frage- und Antwortrunde anlässlich der Jahrespressekonferenz am 12. März 2015

Frage: Zwei Fragen würde ich gerne stellen. Herr Weidmann, Sie sind auch Mitglied des EZB-Rats und machen kein Hehl daraus, dass Sie das Quantitative Easing-Programm immer wieder kritisiert haben. Bei Griechenland fiel mir auf, dass Sie mit Herrn Draghi sehr konform sind. Sie haben an zwei Stellen hervorgehoben, dass auch Herr Draghi das so sieht, dass jetzt der Ball bei den Regierungen liegt. Wie groß ist denn die Chance, dass es dabei bleiben kann, dass die EZB sich im Griechenland-Thema aus einer weiteren Risikoübernahme zurückhalten kann? Meine zweite Frage ist im Grunde die berühmte Frage "Was war eher da, die Henne oder das Ei?", und zwar bezüglich der Wirksamkeit von QE? Herr Draghi lässt keine Gelegenheit ungenutzt, die Erfolge von QE bereits zu feiern. Wir haben ihn mehrfach in den vergangenen Tagen dabei beobachtet, auch gestern wieder. Und jetzt muss man sich überlegen – und das tun Sie sicher auch und Sie haben es selbst heute hervorgehoben –, dass Europa oder die Eurozone ein Nettoimporteur von Energie ist, und dass die massiv fallenden Energiepreise einen enormen Konjunkturimpuls auslösen können. Kann Ihnen daran gelegen sein, QE vor diesem Hintergrund zu feiern? In Zukunft wird es ganz schwer sein, solche Programme zu verhindern.

Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank: Ihre Fragen sind schnell zu beantworten. Mario Draghi hat vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass wir bei unseren Finanzierungsgeschäften Regeln unterliegen, die wir einhalten sollten. Ich möchte einen Punkt ergänzen, der mir sehr wichtig ist. Für unsere Arbeit ist eine klare Trennung zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik entscheidend. Das ist der Ausgangspunkt. Das bedeutet in Bezug auf Griechenland beispielsweise, dass die Hereinnahme von Sicherheiten bestimmten Regeln unterliegt. Sie wissen ja, dass wir Finanzierungsgeschäfte nur mit solventen Geschäftspartnern und nur gegen ausreichende Sicherheiten unternehmen und insofern eine doppelte Sicherung einziehen. Ausnahmen von dieser Regel müssen sehr gut begründet und sehr eng gefasst sein. Deswegen hatte ich in den Eingangsbemerkungen darauf hingewiesen, dass zum einen die Wiedereinführung eines solchen Waivers [Ausnahmeregelung für die Verwendung griechischer Staatspapiere als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems; die Red.] sehr strengen Anforderungen unterliegen sollte und zum anderen die ELA-Gewährungen vor dem Hintergrund, dass der griechische Staat und auch die griechischen Banken derzeit de facto keinen Marktzugang haben, Bedenken aufwerfen in Bezug auf das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Insofern müssen auch dort die Grenzen eng gesetzt werden. Das dient am Ende des Tages dem Schutz der Geldpolitik, nämlich dass wir unsere Aufgabe, Geldwertstabilität zu sichern, auch erfüllen können. In Bezug auf Ihre zweite Frage ist es aus meiner Sicht im Moment sehr schwierig, die einzelnen Effekte der sehr unterschiedlichen und sehr umfassenden Maßnahmen, die wir bereits gefasst haben, voneinander zu trennen. Wir haben nicht nur im Januar den Ankauf von Staatsanleihen beschlossen, sondern davor auch diverse Entscheidungen getroffen, die den Expansionsgrad der Geldpolitik weiter gesteigert haben. Und einige dieser Entscheidungen zielten ganz präzise darauf ab, die Kreditbedingungen zu erleichtern. Was wir im Moment an den Märkten und sicherlich auch in Bezug auf die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen sehen, ist der Gesamteinfluss all dieser Maßnahmen, der sich sehr schwer trennen lässt. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, Marktzinsen zu beeinflussen, geringer ist, wenn man sich bereits in einem Niedrigzinsumfeld befindet. Bei der Bewertung der Effektivität müssen wir uns nicht daran messen lassen, ob wir eine Marktreaktion bekommen, sondern daran, ob wir unserem Ziel näher kommen, unsere Definition von Preisstabilität zu erreichen. Bei der Bewertung der Effektivität muss man auch berücksichtigen, dass die Finanzsysteme im Euro-Raum und in den USA andere sind. Im Euro-Raum haben wir ein sehr viel stärker bankbasiertes System, insofern werden einige der Wirkungskanäle im Euro-Raum auch schwächer ausgeprägt sein als das beispielsweise in den USA der Fall war. Andere Wirkungskanäle sind sicherlich auch hier zu beobachten und dazu zählt vielleicht auch der Wechselkurskanal. Insofern denke ich, es ist etwas früh, nach drei Tagen Marktinterventionen die Folgen dieses sehr umfassenden Programms zu beurteilen. Das gilt sowohl im positiven Sinne, wie auch in Bezug auf die Risiken, die mit diesem Programm einhergehen. 

Frage: Wie zuversichtlich sind Sie, dass tatsächlich die Umsetzung des Anleihekaufprogramms gelingen wird? Es gibt immer wieder Zweifel, dass man genug Anleihen zusammen bekommt, besonders in Deutschland, wo ja doch ein erheblicher Teil des Laufzeitenbands inzwischen unter -0,2 % liegt. Kommen Sie überhaupt auf das Volumen, auf das Sie kommen sollten? Dann hatte ja Mario Draghi nach der Januarsitzung festgestellt, dass sich alle Mitglieder des Rates einig seien, dass grundsätzlich solche Anleihekäufe ein legitimes Instrument der Geldpolitik sind. Ist es aus Ihrer Sicht tatsächlich zweifellos ein legales Instrument? Dann noch ein anderes Thema: Sie sprachen in der Vergangenheit von der Haftung der Gläubiger bei Banken, die grundsätzlich stärker ausgeprägt werden sollte. Inwiefern ist das, was im Moment in Österreich passiert, dass auch Anleihen, für die mal eine Staatsgarantie bestand, möglicherweise nicht mehr zurückgezahlt werden, ein gutes Beispiel dafür? Oder ist es vielleicht eher ein Beispiel für ein Überschießen in dieser Richtung?

Und letzter Punkt: Sie haben immer wieder begründet, warum die Zinsen so niedrig sein müssen in dieser Situation, aber inwiefern befürchtet die Bundesbank hier Probleme für die Stabilität deutscher Banken, gerade auch regionaler Institute, wenn die Zinsmargen weiter sinken?

Weidmann: Ich fange mit der ersten Frage an. Es ist ja nicht so, dass im Euro-Raum ein Mangel an Verschuldung besteht. Wenn man die Diskussion verfolgt, könnte man aber durchaus diesen Eindruck gewinnen. Ich habe mir vor unserem Treffen die Defizitquoten der einzelnen Länder angeschaut und vor diesem Hintergrund muss man jetzt keine Sorge haben, dass nicht jährlich ausreichend neue Staatsschulden hinzugefügt werden. Das infrage kommende Universum an Anleihen ist relativ groß. Sie haben natürlich Recht, dass die Neigung, bestimmte Papiere abzugeben, bei den Haltern durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein kann, je nachdem in welchem Markt man sich befindet. Für manche Marktteilnehmer können beispielsweise auch regulatorische Gründe dafür sprechen, sich von deutschen Anleihen in diesem Umfeld nicht zu trennen. Dafür wird es andere Halter geben, die sich vielleicht eher opportunistisch verhalten und uns dann diese Anleihen auch zur Verfügung stellen. Insofern ist die Situation je nach Markt unterschiedlich. Die bisherigen Käufe, die wir in den vergangenen Tagen durchgeführt haben, geben keine Hinweise darauf, dass wir die angestrebten Volumina nicht erreichen können. Aber natürlich ist es für Anleihen, die ohnehin schon negativ rentieren sicherlich schwieriger als für solche, die positiv rentieren. Vielleicht möchte Herr Nagel zu der Frage noch etwas ergänzen?

Dr. Joachim Nagel, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank: Meine Antwort ist im Grunde genommen vergleichbar. Wie wird sich die Liquidität im Markt auswirken? Wir haben noch 18 Monate zu gehen. Wir haben heute den vierten Handelstag. Bislang sieht es gut aus, aber ich würde mir jetzt noch keine Einschätzung zutrauen, wie sich das Angebotsverhalten unserer Geschäftspartner in Zukunft ändern wird. Da werden auch andere Faktoren eine Rolle spielen, etwa wie sich die Finanzmärkte insgesamt entwickeln, wie sich geopolitische Risiken entwickeln. All das wird auf die Liquidität durchschlagen. Aber bislang kann man einfach nur sagen, dass aktuell nichts zu erkennen ist, was auf Ihre Befürchtungen hindeutet.

Weidmann: Nun zu Ihrer zweiten Frage, inwieweit Staatsanleihekäufe ein legitimes Instrument der Geldpolitik sind. Ich glaube, man muss zwischen der rechtlichen Bewertung auf der einen Seite und der besonderen Konstellation der Währungsunion auf der anderen Seite unterscheiden, um die Haltung der Bundesbank und meine persönliche Haltung in dem Zusammenhang verstehen zu können. Natürlich sind Staatsanleihekäufe grundsätzlich ein Instrument der Geldpolitik. Das zeigt sich auch darin, dass es durchaus Notenbanken gibt, die sehr aktiv mit diesem Instrument operiert haben, die Federal Reserve beispielsweise, die Bank of England, die Bank of Japan, so dass die Tabuisierung dieses Instruments in einem normalen Kontext nicht weiterhilft. Wir haben im Euro-Raum die Besonderheit, dass wir ein relativ klares Verbot der monetären Staatsfinanzierung haben, das zum Rahmenwerk gehört. Aus meiner Sicht ist ganz entscheidend, dass die Währungsunion auch als Stabilitätsunion erhalten bleibt. Das heißt, zum einen dürfen Sekundärmarktkäufe, die ja prinzipiell erlaubt sind, nicht dazu führen, das Verbot der monetären Staatsfinanzierung zu umgehen. Und das ist jetzt eine rechtliche Bewertung, zu der man unterschiedliche Positionen haben kann, wo dort die Grenzen verlaufen. Klar ist aber, dass natürlich durch die Ausgestaltung der Staatsanleihekäufe die Vergemeinschaftung von Risiken stark begrenzt worden ist, mithin die rechtlichen Bedenken deutlich begrenzt werden konnten. Von der rechtlichen Bewertung unabhängig ist aber die Frage, inwieweit ein solches Instrument in der Währungsunion den Rahmen der Währungsunion unterlaufen kann. Dazu muss man meines Erachtens in den Blick nehmen, dass in der Währungsunion die ohnehin inhärent vorhandenen Verschuldungsanreize, die dadurch zustande kommen, dass man in einer Währungsunion viel leichter die Folgen unsolider Politik auf andere überwälzen kann, durch solche Käufe noch verstärkt werden können. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass Staatsanleihekäufe in der Währungsunion eben kein Instrument wie jedes andere sind. Denn sie gehen mit ganz besonderen Risiken und Problemen einher. Probleme, die am Ende zu einer Situation führen können, in der die Geldpolitik ins Schlepptau der Fiskalpolitik gerät. Probleme, die uns am Ende des Tages das Leben schwerer machen und es uns schwerer machen, unser Ziel der Preisstabilität zu erreichen. Das ist eine Situation, die man vor allem nur versteht, wenn man den Rahmen der Währungsunion in den Blick nimmt. Davon unabhängig ist die Diskussion, inwieweit eine sehr expansive Geldpolitik mit Finanzstabilitätsrisiken verbunden sein kann und inwieweit diese sich bereits manifestieren. Klar ist, dass natürlich eine expansive Geldpolitik mit der Dauer an Wirkung verliert. Gleichzeitig nehmen die Risiken und Nebenwirkungen zu, was sich unter anderem in einem Anstieg von Finanzmarktpreisen zeigen kann. Und es ist sicherlich so, dass die Immobilienpreisentwicklung, die wir in Deutschland sehen, zum Teil auch zurückzuführen ist auf die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen in Deutschland. Auch auf anderen Teilmärkten sieht man deutliche Vermögenspreisanstiege. Davon unabhängig ist jetzt aber die Frage, inwieweit das systemische Probleme sind, auf die man reagieren muss. Die Krise hat gezeigt, dass auch Finanzstabilitätsrisiken Folgen haben können für die Preisstabilität und für die Fähigkeit der Geldpolitik, Preisstabilität zu sichern. Es nicht irrelevant für uns, was sich dort an Finanzstabilitätsrisiken aufbaut. Wir sollten nicht einfach an der Seitenlinie stehen und zusehen, wie sich solche Risiken aufbauen. Wir müssen sie berücksichtigen, sofern diese Risiken auf unser Ziel der Preisstabilität zurückwirken.

Frage: Ich habe zwei Fragen, die erste Frage gilt der Preisstabilitäts-Definition von 2 %. Könnte das Ziel nicht zu hoch sein für die Industrieländer, gerade wegen des Demografiewandels, auf den Sie hingewiesen haben? Zweite Frage ist, wie die Zentralbanken mit den gekauften Staatsanleihen umgehen sollen. Die Zentralbank von Japan hat auch viele Staatsanleihen gekauft und jetzt fängt die EZB mit 19 Zentralbanken an, Staatsanleihen zu kaufen. Sollen die Zentralbanken bis zum Ende der Laufzeit die Staatsanleihen halten oder schrittweise verkaufen?

Weidmann: Zunächst einmal zur Definition der Preisstabilität: Es ist natürlich für die Glaubwürdigkeit einer Ankündigung nicht besonders gut, wenn man eine Diskussion über deren Sinnhaftigkeit führt, wenn es darum geht, sie zu erreichen. Das gilt für die Fiskalregeln und das gilt sicherlich auch für die Definition der Preisstabilität. Insofern ist das am Ende jeder Diskussion, die man über die konkrete Quantifizierung eines Ziels immer führen kann, vor allem eine Frage der Glaubwürdigkeit. Und deswegen ist es für mich auch nicht ein Thema, inwieweit das Ziel der Preisstabilität richtig definiert ist, denn das ist unsere Ankündigung. Geldpolitisch relevant ist für mich eine Abwägung von Risiken, der Tolerierung einer vorübergehenden Abweichung vom Preisstabilitätsziel gegenüber der Frage, welche Risiken durch ein Instrument entstehen, das eben kein Instrument wie jedes andere ist. Das ist letztlich die aus meiner Sicht entscheidende Diskussion. In Bezug auf das Staatsanleihekaufprogramm gibt es zwei Facetten Ihrer Frage: Die eine ist die der Verbuchung; wir gehen davon aus, dass die Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Die zweite Frage, die eigentlich die ökonomisch interessante ist, ist die nach dem geldpolitischen Ausstieg aus dem Programm, der ja auch über unterschiedliche Wege stattfinden kann und von dieser buchhalterischen Frage getrennt werden sollte.

Nagel: Vielleicht noch ergänzend: Das ist ein Quantitative Easing-Programm. Die Fragen werden oft miteinander vermischt. Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob das derzeitige Zinsniveau, zu dem ich kaufe, attraktiv ist. Entscheidend ist, was wir als Zentralbanken tun, um dafür zu sorgen, dass die Liquidität im Markt erhalten bleibt. Und da geht es darum, dass die Papiere dann auch in die Leihe gegeben werden. Da würde ich nun vordringlich unseren Fokus sehen.

Frage: Sie sagten, Sie haben zwar keine Hinweise, dass Ihnen nicht genügend Bundesanleihen angeboten werden könnten, aber was passiert, wenn es so sein sollte?

Die zweite Frage: Der Bundesfinanzminister hat jetzt seine schwarze Null erreicht. Erträge aus Goldverkäufen würden nun nicht mehr laufende Defizite finanzieren, könnte das perspektivisch etwas an der Haltung des Bundesbank-Vorstandes ändern?

Weidmann: Sie vermengen jetzt die Gewinnverwendung mit der Frage der Goldverkäufe, die in dem Sinne gar nicht zur Debatte steht. Im Haushaltsgesetz gibt es eine relativ klare Regelung, dass 2,5 Milliarden des Bundesbank-Gewinns in den laufenden Haushalt einfließen, während der Rest zur Schuldentilgung verwendet wird. Nachdem der Erblastentilgungsfonds in den Haushalt überführt worden ist, und vermutlich die Lasten daraus inzwischen abgebaut worden sind, geht es darum, den Investitionsfonds, der im Rahmen der Konjunkturprogramme aufgelegt worden ist, zu tilgen. Schulden, die man tilgen kann, gibt es noch, daran besteht kein Mangel. Diese Frage ist aber unabhängig von der Frage der Goldverkäufe. Dazu kann ich Ihnen klar sagen, dass die Bundesbank nicht die Absicht hat, die Goldbestände durch eine aktivere Politik zu verringern. Es gibt jedes Jahr begrenzte Goldverkäufe an den Finanzminister zur Ausprägung von Goldmünzen. Diese werden wir fortführen. Darüber hinaus sind keine Goldverkäufe vorgesehen.

Frage: Und wenn nicht genügend Bundesanleihen angeboten werden sollten …

Weidmann: ... dann werden wir sehen, wie wir damit umgehen. Wir haben im Moment keine Hinweise darauf, dass wir die angestrebten Ziele nicht erreichen. Ich werde auch heute nicht öffentlich darüber spekulieren, weil ich das derzeit für kein relevantes Szenario halte. 

Frage: Erwarten Sie Verluste aus den Bundesanleihekäufen, und wenn ja, in welcher Höhe?

Weidmann: Diese Frage lässt sich nicht abschließend beantworten, ohne Details über den Ausstieg aus dem Programm zu kennen. Aber es bedarf keiner größeren mathematischen und buchhalterischen Künste um vorauszuahnen, dass aus einem Programm, das in einer Phase sehr niedriger Zinsen Fixed-Income-Assets kauft und sehr lange Zeit dauert, auch Verluste resultieren können. Ihre Frage betrifft jedoch nicht nur die Bundesbank, sondern alle anderen Notenbanken gleichermaßen. Weil sich auch in unserer Bilanz beispielsweise auf der Passivseite die Zinsen verändern können, während die Zinszahlungen des Kaufprogramms konstant sind, sofern sie denn positiv sind. Das Problem stellt sich in Bezug auf das gesamte Programm. Hier kann ich nur unterstreichen, was Herr Nagel bereits gesagt hat. Das Ziel der Geldpolitik ist nicht die Gewinnerzielung, sondern die Geldwertstabilität. Daher sollte ein solches Programm auch nicht mit einem anderen Maßstab gemessen werden. In Bezug auf die von manchen kolportierte Diskussion im EZB-Rat, dass Anleihen, die die unterschiedlichen nationalen Notenbanken erwerben, sehr unterschiedlich verzinst sind und sich dadurch die Zinseinnahmen und Gewinnsituationen der einzelnen Notenbanken sehr unterschiedlich darstellen, möchte ich darauf verweisen, dass an den Finanzmärkten natürlich der Ertrag in einem positiven Verhältnis zum Risiko steht. Papiere, die einen höheren Ertrag abwerfen, sind auch mit einem höheren Risiko verbunden, was dazu führen müsste, dass entsprechend dem Risiko Rückstellungen aufgebaut werden, die dann wieder gewinnmindernd wirken. Wie sich dieser Vergleich darstellt, ist eine Frage, die man ohne genaue Kenntnis nicht abschließend beantworten kann.

Frage: Meine erste Frage betrifft den Euro-Kurs zum Dollar, der ja stark gesunken ist. Konjunkturell ist das zunächst ein positiver Impuls, aber sehen Sie mittelfristig konjunkturelle Risiken und international die Gefahr eines Abwertungswettlaufs? Dies war in den vergangenen Tagen häufiger zu hören. Zweite Frage: Sie haben sich sehr kritisch zu den Defizitregeln auf europäischer Ebene geäußert und gesagt, dass diese Regeln ein Vertrauensanker sind. Um bei diesem Bild zu bleiben: Ist dieser Anker in Ihren Augen schon herausgerissen?

Weidmann: Zu Ihrer ersten Frage: Was den Euro-Kurs angeht, darf man die Währungsrelation nicht alleine vor dem Hintergrund der Geldpolitik diskutieren, sondern man sollte bei der Bewertung der Kursentwicklung auch in den Blick nehmen, dass die konjunkturellen Entwicklungen diesseits und jenseits des Atlantiks sehr unterschiedlich sind. Dies spiegelt sich zum einen in der Geldpolitik wider, aber womöglich auch im Euro-Kurs, sodass die Geldpolitik nicht der einzige treibende Faktor hinter der Kursentwicklung ist. Inwieweit der Wechselkurs fundamental gerechtfertigt ist, ist eine sehr umstrittene Frage, bei der Sie sehr unterschiedliche Maße anlegen können: Vergleicht man beispielsweise die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, dann ist das, was wir derzeit sehen, nicht so weit entfernt von dem, was man erwarten würde, um Anlass zur Sorge zu bieten. In Bezug auf die Geldpolitik ist es so, dass der Wechselkurs eine doppelte Rolle hat: Zum einen ist der Wechselkurs ein wichtiges Element im Datenkranz, der wiederum für die Abschätzung der zukünftigen Inflationsentwicklung wichtig ist und in unsere geldpolitische Entscheidungsfindung einfließt. Auf der anderen Seite haben Sie auch zu Recht darauf hingewiesen, dass geldpolitische Entscheidungen auf den Wechselkurs wirken und dass die Wechselkursentwicklung einer der möglichen Transmissionskanäle der Geldpolitik ist. Sofern aber die Geldpolitik nicht darauf abzielt, den Wechselkurs zu schwächen, muss man das anders bewerten als eine gezielte Schwächung – oder das, was Sie als Abwertungswettlauf bezeichnet haben. Das ist dann die Folge einer expansiven Geldpolitik, die auf eine relativ schwache Wirtschaftsentwicklung und gedämpfte Preisaussichten im Währungsraum reagiert. Es ist eine wesentliche Errungenschaft der G20, dass es zu keinem Abwertungswettlauf gekommen und dass auch protektionistischen Tendenzen Einhalt geboten worden ist. Daher sollte gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass es bei der Geldpolitik um die gezielte Schwächung der Währung geht.

Mit Blick auf den "Vertrauensanker" habe ich in den einführenden Worten deutlich gesagt, dass mich diese Entwicklung mit Sorge erfüllt. Ich habe auch klar gemacht, dass nach meiner Einschätzung die Bindungswirkung der Fiskalregeln nicht wie vereinbart gestärkt worden ist, sondern faktisch geringer ist als vor der Krise. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade die großen Länder in diesem Kontext eine Vorbildfunktion einnehmen und habe deswegen gehofft, dass ein Land wie Frankreich dieser Vorbildrolle auch in Bezug auf die Haushaltspolitik nachkommt. Es wird dann umso schwerer, von den anderen Ländern die Einhaltung der Haushaltsregeln zu verlangen.

Frage: Wenn wir gerade bei Frankreich sind, wie erklären Sie sich, dass man die Regeln für Frankreich noch ein bisschen gelockert hat? Und ich habe noch Fragen zu den Anleihekäufen: Könnten Sie uns das vielleicht ein bisschen anschaulich machen, weil es sehr technische Aspekte sind, uns aber nicht Zugang zum Handelsraum der Bundesbank gewährt wird. Können Sie uns vielleicht die Stimmung dort beschreiben? Sind Sie selbst dort gewesen und haben auf den Knopf "Kaufen" gedrückt? Man sieht bei den Anleihekäufen, dass die Renditen immer schnell nach unten laufen, das betrifft auch die Bundesanleihen. Wird die Bundesbank Anleihen kaufen, bis die Renditen der zehnjährigen Anleihen die Höhe des Einlagezins, also -0,2 % erreichen. Was passiert dann? Die letzte Frage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist die neue Inflationsprognose der EZB für Sie ein Beweis, dass man sich vorrübergehend in einer Niedrig-Inflationsphase befindet und man vielleicht im Januar nicht so dezidiert hätte agieren sollen. Aber Mario Draghi betont immer, dass diese Prognose auf einer 100 %-igen Umsetzung des QE-Programms beruht. Ist das QE-Programm also doch unerlässlich und hätte man diese Prognose nicht ohne die Annahme eines QE erreicht?

Weidmann: Warum die Regeln für Frankreich gelockert worden sind, kann ich Ihnen nicht so gut beantworten, wie die EU-Kommission. Insofern empfehle ich Ihnen die Frage jemand anderen zu stellen. Dass die Einhaltung der Regeln immer mit unbequemen politischen Entscheidungen verbunden ist, ist keine wirklich neue Erfahrung. Es besteht immer wieder die Tendenz, Ausflüchte zu suchen, warum man die Regeln gerade diesmal nicht einhalten kann. Und warum das gut begründet ist, ist auch nichts Neues, was sich alleine schon an der Defizitentwicklung in Frankreich zeigt. Die Frage ist: Handelt es sich am Ende um eine Ausnahmeentscheidung oder sind vielleicht die hohen Defizite nicht eher struktureller angelegt. In der Hinsicht kann einem Frankreich durchaus Sorge bereiten. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sieht man, dass Frankreich in sehr wenigen Jahren seit Gründung der Währungsunion die Haushaltsgrenzen eingehalten hat. Das spricht meines Erachtens dafür, die Regeln nicht zu schwächen, sondern zu stärken, weil sie offensichtlich bis dato eben nicht gewirkt haben. Meine persönlichen Erfahrungen mit der Umsetzung des PSPP (Public Sector Asset Purchasing Programme) sind etwas limitiert, weil ich genauso wie die Kollegen den Anfang der Woche in Basel bei einem regelmäßigen Treffen der Notenbankchefs verbracht habe. Das haben wir unseren Experten überlassen. Am Ende ist die Umsetzung des PSPP natürlich auch einfacher, als beispielsweise die der vorangegangenen Programme wie das ABSPP (Kaufprogramm für forderungsbesicherte Wertpapiere, die Red.), die technisch sehr viel aufwändiger und fordernder sind als das PSPP selbst.

Nagel: Ich bin im Bundesbank-Vorstand für den Handel zuständig, und damit auch für das Kaufprogramm. Die Stimmung im Handelsraum der Bundesbank ist immer gut. Der Handelsraum ist aber kein Showroom – insbesondere nicht, wenn so ein Programm beginnt, da müssen Sie Verständnis haben. In der aktuellen Phase muss effizient gearbeitet werden. Sie wären vielleicht überrascht, wie schnell sich die monetäre Basis ausweiten lässt. Schließlich werden die Ankäufe über elektronische Handelssysteme abgewickelt. Es ist eine sehr effiziente, aber vor allem auch eine sehr kompetitive Art, die Käufe zu tätigen. Es geht auch immer darum, dass kompetitive Gebote vorliegen. Ein Gebot eines Handelspartners reicht nicht aus, sondern es müssen mindestens drei Gebote vorliegen, bevor ein Trade gemacht werden kann. Ich war im Handelsraum und habe mir ein Bild gemacht. Die Kollegen sind eifrig dabei und es sieht hinsichtlich der gegenwärtigen Einschätzung zur Liquidität gut aus.

Weidmann: Zur letzten Frage: Die MPE (Macroeconomic Projection Exercise) ist konditioniert auf die Umsetzung der geldpolitischen Beschlüsse, setzt diese also voraus. Das ist auch richtig. Die MPE, also die Stabsprognose, hätte anders ausgesehen, wenn das PSPP nicht eingestellt worden wäre. Das heißt aber natürlich nicht, dass der Rückgang der Inflationsrate vom grundsätzlichen Muster kein vorübergehender gewesen wäre. Natürlich sind diverse positive Effekte des PSPP-Programms eingetreten, die die Inflationsrate schneller nach oben drücken. Trotzdem: Die grundsätzliche Einschätzung, dass der Rückgang der Energiepreise vorübergehend auf die Inflationsrate wirkt, wird im EZB-Rat breit geteilt. Die Diskussion ist aber nicht, ob wir genau die Prognose erreicht hätten, sondern ob eine etwas länger andauernde Abweichung der zukünftigen Inflationsraten tolerierbar gewesen wäre vor dem Hintergrund, dass wir eine sehr mittelfristig ausgerichtete Strategie haben. Und vor dem Hintergrund, dass das Instrument mit besonderen Risiken und Nebenwirkungen verbunden ist. In dieser Frage sind wir dann zu anderen Einschätzungen gekommen.

Frage: Eine kurze Frage zu Griechenland. Ich fand Ihre Worte und die Worte anderer Kollegen zu dem Thema unterschiedlicher als vor zwei, drei Jahren. Man redet jetzt nicht mehr über die Unumkehrbarkeit der Eurozone, sondern sagt, es sei eine politische Entscheidung. Könnten Sie uns sagen, ob es vielleicht Vorbereitungen für einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone gibt?

Weidmann: Meine Position hat sich in diesem Punkt nicht geändert. Wenn Sie meine Äußerungen in der Vergangenheit noch einmal Revue passieren lassen, dann klingt das recht ähnlich zu dem, was ich heute sage. Im Übrigen verweise ich auf meine Ausführungen im Einführungsstatement: Mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion geht eine Verantwortung einher, dass jedes Land auch die Voraussetzungen dafür schafft, die Währungsunion als Stabilitätsunion zu erhalten. Das ist das Eine. Das Zweite ist, dass wir eine klare Trennung brauchen von Geldpolitik und Fiskalpolitik. Die Frage, inwieweit ein Land auf diesem Weg unterstützt wird, kann nur die Fiskalpolitik beantworten. Die Geldpolitik darf sie nicht beantworten, wenn sie ihre Unabhängigkeit nicht gefährden möchte. Deshalb halten wir uns an unser Regelwerk und an nichts anderes.

Frage: Ich möchte noch einmal wegen der Ankäufe von Bundesanleihen nachfragen. Können Sie uns verraten, wie viele Sie schon gekauft haben, bei was für Laufzeiten Sie einen Schwerpunkt setzen und ob Sie merken, dass jedes Mal die Preise hochgehen, wenn Sie aktiv werden?

Weidmann: Interessant ist das außergewöhnliche Interesse an den Wasserstandsmeldungen zu den einzelnen Aufkäufen, obwohl sie meines Erachtens gar nicht so viel Informationsgehalt haben. Wir setzen das Programm um. Wir haben klare monatliche Vorgaben, die wir auf die entsprechenden Tage herunterbrechen. Benoît Coeuré hat heute Morgen schon die Zahlen für das Eurosystem bekannt gegeben, und zwar den Stand von gestern Abend mit Buchwerten von 9,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Kaufvolumen der Bundesbank von ungefähr 2,1 Milliarden Euro – daraus kann oder sollte man aber meines Erachtens jetzt nicht wirklich viel ableiten.

Frage: Seit Montag laufen die Anleihekäufe und die Reaktion an den Märkten ist doch sehr deutlich: Zum Beispiel, dass eine zehnjährige Bundesanleihe jetzt bei 0,2 % rentiert, oder dass man bis sieben Jahre im negativen Bereich ist. Sie hatten Zweifel geäußert, dass ein Anleiheprogramm in so einem Niedrigzinsumfeld wirkt. Nun beobachten wir aber diese dramatische Wirkung am Anfang. Wie bewerten Sie das? Meine zweite Frage betrifft die möglichen Zinsverluste aus den Anleihekäufen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass bei den 80 %, die jetzt nationale Notenbanken kaufen, die nationalen Notenbanken auch die Verluste übernehmen, weil sie ja auch die Risiken übernehmen?

Weidmann: Die Effektivität von Staatsanleihekäufen kann man gerade nicht an der Marktreaktion festmachen. Wir müssen die Effektivität eines Programms an den Auswirkungen auf unser Primärziel messen, an der Erreichung von Geldwertstabilität. Das ist am Ende das entscheidende Argument. Dass wir mit unserem Handeln Märkte beeinflussen können, steht außer Frage. Ich kenne niemanden, der das bezweifelt. Natürlich haben wir eine enorme Macht, "sehr tiefe Taschen", wenn Sie es so wollen, mit denen wir im Markt aktiv sein können. Dass das Auswirkungen auf die Bepreisung am Markt hat, steht außer Frage. Diese Auswirkungen sind aber in einem Niedrigzinsumfeld vermutlich andere als in einer Phase, in der die Finanzmärkte akut angespannt sind, so wie das beim ersten QE-Programm der Federal Reserve der Fall war, wo die Zinsen ja auch noch höher waren. Warum die Effekte des PSPP-Programms noch nicht vollständig in den Märkten eingepreist waren, darüber kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren.

Bei der Frage, warum wir trotzdem noch deutliche Marktreaktionen gesehen haben, sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass natürlich die geldpolitischen Käufe der Notenbanken nicht die einzigen Einflussgrößen auf die Renditen an den Kapitalmärkten darstellen. Wir hatten in dieser Phase der Käufe auch andere Überraschungen, beispielsweise die Unsicherheit in Bezug auf Griechenland und Ölpreis-Bewegungen, was auch wieder Rückwirkungen auf die Renditeentwicklungen haben kann. Zum anderen glaube ich, dass die Marktteilnehmer erst langsam lernen, wie das Programm umgesetzt wird und die Details des Programms auch erst mit der Umsetzung vollständig verstehen. Das betrifft die Kaufvolumina, das betrifft die Frage der Zinssätze, zu denen gekauft wird, das betrifft vor allem die Frage, die Herr Nagel schon erwähnt hat, inwieweit die Staatsanleihen wieder zurück an den Markt über Leihen gegeben werden. Insofern sollten wir uns jetzt nicht an Tagesausschlägen festklammern, sondern vielleicht eine etwas längerfristige Perspektive einnehmen. Die Frage, die sich auf die Verluste bezieht, wird im EZB-Rat diskutiert. Natürlich hat die Ausgestaltung des Programms auch Rückwirkungen auf die Frage der Teilung der monetären Einkommen des Programms, aber die sind noch nicht abschließend geregelt.

Frage: Der griechische Finanzminister Varoufakis hat gerade die EZB-Politik gegenüber Griechenland als "erstickend" beschrieben. Was sagen Sie dazu? Und wäre es, wenn es zu einem Grexit käme, schlecht oder vielleicht nicht so schlecht?

Weidmann: Ich glaube man darf bei dieser ersten Frage Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Es liegt nicht an der EZB, dass die griechische Regierung keinen Marktzugang hat. Es liegt nicht an der EZB, dass die Auszahlung der Hilfsgelder offensichtlich ausgesetzt ist. Die EZB ist die Notenbank der Länder des Euro-Raums und als solche nehmen wir auch unsere Verantwortung wahr, nicht mehr und nicht weniger. Das ist also keine politische Entscheidung darüber, einem Land etwas Gutes oder etwas weniger Gutes zu tun. Wir haben Regeln, an die wir uns halten müssen. Diese Regeln dienen dazu, die Geldpolitik im Euro-Raum, die einer besonderen Konstellation unterliegt, zu schützen, damit wir im Interesse aller Bürger des Euro-Raums unsere Aufgabe erfüllen können.

Frage: Ich habe zwei Fragen: Mich interessiert Ihre Reaktion auf die Stresstests in den USA. Die Deutsche Bank hat diese qualitativ nicht überstanden. Glauben Sie, dass europäische Institute an solchen Stresstest teilnehmen sollen und umgekehrt, würden Sie vielleicht raten, dass EZB oder die EBA bei den nächsten Stresstests bestimmte qualitative Fragen stellen, wie die Federal Reserve das macht?

Die zweite Frage betrifft die Öffentlichkeit, die sich vielleicht manchmal fragt: Wenn die Bundesbank mit QE nicht einverstanden ist, warum macht sie dann überhaupt mit? Warum kauft sie dann nicht einfach nichts? Was antworten Sie solchen Kritikern und wie kann die Bundesbank am besten ihre Bedenken umsetzen?

Weidmann: Die Antwort auf Ihre zweite Frage ist relativ einfach, weil die Bundesbank wie alle anderen Notenbanken des Eurosystems an die Beschlüsse des EZB-Rats gebunden ist. Wir sind integraler Bestandteil des Eurosystems und als solcher bringen wir unsere Argumente in den EZB-Rat ein. Ich versuche dort für meine Positionen zu werben. Ich muss aber auch akzeptieren, wenn die Mehrheitsverhältnisse anders ausfallen. Stellen Sie sich ein System vor, das so funktionieren würde, dass jede Notenbank dann nochmal für sich entscheidet, ob sie die Entscheidungen umsetzen möchte oder nicht. Das würde recht schnell zu einer sehr erfolgversprechenden Klage vor dem EuGH auf Umsetzung führen. Es geht also darum, die Bedenken, die man bei einem solchen Programm haben kann, und die Argumente im EZB-Rat vorzutragen. Die Debatte wird davon ja auch beeinflusst. Bestimmte Ausgestaltungsmerkmale des Programms sind letztlich nur vor dem Hintergrund der auch von mir angesprochenen Risiken – die ich aber auch nicht als Einziger angesprochen habe – zu interpretieren. Es gab Kollegen, die sich in der Gesamtabwägung am Ende auch meiner Position angeschlossen haben und zu einer negativen Einschätzung gekommen sind. Es gab auch viele Kollegen, die dem Programm zugestimmt haben und trotzdem die Risiken des Programms sehen. Auch Mario Draghi hat diese Risiken zuletzt öffentliche erwähnt. Dies hat dann dazu geführt, dass das Programm in einer Art und Weise ausgestaltet worden ist, die rechtliche Risiken zu reduzieren versucht.

Zur anderen Frage: Zu einzelnen Instituten werde ich mich nicht äußern und ich sehe auch keine Veranlassung, mich zu der Arbeit der Kollegen zu äußern. Aber wir in der Bundesbank versuchen natürlich auch laufend über die Stresstests hinaus, einen Eindruck von der Situation des Bankensystems zu bekommen. Beispielsweise haben wir vor nicht allzu langer Zeit eine Untersuchung der Banken in Deutschland durchgeführt, inwieweit sich das Niedrigzinsumfeld auf die Ertragssituation auswirkt und ob ein langanhaltendes Niedrigzinsumfeld oder eine Zinswende am Ende dieser Phase Finanzstabilitätsrisiken mit sich bringt. Das gehört auch zur Aufgabe der makroprudenziellen Aufsicht, die wir inzwischen auch verantworten.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu Griechenland: Sie haben Ihre Bedenken gegenüber Notfallhilfen, ELA, deutlich gemacht. Gehen diese Bedenken soweit, dass die ELA-Hilfen eigentlich nie hätten gewährt werden dürfen oder denken Sie, dass jetzt der Zeitpunkt wäre, dass diese Hilfen eigentlich nicht mehr gewährt werden dürften.

Weidmann: Es ergibt wenig Sinn, die Genesis der Diskussion im EZB-Rat aufzuarbeiten und zu fragen, zu welchem Zeitpunkt welche Position wie begründet gewesen wäre. Jetzt kommt es auf die Bewertung der aktuellen Situation an. Diese habe ich versucht, in dem einleitenden Statement klar zum Ausdruck zu bringen. Es ist doch einfach nachzuvollziehen, dass eine Bank, die Notfallliquidität in Anspruch nimmt, alles unternehmen sollte, was ihre Liquiditätsposition verbessert und nicht etwa verschlechtert. Durch den Ankauf von T-Bills, die keinen Markt haben, passiert aber genau das: Die Liquiditätsposition verschlechtert sich und das Überrollen von T-Bills ist eine Kreditentscheidung mit dem gleichen Effekt. Ich nehme dann die Möglichkeit, die Liquiditätsposition zu verbessern, nicht wahr. Und das hat mich zu der Einschätzung geführt, die ich Ihnen im einleitenden Statement dargelegt habe: Ich bin der Auffassung, dass die griechischen Banken, alles unternehmen müssen, um ihre Liquiditätsposition zu verbessern und das heißt, dass sie den T-Bill-Bestand nicht aufbauen sollten und dass man von ihnen erwarten kann, dass sie nicht weiter überrollen.

Frage: Ich frage mich gerade, ob der Anlagezins noch niedriger werden könnte, so dass die Bundesbank mehr Anleihen kaufen könnte, weil es einen Zinssatz gibt, unter dem man nicht kauft. Könnte es in Zukunft Druck geben, dass die Bundesbank mehr Anleihen in dieser Gegend kaufen könnte?

Weidmann: Wir haben eine klare Vorgabe, was das Volumen angeht. Und die Vorgabe versuchen wir umzusetzen, was dazu führen kann, dass wir Anleihen kaufen, die nicht positiv rentieren. Das ist klar, wenn man sich einer Struktur des Marktes gegenüber sieht, die bis zu Laufzeiten von sieben Jahren im negativen Bereich liegt und erst danach positiv wird. Wir müssen auch immer abwägen zwischen den Aspekten, die Sie jetzt erwähnen und unserer Absicht, dieses Programm möglichst marktschonend umzusetzen und das Gewicht der Marktintervention nicht auf ein Segment des Marktes legen und damit die Marktstruktur verzerren.

Nagel: Manche Einschätzungen der vergangenen Tage halte ich für ein wenig voreilig. Es hilft manchmal, sich den Markteinfluss früherer Ankaufsprogramme anzuschauen. Dabei sieht man auch, dass die meisten Zinseffekte in den ersten zwei Wochen sichtbar sind. Dann hat sich der Markt daran gewöhnt, dass die Notenbank im Markt unterwegs ist. Daher wäre ich vorsichtig, jetzt zu sagen, wo sich tatsächlich die Zinsen über die Laufzeitstruktur hinbewegen. Der Markt für Bonds ist ein großer Markt, kein kleiner, Präsident Weidmann hat bereits darauf hingewiesen. Ich bin derzeit zuversichtlich, dass wir keine größeren Verspannungen bekommen werden.

Frage: Was ich fragen wollte ist, ob es Druck auf den Einlagesatz gibt, da die Bundesbank mehr Anleihen kaufen muss und dieser Zins die Grenze für den Kauf einer Anleihe darstellt.

Weidmann: Ich kann Sie nur auf die Erklärung des EZB-Rats verweisen. Der EZB-Rat ist der Auffassung, dass die Leitzinsen, die er gesetzt hat, die untere Grenze darstellen. Es gibt eine Erklärung im Introductory Statement oder von Mario Draghi in der Pressekonferenz dazu, in der wir ganz explizit darauf hingewiesen haben. Mehr würde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht ergänzen.